Die Mitarbeiterentwicklung ist eine Schlüsselaufgabe der Personalarbeit. In Krisenzeiten stehen Betriebe vor der Frage, welche Mitarbeiter unentbehrlich sind, während in Phasen des Aufschwungs der Wettbewerb um die besten Talente in den Vordergrund rückt. Schließlich hängt der langfristige Erfolg eines Unternehmens maßgeblich von der Qualität der Mitarbeiter ab. Das Human Resources Management kann hier gewichtigen Einfluss nehmen, wenn es die vorhandenen Mittel effizient, gezielt und nachhaltig einsetzt und nicht nach dem Gießkannenprinzip auf zu viele Mitarbeitersegmente oder nicht näher definierte High Potentials verteilt.

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Foto von You X Ventures

Die Frage nach dem optimalen Mitteleinsatzes stellt sich insbesondere für zentrale Funktionen wie beispielsweise Einkauf, Kundenmanagement oder Forschung, die in den vergangenen Jahren in ihrer Anzahl und Bedeutung stetig zugenommen haben. Die Hauptgründe dieser Entwicklung sind einerseits Internationalisierungsaktivitäten und andererseits Prozessoptimierungen innerhalb der Unternehmen. Dabei sollen Synergieeffekte durch den Einsatz zentraler und meist bereichsübergreifender Funktionen besser zum Tragen kommen. So hat sich beispielsweise der zentrale Einkauf zu einer Schlüsselfunktion auf der Kostenseite entwickelt, während einzelne Kundenmanager auf Unternehmensebene oftmals Umsätze im zweistelligen Millionenbereich bewirtschaften. Welche zentralen Funktionen sind jedoch die strategisch bedeutsamsten?

Zur Klärung dieser Frage hat die Forschungsstelle für Internationales Management der Universität St.Gallen zusammen mit dem AMC Account Management Center eine vergleichende Studie unter Personalverantwortlichen in Europa durchgeführt. Befragt wurden Personalverantwortliche aus Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und 350 Millionen Euro Umsatz. Zwei Drittel der 76 Studienteilnehmer sind Personalleiter auf Konzernstufe oder verantworten den Personalbereich einer Geschäftseinheit. Die Forscher haben 14 zentrale Funktionen (siehe Abbildung 1) verglichen. Das Human Resource Management war nicht darunter, da Studienteilnehmer, die sich selbst beurteilen müssen, die Ergebnisse verzerren können. Im Anschluss an die standardisierte Befragung folgten persönliche Interviews mit ausgewählten Unternehmen, um die Interpretation der Ergebnisse zu vertiefen. Die Resultate der Studie sowie die aus den Interviews gewonnenen Erkenntnisse werden im Folgenden vorgestellt.

