Problempunkt

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Die Klägerin ist bei einem Konzernunternehmen als Vertriebsbeauftragte tätig. Das Unternehmen stellt Angehörigen der oberen Führungsebeneroutinemäßig Dienstwagen zur Verfügung, die sie auch privat nutzen dürfen. Ausführende Mitarbeiter, wie die Klägerin, erhalten ein Dienstfahrzeug dagegen nur auf Antrag, wenn dies aufgrund der Reisetage und der dienstlichen Jahreslaufleistung wirtschaftlich sinnvoll ist. Der Überlassungsvertrag der Klägerin nahm Bezug auf die „Konzern-Car-Policy (C.P.)“: „Die in der Konzern-C.P. und den Anlagen geregelten Verpflichtungen sind mit Abschluss dieser Überlassungsvereinbarung für den Geschäftsfahrzeugberechtigten bindend. Insbesondere wird auf die Geltung der Nutzungsordnung für Geschäftsfahrzeuge in ihrer jeweils gültigen Fassung verwiesen… Auf die Möglichkeit des Widerrufs der Überlassung des Geschäftsfahrzeugs gem. Konzern-C.P. (Beendigung/Widerruf der Gfz-Überlassung) wird besonders hingewiesen. Das Unternehmen behält sich darüber hinaus im Rahmen der Konzern-C.P. vor, den Berechtigtenkreis aus wirtschaftlichen Gründen einzuschränken und die Geschäftsfahrzeugüberlassung auch deshalb zuwiderrufen. …“

In der Richtlinie selbst heißt es:

„…

3.BerechtigtenkreisGeschäftsfahrzeuge (Gfz) werden zur dienstlichen und privaten Nutzung zur Verfügung gestellt.

a)…

b)soweit unter Markt- und wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll, weiteren Funktionendes außertariflichen und tariflichen Bereichs nach spezifischer Festlegung und Definition in der Verantwortung der Unternehmen. Das Vorliegen dieser Gesichtspunkte wird durch das Unternehmen regelmäßig überprüft.

9.4 Wirtschaftlichkeit

Für die Nutzung des Gfz für Geschäfts- und Privatfahrten sind strenge Wirtschaftlichkeitsmaßstäbe anzulegen und einzuhalten.

…“

In ihrem Antrag hatte die Mitarbeiterin eine jährliche Fahrleistung von 28.360 km an 130 Reisetagen prognostiziert. Drei Monate später erhöhte sie diese Einschätzung auf 49.500 kman 166 Reisetagen. Tatsächlich nutzte sie das Fahrzeug aber nur an 55 Reisetagen für 29.540 km. Daraufhin widerrief die Firma die Überlassung des Geschäftsfahrzeugs. Die Vertriebsbeauftragte widersprach dem Widerruf, gab das Fahrzeug allerdings heraus, um arbeitsrechtliche Nachteile zu vermeiden. Sie klagte jedoch auf Rücküberlassung sowie Schadens ersatz im Umfang des monatlichen geldwerten Vorteils von 369,08 Euro brutto für die Zeit des Entzugs. Die Klage war beim Arbeitsgericht erfolgreich, wurde vom LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v.24.11.2008 – 2 Sa 1462/08, AuA 5/09, S.309) jedoch abgewiesen: Beim Widerruf der Überlassung eines Firmenwagens „aus wirtschaftlichen Gründen“ ist es zulässig, zur näheren Konkretisierung des Begriffs auf die Bestimmungen zur Gebrauchsüberlassung zurückzugreifen. Daraus geht hinreichend deutlich hervor, was auf die Arbeitnehmerin zukommt.

Entscheidung

Der 9. Senat des BAG hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück. Nach dem Vortrag der Beklagten in der Revisionsverhandlung bestehen Anhaltspunkte, dass die Konzern-Car-Policy eine Betriebsvereinbarung der Konzernbetriebspartner ist. Dann wäre der Widerrufsvorbehalt nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff. BGB entzogen. Handelt es sich dagegen um vom Arbeitgeber aufgestellte AGB i. S. v. §§ 305 ff. BGB, hält das Widerrufsrecht einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB nicht stand: Erforderlich ist, dass die Klausel den Sachgrundin einer Weise konkretisiert, dass der Arbeitnehmer weiß, was ggf. auf ihn zukommt.

Er muss erkennen können, unter welchen Voraussetzungen er mit einem Widerruf zu rechnen hat. Die Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4Satz 2 BGB) rechtfertigen keine Abweichung. Der nötigen Flexibilisierung wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Vertragsparteien auch in vorformulierten Vereinbarungendie Möglichkeit haben, die Überlassung einesDienstfahrzeugs zur privaten Nutzung unter einen Widerrufsvorbehalt zu stellen, wenn die Klausel die typisierten Sachgründe für den Widerruf bereits benennt. Für die Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB ist unerheblich, ob objektiv betrachtet Widerrufsgründe in Betracht kommen, die dem Arbeitnehmer zumutbar sind.

Entscheidend ist allein, was der Verwender der AGB im Text der Vorbehaltsbestimmung zum Ausdruck gebracht hat. Bei der Angemessenheitskontrolle ist deshalb nicht auf die Gründe abzustellen, aus denen der Widerruf im konkreten Fall erfolgt, sondern auf die Möglichkeiten, die das vorformulierte Widerrufsrecht dem Arbeitgeber einräumt. Maßstab der Inhaltskontrolle ist eine typisierende Betrachtung der Klausel, ohne Rücksicht auf individuelle Besonderheiten. Das LAG hat auch nicht festgestellt, dass die Firma der Konzern-Car-Policy ein Widerrufsrechtnur für den Fall entnahm, dass sich die von der Mitarbeiterin gestellten Prognosen nicht bestätigten. Die Beklagte hatte vielmehr vorgetragen,sie habe ganz allgemein wirtschaftliche Gründe ausreichen lassen und sich nicht auf bestimmte festlegen wollen. Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel oder eine ergänzende Vertragsauslegung kamen nicht in Betracht.

Konsequenzen

Der 5. Senat des BAG hatte in seiner Grundsatzentscheidung zum Widerruf übertariflicher Entgeltbestandteile (Urt. v. 12.1.2005 – 5 AZR364/04, AuA 3/05, S. 179) ausgeführt, dass sich der Widerruf auf einen tatsächlich vorliegenden Grund stützen muss, der im Arbeitsvertrag zumindest der Art nach ausdrücklich angegeben ist, bspw. wirtschaftliche Gründe und/oder Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers. Demfolgt der 9. Senat offenbar nicht (s. zu dieser Divergenz auch Schmitt-Rolfes, AuA 6/10, S. 327). Die vom LAG Berlin-Brandenburg berücksichtigten „Bedingungen, die das Unternehmen beider Einräumung der (widerrufenen) Leistung zugrunde gelegt hat“, lehnt er ebenfalls – wohl als unbeachtliche „individuelle Besonderheit des konkreten Einzelfalls“ – ab.

Praxistipp

Demnach bleibt der geplagten Praxis nur übrig, entweder die Kfz-Nutzungsbedingungen einschließlich der Widerrufsregelung in einer Betriebsvereinbarung festzulegen und so der AGB-Kontrolle zu entziehen, oder bei Regelung im Arbeitsvertrag die „wirtschaftlichen Gründe“ als Voraussetzung für einen Widerruf anhand von Beispielen näher zu erläutern (Überschreitung der definierten maximalen Höhe von Reisekosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines Außendienstler-Arbeitsplatzes, Umgestaltung des Entgeltsystems, betriebswirtschaftliche Verluste des Unternehmens o. Ä.).

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 10/10