Grundlegende Definitionen erforderlich
Im Personalmanagement gibt es nur wenige unternehmensübergreifende Regeln in puncto Zählweisen und Kennzahlenermittlung. Die Festlegung solcher Standards ist eine wichtige Grundvoraussetzung, da jede Kennzahl „erklärbar“ sein muss. Für eine Kennzahl, die zum Beispiel in einem Prozentwert dargestellt wird, muss nachvollziehbar sein, welche Mitarbeiter für die Berechnung berücksichtigt wurden und welche nicht. Bereits die vermeintlich einfache Ermittlung des „Personalstands“ unterscheidet sich bei vielen Unternehmen. Nicht alle Firmen zählen die gleichen Mitarbeiter. Insbesondere bei inaktiven Beschäftigungsverhältnissen (zum Beispiel Karenzzeiten) oder der Frage, ab welcher Krankheitsdauer ein Beschäftigter nicht mehr zum Personalstand zählt, sind Unterschiede auszumachen. Ermitteln diese Unternehmen dann eine Kennzahl gleichen Namens, zum Beispiel die Fluktuationsquote, ist diese aufgrund unterschiedlicher Grundgesamtheiten nicht vergleichbar. Dieser Faktor wird oft unterschätzt, wenn externe Vergleichswerte herangezogen werden. 

man operating laptop on top of table
Foto von Bench Accounting

Automatisierung als vorrangiges Ziel
Die fortschreitende Digitalisierung von Personalprozessen liefert zum einen eine neue, schier unerschöpfliche Datenflut, die für die Erstellung von Personalkennzahlen zur Verfügung steht. Zum anderen zwingt gerade diese Menge einmal mehr zur möglichst vollständigen Automatisierung des Erstellungs- und Publikationsprozesses. Die Realität sieht in vielen Unternehmen anders aus. Das anlassbezogene manuelle Zusammenstellen von Zahlen in Excel-Tabellen und die spontane Entscheidung für eine Berechnungsvariante binden unangemessen viel Kapazität und beinhalten zahlreiche Fehlerquellen. Weiters kann dieses Reporting nicht die Qualität erreichen, die die Geschäftsführung zunehmend fordert. Deshalb sollten Unternehmen die Datenselektion, das Zusammenführen der Daten aus verschiedenen Vorsystemen, die Ermittlung von Kennzahlen und die Aufbereitung zu Berichten daher so weit wie möglich automatisieren. Dies kann – entsprechende Kenntnisse vorausgesetzt – auch von selbst erstellten Reportinganwendungen auf der Basis von Office-Programmen erfolgen. Bei jedem auf dem Markt angebotenen System gehört dies aber immer ins Pflichtenheft.

Die Strategie bestimmt die
Kennzahlenauswahl
Die theoretische Anzahl an möglichen Kennzahlen ist nahezu unendlich. Durch die fortschreitende Digitalisierung von HR-Prozessen kommen ständig neue Kennzahlen hinzu, die zwar vorher theoretisch bekannt, aber praktisch nicht ermittelbar waren. Das beginnt bereits bei den vielen Daten, die ein Bewerber durch die Nutzung eines Recruitingtools hinterlässt, und geht weiter mit der Dokumentation der folgenden Bearbeitungsschritte bis zur Einstellung. Umso wichtiger ist es, sich zu entscheiden, welche Kennzahlen erhoben werden sollen. Gleichzeitig gilt es, der Versuchung zu widerstehen, die Daten auszuwerten, die am einfachsten verfügbar sind. 