Einfluss auf Wertetreiber

Im ersten Teil der Studie beantworteten die Personalverantwortlichen die Frage, wie sie die 14 zentralen Funktionen bezüglich ihrer Wichtigkeit für den zukünftigen Geschäftserfolg generell sowie für die Wertschöpfung und Risikominderung im Besonderen einschätzen. Abbildung 1 zeigt, dass die Studienteilnehmer den Research & Development Manager sowie den Customer/Key Account Manager als die beiden Funktionen mit dem größten Einfluss auf den zukünftigen Unternehmenserfolg wahrnehmen. Ausschlaggebend dürfte deren treibende Kraft beim Ausbau des Produkt- wie auch des Kundenportfolios sein. Interessanterweise findet sich die Funktion des Environment/Social Responsibility Managers an letzter Stelle, obschon die Themen Gesellschafts- und Umweltverantwortung in der externen Unternehmenskommunikation viel Beachtung erfahren. Die Bedeutung des Procurement Managers bewerteten die Befragten auch eher gering. Im Gegensatz dazu erwartet beispielsweise Procter & Gamble von diesem, dass er das Unternehmensziel erreicht, 50 Prozent oder mehr der gesamten Produktinnovation durch die Zusammenarbeit mit externen Partnern zu generieren.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Frage, welche Funktion den größten Beitrag zur unternehmerischen Wertschöpfung leistet: Der Customer/Key Account Manager steht dabei mit 85 Prozent an erster Stelle, gefolgt vom Research & Development Manager mit 79 Prozent und vom Marketing/Product Manager mit 71 Prozent. Dieses Ranking spiegelt die Veränderungen im Verkauf der letzten Jahre wider, insbesondere im Geschäft mit Firmenkunden (B2B). Während in der Vergangenheit die Rolle des Key Account Managers vom Beziehungsmanagement und der Bewirtschaftung der bestehenden Verkaufsumsätze geprägt war, liegt heute der Arbeitsschwerpunkt auf der Identifikation und Umsetzung neuer Wachstumsprojekte in enger Zusammenarbeit mit den Schlüsselkunden. So steht beispielsweise für die Global Account Manager von Hewlett Packard nicht mehr die Kundenzufriedenheit als relative Erfolgsgröße an oberster Stelle. Entscheidend ist vielmehr, inwiefern sie nachweislich finanziellen Mehrwert sowohl für das eigene Unternehmen als auch für den Kunden schaffen – schließlich soll der Kunde mit Hewlett Packard eine höhere Wertschöpfung erzielen als mit der Konkurrenz.

Wenn es um die Frage geht, welche Funktionen den größten Beitrag leisten, um das Unternehmensrisiko zu reduzieren, nehmen der Finance Manager mit 80 Prozent und der Auditor/Controller mit 79 Prozent die Spitzenpositionen ein, gefolgt vom Quality Manager mit 73 Prozent. Dieser Einschätzung folgend beschäftigen sich Finance und Controlling nicht nur mit der Überwachung und Optimierung der finanziellen Mittel und Ströme, sondern tragen durch aktives Projektcontrolling, Währungsmanagement und Risk Reporting zur Früherkennung möglicher Risiken bei. Dass sich der Procurement Manager erst auf Platz 12 findet, ist eher erstaunlich, bergen doch Verzögerungen oder sogar Ausfälle auf Lieferantenseite ein erhebliches Risikopotenzial, was nicht nur BASF und Shell veranlasste, einen globalen Einkauf und ein zentralisiertes Lieferantenmanagement einzuführen.

Unter dem Gesichtspunkt des Unternehmensrisikos wurden die Personalverantwortlichen ferner gefragt, bei welchen der 14 zentralen Funktionen das Ende eines Arbeitsverhältnisses zum größten Verlust an immateriellen Werten wie implizitem Wissen oder Beziehungsnetzwerken führt. Die Studienteilnehmer nannten diesbezüglich den Customer/Key Account Manager mit 90 Prozent und den Research & Development Manager mit 86 Prozent an vorderster Stelle, gefolgt vom Strategic Planner/Strategy Director (59 Prozent). Während beim Research & Development Manager implizites Wissen zu Patenten, Produkten und Schlüsseltechnologien den Ausschlag gibt, betrachten die Personalisten beim Customer/Key Account Manager die Kundenbeziehungen als wichtiges Gut, das dieser maßgeblich verantwortet.

Sprungbrett ins Top-Management

Zentrale Funktionen legen aufgrund der oft bereichsübergreifenden und strategischplanerischen Arbeitsinhalte die Vermutung nahe, dass sie zur Vorbereitung für spätere Managementaufgaben dienen. Bezüglich der Frage, welche der 14 zentralen Funktionen für die Vorbereitung auf die Übernahme einer Führungsposition wie beispielsweise eines Business-Unit-Leiters am besten geeignet seien, fällen die befragten Personalverantwortlichen ein klares Verdikt: Mit 43 Nennungen steht der Customer/Key Account Manager an erster Stelle, gefolgt vom Strategic Planner/Strategy Director und vom Marketing/Product Manager (siehe Abbildung 2). Der Sicht der Befragungsteilnehmer folgend, sollte eine Führungskraft im Laufe ihrer Karriere persönliche Erfahrungen und Erfolge im direkten Kundenmanagement vorweisen können. Was intuitiv logisch erscheint, ist in der Praxis mehrheitlich noch nicht die Regel. Eine Ausnahme stellt Cisco dar, wo Managing Directors (vormals globale Customer Manager) die wichtigsten internationalen Kunden steuern, dabei die volle Ergebnisverantwortung für die gesamte Kundenbeziehung tragen und mit den Kompetenzen eines Geschäftsbereichsleiters ausgestattet sind.

