Der Fall:

person holding pencil and stick note beside table
Foto von Marten Bjork

Der Arbeitnehmer war als Netzwerkingenieur bei einem Armaturenhersteller beschäftigt. Sein Arbeitgeber wirft ihm unter anderem vor, Armaturen über eBay zu Preisen verkauft zu haben, die weit unter den Mitarbeiterverkaufspreisen liegen. Er erhielt eine fristlose Kündigung. Zum Nachweis der Pflichtverstöße legte der Arbeitgeber Chatprotokolle vom Notebook des Arbeitnehmers vor, die beweisen sollen, dass der Kläger unerlaubt an Dritte Armaturen verkauft hat. Der Arbeitnehmer bestreitet, dass die Chatprotokolle verwertbar sind.

Die Entscheidung:

Für das LAG Hamm stand im Ergebnis fest, dass der Arbeitnehmer zumindest eine rechtswidrig erlangte Armatur über eBay verkauft und damit ein Vermögensdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers begangen hatte. Dies rechtfertige den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung.

Zum Beweis der Vorwürfe lies das LAG die Chatprotokolle zu. Weder das informationelle Selbstbestimmungsrecht, noch das Fernmeldegeheimnis (§ 206 StGB, § 88 TKG) noch der Datenschutz (§ 32 BDSG) führten zu einem prozessualen Beweisverwertungsverbot.

Es sei schon zweifelhaft, ob eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses überhaupt in Betracht komme. Das Fernmeldegeheimnis sei nämlich nicht berührt, wenn nicht der eigentliche E-Mail-Verkehr bzw. das „Chatten“ an sich, sondern lediglich der auf dem Rechner des Arbeitgebers abgespeicherte Inhalt kontrolliert werde. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses ende in dem Moment, in dem die E-Mail beim Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet sei. Entsprechendes gelte für die abgespeicherten Chatprotokolle, die nach Abschluss des Chatgesprächs auf dem Arbeitsplatzrechner verbleiben. Diese seien lediglich die gespeicherten Inhalte und Umstände einer abgeschlossenen Kommunikation.

Exkurs: Rechtswidrige erlangte Beweise verwerten?

Rechtswidrige erlangte Beweismitteln sind nicht automatisch unverwertbar. Ein generelles Verwertungsverbot rechtswidrig erlangter Informationen und Beweismittel ist in der Zivilprozessordnung nicht enthalten. Ebenso wenig enthalten das TKG oder das BDSG ein eigenständiges Beweisverwertungsverbot.

Ein prozessuales Beweisverwertungsverbot kommt nur dann in Betracht, wenn Arbeitgeber in Grundrechtspositionen eingreifen, eine Einwilligung nicht vorliegt und durch die Verwertung von rechtswidrig erlangten Informationen oder Beweismitteln ein erneuter bzw. „perpetuierender“ Eingriff in eine Grundrechtsposition erfolgt und dies auch nicht durch schutzwürdige Interessen der anderen Partei gerechtfertigt werden kann.

Zwar hat der Arbeitgeber, wenn er die private Nutzung von EDV durch Arbeitnehmer gestattet, hinsichtlich der dabei anfallenden Daten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu beachten. Dieses ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe können durch überwiegende, ebenfalls schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers oder des Gemeinwohls gerechtfertigt sein.

Im Zivilprozess sind die Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege und das Streben nach einer richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte gehalten, angebotene Beweismittel zu berücksichtigen. Diese Belange können als Bestandteil der verfassungsgemäßen Ordnung das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränken.

Demnach musste in dem vorliegenden Fall das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters zurückstehen. Zum einen waren die Chatprotokolle das einzige noch in Betracht kommende Beweismittel für die Tat. Zum anderen bestand nur ein eingeschränkter Schutz der Vertraulichkeit. Der Arbeitgeber hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Mitarbeiter bei Abwicklung persönlicher Angelegenheiten auf dem dienstlichen Computer keine Vertraulichkeit erwarten darf und dass die Nutzung der Telefone, Computer und E-Mail-Systeme gelegentlich überwacht werden. Ein Arbeitnehmer muss, wenn er illegale Aktivitäten gegen seinen Arbeitgeber entwickelt, bei einer derart eingeschränkten Vertraulichkeit der Privatnutzung damit rechnen, dass Spuren, die er durch die Nutzung von elektronischen Ressourcen des Arbeitgebers hinterlässt, in einem Prozess gegen ihn verwendet werden.

Schließlich weist das BAG noch darauf hin, dass zu unterscheiden sei, wie „vertraulich“ der zu verwertende Datenbestand ist. Solange es sich nicht um tagebuchartige Aufzeichnungen mit höchstpersönlichen Inhalten handle, die zum absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts gehören, stehe einer Verwertung nichts entgegen.

Praxishinweise:

Das Urteil bestätigt, dass zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte sowie auch nicht strafbare, gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichtete Handlungen des Arbeitnehmers als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommen. Das gilt unabhängig von der Höhe des entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch.

Es war noch streitig, ob die Verwertung der Chatprotokolle im Prozess ein „Nachschieben von Kündigungsgründen“ war, zu dem der Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG zuvor hätte angehört werden müssen. Das Gericht verneinte diese Frage. Es handele sich lediglich um die Angabe eines Beweismittels und nicht um einen neuen Kündigungsvorwurf. Dass der Mitarbeiter über Skype Gespräche geführt hat, sei kein Bestandteil des Sachverhalts, welcher die Tat ausmacht. § 102 BetrVG verpflichte den Arbeitgeber nicht dazu, Beweismittel oder Beweismaterial im Rahmen einer Anhörung vorzulegen.

Im Hinblick auf die Frage, ob eine Betriebsratsanhörung vor Einführung der Chatprotokolle in den Kündigungsschutzprozess notwendig gewesen wäre, sowie die Frage, ob Chatprotokolle verwertet werden dürfen, hat das Gericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zugelassen. Die Revision ist derzeit beim BAG unter Az. 2 AZR 492/11 anhängig.