Die Leitlinien, die das HR-Management aufgrund der Unternehmensstrategie verfolgt, bestimmen die zu beobachtenden Themen und damit die entsprechenden Kennzahlen. Es ist sinnvoll, eine Kennzahl zu ermitteln, wenn sich aus ihr direkt oder indirekt ein Steuerungsimpuls ableiten lässt. Steuerungsimpulse müssen nicht notwendigerweise zu sofortigen Handlungen führen. Ein Steuerungsimpuls entsteht auch dann, wenn Entwicklungen aufgezeigt werden, die derzeit noch keine Intervention erfordern, aber aufgrund ihrer Dynamik beobachtet werden müssen. Ob eine Kennzahl einen Impuls auslöst, hängt auch davon ab, wie der ermittelte Wert zu einem definierten Sollwert steht. Damit Unternehmen ein Auswertungsergebnis in Form einer Kennzahl beurteilen können, ist es also notwendig, festzulegen, welcher Wert den Erwartungen entspricht. Ohne diese Vorarbeit ist die Ermittlung einer Kennzahl wertlos. Erst wenn die ermittelte Kennzahl den definierten Sollwert über- oder unterschreitet, entsteht der gewünschte Steuerungsimpuls. Dabei ist es der Übersicht dienlich, nur die Kennzahlen anzuzeigen, bei denen aufgrund der Abweichung vom Sollwert eine Handlungsnotwendigkeit entsteht.

Aussagekraft durch Teilmengen
erhöhen
Fließen die Daten vieler Mitarbeiter in die Ermittlung einer Kennzahl ein, verstellt die Durchschnittsbildung den Blick auf die Realität. Wirklich kritische Situationen werden unter Umständen nicht erkannt, wenn Auswertungen nicht differenziert, sondern nur in einer Gesamtheit dargestellt werden. Dies ist oft bei veröffentlichten Zahlen, zum Beispiel in Geschäftsberichten, zu beobachten. Liegt etwa die Krankenquote insgesamt bei drei Prozent und damit im erwarteten Bereich, kann sie durchaus in einem Unternehmensteil hoch und in einem anderen besonders niedrig sein. Auch können Unterschiede zwischen Mitarbeitergruppen (Männer/Frauen, Jüngere/Ältere etc.) bestehen, die ohne Differenzierung nicht sichtbar werden. Es muss daher möglich sein, jede Kennzahl nach beliebigen Kriterien „herunterzubrechen“ – sofern sich in der Grundgesamtheit noch genügend Datensätze befinden, um ein Zufallsergebnis auszuschließen.

Hindernisse beim Einsatz
von Personalkennzahlen
Die Hürden, die das Arbeiten mit Personalkennzahlen bislang erschwert oder verhindert haben, sind nach wie vor vorhanden:

Personaldaten, welche die Grundlage für Personalkennzahlen bilden, gehören einer hohen Datenschutzklasse an. Zeitgemäße IT-Systeme müssen deshalb einen passgenauen Zuschnitt der Zugriffsrechte (Need-to-know-Prinzip) gewährleisten. 

In vielen Betrieben unterliegt die Verwendung von Personaldaten noch zusätzlichen Restriktionen durch die schuebbeMitarbeitervertretungen – vor allem, wenn diese vermuten, dass mit den Auswertungen die Leistungen und das Verhalten der Mitarbeiter kontrolliert werden sollen.

Im HR-Management fallen typischerweise auch qualitative Daten an, die mit klassischen Auswertungsmethoden schwerer zu analysieren sind. Ähnliches gilt für die großen Datenmengen, die durch die Nutzung digitaler Systeme entstehen und zumindest im HR-Management bisher noch kaum verwendet werden. Eine Verknüpfung von HR-Daten, die in verschiedenen Systemen anfallen, scheitert oft am Fehlen eines gemeinsamen Merkmals (zum Beispiel Personalnummer).

Die potenziellen Empfänger von Personaldatenauswertungen und Personalkennzahlen sind in der Vergangenheit traditionell nicht besonders „zahlenaffin“ gewesen. Insbesondere dort, wo es eher um die Beschäftigung mit den sogenannten Soft Skills geht, hatten quantitative Ansätze bisher einen schweren Stand. Ein Generationenwechsel bei den Entscheidern und eine stärkere Einbindung des Personalmanagements in die Unternehmensführung werden diese Situation künftig stark beeinflussen. Die neuen technischen Möglichkeiten und der zunehmende Druck, personalwirtschaftliche Entscheidungen überprüfbar zu machen, sorgen jedoch dafür, dass viele Unternehmen die wesentlichen Hindernisse nach und nach überwinden.