Mit dem Thema der Kompetenzentwicklung ist die Frage verbunden, inwieweit Unternehmen heute spezifische Ausbildungsangebote für die zentralen Funktionen bereitstellen. Gemäß den Befragungsteilnehmern sind grundsätzlich für alle 14 Funktionen spezifische Ausbildungsangebote verfügbar, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung. Insbesondere für den Strategic Planner/Strategy Director und den Mergers & Acquisitions Manager gibt es nicht in allen Unternehmen entsprechende Angebote, obschon die Personalisten diese Funktionen im Hinblick auf den zukünftigen Unternehmenserfolg als wichtig erachten. Aufschlussreich sind ferner die Antworten auf die Frage, wie Personalverantwortliche die Ausbildungsmittel einsetzen würden, könnten sie frei über deren Verwendung entscheiden. Es ergibt sich ein sehr ähnliches Bild zur Abbildung 1, sprich: Die Befragten möchten die bestehenden Ressourcen insbesondere auf diejenigen Funktionen fokussieren, die den größten Einflussauf den zukünftigen Geschäftserfolg ausüben.

Handlungsimplikationen

Die Resultate der Studie unterstreichen die Bedeutung zentraler Funktionen und bieten sich für Personalisten als Vergleichsbasis an, um die eigenen Schwerpunkte der Mitarbeiterentwicklung zu überprüfen. Die Befragungsteilnehmer nehmen insbesondere das Kundenmanagement sowie die Forschung und Entwicklung als strategisch wichtige Mitarbeitersegmente wahr. Damit ergibt sich für das Human Resource Management ein konkreter Ansatzpunkt für die Personalentwicklung. Dies setzt voraus, dass Personalverantwortliche als Generalisten (strategische Ebene der Unternehmensentwicklung) und gleichzeitig Spezialisten (operationelle Ebene der Personalinstrumente) mit Fachbereichen proaktiv zusammenarbeiten und strategisch wichtige Funktionen unter Berücksichtigung bereits vorhandener Instrumente voranbringen. Die folgenden Überlegungen und Beispiele zur Entwicklung zentraler Funktionen sollen dabei zur Refl exion der eigenen Praxis dienen und neue Ideen anregen.

Suche und Auswahl

Bei der Suche und Auswahl potenzieller Kandidaten, um strategisch wichtige Funktionen zu besetzen, stellt sich insbesondere die Frage der Instrumentenwahl. Während sich für die Auswahl von Einstiegspositionen standardisierte Leistungs- und Persönlichkeitstests als effizient erweisen, bedarf es bei Customer/Key Account Managern eines ganzheitlicheren Ansatzes, um die Eignung abzuklären. Es gilt weniger festzustellen, ob der Kandidat ein überzeugender Verkäufer ist, sondern ob er das Rüstzeug mitbringt, um mit Schlüsselkunden langfristige Partnerschaften aufzubauen und finanziellen Mehrwert für beide Parteien nachhaltig zu generieren. Ein an der Studie beteiligter Verpackungsproduzent greift in diesem Fall in einem mehrtägigen Auswahlverfahren auf eine Kombination aus strukturierten Interviews, Fallaufgaben sowie die Erstellung und Präsentation eines Account-Business-Plans zurück. Diesem Verfahren liegt der Gedanke zugrunde, dass für Customer/Key Account Manager ein ähnlich strenger Maßstab gelten sollte wie für die Besetzung einer Managementposition – schließlich wird der Mitarbeiter mit der Betreuung von Schlüsselkunden beauftragt, welche teils mehr Umsatz generieren als einzelne Länderorganisationen.

