Zwei aktuelle Entscheidungen des LAG Hamm (Urteil vom 14.04.2011 – 15 Sa 125/11) und des LAG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 19.08.2011 – 9 TaBVGa 1/11) geben erneut Anlass, auf die Bedeutung der Betriebsvereinbarung als Gestaltungsinstrument hinzuweisen.

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Foto von Sigmund

In dem vom LAG Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall ging es um die Installation einer Videoüberwachungsanlage in einer Spielbank. Der Arbeitgeber hatte mit der Installation bereits begonnen, obwohl die Betriebsparteien (Arbeitgeber und Betriebsrat) noch keine Einigung über die Inbetriebnahme und Nutzung der Anlage erzielt hatten. Der Betriebsrat war deshalb der Ansicht, ihm stehe bis zu einer Einigung bzw. bis zur Entscheidung einer Einigungsstelle ein Anspruch auf Unterlassung der Inbetriebnahme zu und beantragte, dem Arbeitgeber die Installation per einstweiliger Verfügung zu untersagen. Das LAG gab dem Betriebsrat Recht. Der Arbeitgeber durfte die Anlage vorerst nicht in Betrieb nehmen, auch nicht zu Testzwecken.

Ähnlich war die Ausgangslage in dem vom LAG Hamm entschiedenen Fall. Auf dem Betriebsgelände des Arbeitgebers, einem Handelsunternehmen mit großem Warenlager, waren 22 Videokameras installiert. Der Kläger, ein dort beschäftigter Lagerarbeiter, verlangte den teilweisen Abbau der Kameras. Das LAG gab dem Arbeitnehmer Recht. Die Betriebsparteien hatten zwar eine Betriebsvereinbarung über die Nutzung der Videoanlage geschlossen, jedoch verstieß diese nach Auffassung des LAG gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Kläger habe daher einen Beseitigungsanspruch gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG.

Beide Entscheidungen bestätigen somit die Betriebsvereinbarung in ihrer Bedeutung als wesentliches Instrument zur Regelung des Umgangs mit personenbezogenen Daten im Betrieb, im Unternehmen oder im Konzern. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt (soll heißen: geeignet) sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Die Vorschrift bezweckt nicht den Schutz der Arbeitnehmer vor jeglicher Überwachung, wohl aber den vor den besonderen Gefahren solcher Überwachungsmethoden, die sich für das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer aus dem Einsatz technischer Einrichtungen ergeben (LAG Köln, Beschluss vom 07.06.2010 – 5 Ta 176/10).

Die Betriebsparteien haben insoweit eine beträchtliche Regelungs- und Gestaltungskompetenz. Jedoch ist Vorsicht geboten. Nicht jede Betriebsvereinbarung hält, was sie verspricht. Verlangt wird nicht weniger als eine umfassende, nachvollziehbare Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne einer Gesamtabwägung zwischen den schutzwürdigen Belangen der Arbeitnehmer an ihrer informationellen Selbstbestimmung und denen des Arbeitgebers an der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Beschäftigtendaten, die soweit austariert ist, dass sie einer gerichtlichen Kontrolle standhält. Die zu erwartende Neufassung des BDSG wird an dieser Herausforderung wohl nichts Grundlegendes ändern (§ 4 Abs. 1 BDSG-E).