Seien Sie kreativ,
aber beachten Sie den Datenschutz
Die exponentiell wachsende Menge an verfügbaren Daten ermöglicht weitreichende Auswertungen und Berichte. Immer wenn besonders schutzwürdige, personenbezogene Daten verarbeitet werden – und das wird bei Personalkennzahlen fast immer der Fall sein – sind jedoch die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes und der Betriebsvereinbarungen zu beachten. Gerade Letztere werden in der betrieblichen Praxis sowohl Einschränkungen hervorrufen als auch Möglichkeiten aufzeigen. In vielen Fällen können Sie die verwendeten Daten so weit anonymisieren, dass kein Rückschluss auf Personen mehr möglich ist, das Auswertungsziel jedoch trotzdem erreicht wird. Insbesondere dort, wo hinterlassene Datenspuren oder das Nutzungsverhalten ausgewertet werden, kommt es nicht auf die einzelne Person an. Bei Auswertungen von Daten aus den operativen Personalsystemen (zum Beispiel Payroll) müssen Unternehmen durch dezidierte Zugriffsberechtigungen sicherstellen, dass Rückschlüsse auf Einzelpersonen zur Qualitätssicherung möglich sind, im Fall der Beurteilung der Kennzahl jedoch nicht.

Themen-Dashboards:
Überblick über ausgewählte Sachverhalte
Um eine personalwirtschaftliche Situation ganzheitlich mit Kennzahlen abzubilden, können Sie themenorientierte Kennzahlen-Dashboards erstellen. Unabhängig von der Datenherkunft kombinieren Sie Informationen, die thematisch zusammengehören, und geben so ein umfassendes Bild über ausgewählte Sachverhalte. Typische Themen-Dashboards entstehen zum Recruiting, Gesundheitsmanagement oder zu Kosten. Die Darstellungsformen können innerhalb eines Dashboards variieren. Möglich sind Kombinationen aus Grafiken, Tabellen und Texten. Wichtig ist jedoch, dass die Vielzahl von Darstellungsmöglichkeiten nicht dazu führt, dass die zu transportierenden Informationen vor lauter Farbigkeit und Formenvielfalt in den Hintergrund treten. Weniger ist hierbei mehr und auch der Umfang sollte so gewählt sein, dass alle Grundinformationen auf einer Druck- oder Bildschirmseite sichtbar sind. Bei digital zur Verfügung gestellten Dashboards, zum Beispiel im Rahmen von Selfservice-Systemen, gehört eine optionale Detaillierung der Erstinformationen zum Standard.

Tipps für den Aufbau
eines Kennzahlensystems

Wenn Sie ein Kennzahlensystem erfolgreich aufbauen möchten, ist es wichtig, die folgenden Aspekte zu beachten:

Überprüfen Sie in einem ersten Schritt die vorhandenen Kennzahlendefinitionen oder definieren Sie die Kennzahlen neu. Fokussieren Sie sich hierbei zunächst auf einige wenige, aber für Sie wichtige Kennzahlen. Beginnen Sie an der Basis, zum Beispiel mit der Definition des Mitarbeiterbestandes. Die Basisarbeit lohnt sich. Denn ähnlich wie ein gutes Fundament ein Haus sichert, wird sie Ihnen beim Aufbau der nächsten Etagen Ihres Kennzahlensystems Sicherheit geben.

Beziehen Sie alle Stakeholder frühzeitig in Ihre Überlegungen ein. Dazu gehören auch Mitarbeitervertretungen und Datenschutzbeauftragte. Fragen Sie nach dem konkreten Bedarf im Rahmen der Personal- und Unternehmensstrategie – ohne den Eindruck zu erwecken, unbegrenzt Wünsche erfüllen zu können.

Loten Sie technische Möglichkeiten, vorhandenes Know-how und finanzielle Rahmenbedingungen aus. Bedenken Sie, dass sich Ihr Kennzahlensystem später bedarfsorientiert erweitern lassen sollte.

Stecken Sie gerade zu Beginn mehr Energie in die Konzeption, auch wenn andere Sie drängen, rasch Ergebnisse zu liefern. Versäumte Grundlagenarbeit lässt sich später nur schwer nachholen und verursacht vielfachen Aufwand bei jeder Berichtsperiode.