Entwicklung und Karriere

Wie in der Studie festgestellt, unterstützen die Befragten eine weitere Fokussierung der Entwicklungsinstrumente auf diejenigen Mitarbeitersegmente, die den größten Einfluss auf den Geschäftserfolg ausüben. Scheuklappenmentalität durch eine reine Fokussierung auf die einzelnen Instrumente ist dabei nicht zielführend, wie ein Beispiel aus der Spezialchemie zeigt. Zur Entwicklung von High Potentials im Innovationsbereich hatte ein Unternehmen aus dieser Branche in Ergänzung zum bereits vorhandenen Management-Development-Programm ein unternehmensweites Entwicklungsprogramm „Cross Divisional Development Program Innovation“ ins Leben gerufen. Dessen Teilnehmer sind zwar seitens der Gruppenfunktion Corporate Innovation angestellt und stehen unter der Patronage des Chief Technology Officers, bearbeiten aber in rund zwei Jahren ein bereichs- und funktionsübergreifendes Innovationsprojekt sowie drei bis vier kleinere divisionale Projekte. Indem die Teilnehmer an dem Programm mit diversen Funktionen wie Entwicklung, Beschaffung und Verkauf zusammenarbeiten, werden ihre technischen wie auch kommerziellen Kompetenzen ganzheitlich gefördert. Sie können dabei persönliche Netzwerke entwickeln, die es erlauben, sowohl fachliche als auch kulturelle Barrieren der Kollaboration zu überwinden. Des Weiteren haben sich Instrumente bewährt, die dazu dienen, strategisch wichtige Funktionen zu zertifizieren. So hat ein anderes Chemieunternehmen in einem mehrstufigen Prozess einer „Commercial-Excellence-Initiative“ die werttreibenden Fähigkeiten strategischer Einkäufer gruppenweit definiert und ein maßgeschneidertes Ausbildungsprogramm mit Zertifizierungsstandards lanciert.

Retention und Nachfolge

Zentrale und insbesondere bereichsübergreifende Funktionen mit nicht immer eindeutigen Weisungsbefugnissen, Kompetenzen und Entwicklungspfaden betrachten potenzielle Kandidaten häufiger kritisch, was dazu führen kann, dass die Besten sich entweder nicht bewerben oder nicht so lange in der Funktion verweilen, wie vom Unternehmen erwünscht. Ein Hersteller langlebiger Konsumgüter zum Beispiel hat zur Vermeidung dieses Problems den Karrierepfad eines globalen Key Account Managers nicht nur betreffend Weiterbildung und Kompetenzentwicklung Stufe für Stufe definiert, sondern auch festgelegt und unternehmensweit kommuniziert, dass über diese Funktion der Zugang ins General Management offen steht. Bei der Nachfolgeregelung stellt sich ferner die Frage, wie Unternehmen dem Verlust immaterieller Werte wie implizitem Wissen oder bestehenden Beziehungsnetzwerken vorbeugen können. Ein an der Studie beteiligtes Pharmazieunternehmen hat ein offenes Mentoringprogramm entwickelt, um diese Herausforderung zu bewältigen. In diesem Programm agieren erfahrene Manager institutioneller Kunden als Coaches – sowohl für interne Kollegen als auch für Fachkräfte an ausgewählten externen Ausbildungsinstituten. Damit wird nicht nur implizites Wissen sozialisiert und der Wissensaustausch gefördert – externe Experten der Ausbildungsinstitute coachen im Gegenzug Mitarbeiter des Pharmazieunternehmens –, sondern auch die Funktion selbst bereichert.


Erstveröffentlichung im personal manager 2/2011