Fazit
Die Einführung einer Steuerung auf Basis von Personalkennzahlen ist also eine Projektaufgabe, bei der es vor allem darauf ankommt, ein in sich schlüssiges, bedarfsorientiertes Konzept zu erarbeiten, dass von allen Beteiligten gemeinsam getragen wird. Ein mehrstufiger Aufbau sollte von Beginn an vorgesehen werden, auch wenn die Details künftiger Ausbaustufen noch nicht bekannt sind.

In den nächsten Jahren werden mit der zunehmenden Automatisierung immer weniger manuelle Tätigkeiten erforderlich sein, um Personalkennzahlen zu erstellen. Systeme werden in der Lage sein, Kennzahlen im Hintergrund „auf Vorrat“ zu generieren, aus dem die Anwender dann ohne technische Vorkenntnisse einfach per Mausklick eine Auswahl treffen können. Diese wird – ebenfalls automatisiert – optisch ansprechend und didaktisch gut aufbereitet. Es wird allerdings immer erforderlich sein, dass Personalisten die Definitionen erstellen, Bedarfe erkennen und Interpretationen vornehmen.

Da das HR-Management die Ressource Per­sonal zukünftig stärker faktenbasiert steuern muss, wird sich die Arbeit mit Kennzahlen wahrscheinlich weiter intensivieren. Unter­nehmen können sich bereits jetzt gut darauf vorbereiten.

//Serie Personalkennzahlen//

In der November/Dezember-Ausgabe startet die Zeitschrift personal manager eine sechsteilige Serie zum Thema „Personalkennzahlen“. Darin gibt Autor Fred Schübbe Tipps für die Entwicklung, Darstellung und Auswertung von Personalkennzahlen. Er beschreibt, wie HR-Abteilungen die Datenqualität steigern, thematische Kennzahlen-Dashboards zusammenstellen und das HR-Reporting insgesamt verbessern können.

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Quelle: personal manager – Zeitschrift für Human Resources | Ausgabe 4  Juli/ August 2016.

Systemwahl und Datenqualität 
als Erfolgskriterien

Damit Personalkennzahlen ihren vollen Nutzen erbringen können, sind die Wahl des Systems und die Qualität der Daten entscheidend. Nicht immer muss das für die Gehaltsverrechnung verwendete IT-System gleichzeitig auch das Tool sein, das die Personalkennzahlen erstellt. Zwar verfügen die gängigen Standardsysteme über elementare Funktionen des Reportings und gegebenenfalls auch der Kennzahlenerstellung. Ein wirklich umfassendes Kennzahlensystem lässt sich hiermit jedoch in der Regel nicht aufbauen.

Der Systemwahl muss eine umfassende Bedarfsanalyse vorausgehen, die insbesondere klärt, ob primär einmalige oder eher wiederkehrende Auswertungen erstellt werden sollen. Wie groß sind die Datenbestände, die zu verarbeiten sind, und wie heterogen sind die Quellen, aus denen sie stammen? Das Spektrum der Möglichkeiten ist groß und reicht von selbst erstellten Excel-Tabellen mit Makrounterstützung bis zu umfassenden Business-Intelligence-Lösungen mit angeschlossenem Business-Warehouse zur unabhängigen Datenhaltung. Mit speziellen Reportingsystemen können Personalisten themenorientierte Zusammenstellungen (Dashboards) generieren, um das Management oder personalwirtschaftliche Projekte zu unterstützen.

Die Qualität der ermittelten Personalkennzahlen entspricht unmittelbar der Qualität und Aktualität der zugrunde liegenden Daten. Wurden diese bisher lediglich für die Gehaltsverrechnung genutzt, sind meistens nicht alle Datenfelder, die für die Erstellung von Personalkennzahlen erforderlich sind, ausreichend gut gepflegt oder überhaupt vorhanden. Wenn ein Unternehmen ein Personalkennzahlensystem einführen möchte, muss es daher einen nicht zu unterschätzenden Aufwand für die Datenpflege und -ergänzung einplanen. Außerdem gilt es, sicherzustellen, dass auch danach die Qualität der Daten stets auf hohem Niveau bleibt.