Entscheidung

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Das BAG hat – wie die Vorinstanzen – entschieden, dass im bestehenden Arbeitsverhältnis der Urlaubsanspruch mit dem Tod des Arbeitnehmers erlischt und infolgedessen kein Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht. Die Klägerinnen, beide Kinder der im Januar 2010 verstorbenen Beschäftigten, begehrten von der beklagten Arbeitgeberin, Urlaub aus den Jahren 2006 bis 2009 abzugelten. Die schwerbehinderte Erblasserin war bei der Beklagten seit 2006 bis zu deren Tod beschäftigt und hatte einen jährlichen Anspruch auf Erholungs- und Zusatzurlaub von insgesamt 28 Werktagen.

Von 2007 bis zu ihrem Tode war sie arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Beklagte hatte zum 31.12.2009 die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt, wogegen die Erblasserin klagte. Zugleich verlangte sie Urlaubsgewährung, hilfsweise Abgeltung. Nach ihrem Tode stellte das ArbG durch Teilanerkenntnisurteil fest, das Arbeitsverhältnis zwischen der Erblasserin und der Beklagten sei nicht durch die Kündigung aufgelöst, sondern erst durch den Tod beendet worden. Der Rechtsauffassung der Klägerinnen, es sei mit dem Tode der Erblasserin ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung entstanden, hat sich das BAG nicht angeschlossen. In einem ersten Schritt stellten die Erfurter Richter fest, dass der Erblasserin vor ihrem Tod ein Anspruch auf 56 Werktage Urlaub und zehn Werktage Zusatzurlaub aus den Jahren 2008 und 2009 zustand, während der Urlaubsanspruch aus den Jahren 2006 und 2007 infolge seiner Rechtsprechung zu § 7 Abs. 3 BUrlG bereits 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahrs verfallen war. In einem zweiten Schritt führten sie jedoch aus, dass die Urlaubsansprüche aus 2008 und 2009 mit dem Tod untergegangen sind, weshalb eine Abgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG ausscheidet. Maßgeblich ist danach, dass bei einer Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund Todes der Zweck des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht mehr erreicht werden kann. Dieser dient nämlich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH dazu, für Erholungszwecke verwendet werden zu können. Im Falle des Todes indes kann der Mitarbeiter weder vom Urlaubsanspruch noch von der Abgeltung profitieren.

Das BAG wies zudem darauf hin, dass es einer Vorlage an den EuGH nicht bedurfte. Denn die Arbeitszeitrichtlinie sichert lediglich den Urlaubsabgeltungsanspruch eines Arbeitnehmers, der aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet; die Erben hingegen sind vom Anwendungsbereich der Richtlinie nicht erfasst.

Problempunkt

Nach § 7 Abs. 4 BUrlG muss der Arbeitgeber Urlaub abgelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Schultz-Hoff (Urt. v. 20.1.2009 – C-350/06, C-520/06) hatte das BAG entschieden, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung bei andauernder Arbeitsunfähigkeit entsteht, sobald das Arbeitsverhältnis beendet wird (Urt. v. 9.8.2011 – 9 AZR 365/10, NZA 2011, S. 1421). Fraglich war jedoch, ob dies auch dann gelten kann, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund des Todes des Arbeitnehmers beendet wird. Wäre dies der Fall, würden dessen Erben mit Eintritt des Erbfalls den Urlaubsabgeltungsanspruch erwerben, § 1922 Abs. 1 BGB.

Konsequenzen


Die Entscheidung bestätigt die bisherige Rechtsprechung. Bereits mit Urteil vom 20.9.2011 hatte das BAG entschieden, dass der Urlaubsanspruch eines arbeitsunfähig kranken Beschäftigten erlischt und ein entsprechender Abgeltungsanspruch daher nicht entstehen kann (9 AZR 416/10, NZA 2012, S. 326). Bereits früher vertrat das Gericht diese Linie (etwa Urt. v. 23.6.1992 – 9 AZR 111/91, NZA 1992, S. 1088), die allerdings infolge der Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH von einigen Instanzgerichten, vor allem dem LAG Hamm (Urt. v. 22.4.2010 – 16 Sa 1502/09, vgl. AuA 8/10, S. 484), infrage gestellt worden war.

Das LAG Thüringen als Vorinstanz der aktuellen Entscheidung sah dies anders als das LAG Hamm und ließ, da die Entscheidung des BAG vom 20.9.2011 zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag, die Revision zu. Auch für die Praxis ist die Frage damit allerdings noch nicht endgültig geklärt. Das LAG Hamm hat die Frage nämlich zwischenzeitlich im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens dem EuGH vorgelegt (Beschl. v. 14.2.2013 – 16 Sa 1511/12, NJOZ 2013, S. 897; beim EuGH anhängig unter Az. C-118/13, Bollacke). Gestützt auf die Schultz-Hoff-Entscheidung argumentiert das LAG, bei den Ansprüchen auf Jahresurlaub und Urlaubsabgeltung handele es sich um zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs, weshalb im Falle des Todes der Urlaubsanspruch in Gestalt eines Zahlungsanspruchs vererbbar sei.

Praxistipp

Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH in der Sache entscheidet. Einstweilen sind speziell bei der Betroffenheit schwerstkranker Arbeitnehmer die mit der Rechtsauffassung des BAG verbundenen Folgen einer Kündigungsschutzklage zu beachten. Die Rechtsprechung führt jedoch zu makabren Konsequenzen. Ein Arbeitgeber könnte sich veranlasst sehen, den Kündigungsrechtsstreit bei schwerstkranken Mitarbeitern so lange wie möglich zu verzögern, möglichst mit einem Antrag nach § 148 ZPO mit Blick auf das beim EuGH schwebende Vorlageverfahren. Stirbt der Beschäftigte dann während des  Kündigungsschutzprozesses, erlischt mithin auch der Urlaubsabgeltungsanspruch und die Erben gehen leer aus. Hätte die Arbeitnehmerin im vorliegenden Fall keine Kündigungsschutzklage erhoben, sondern die ordentliche Kündigung akzeptiert, hätte ihr ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2008 und 2009 zugestanden, der auch vererbbar gewesen wäre. Letztlich hat sie sich diesem vererbbaren Anspruch selbst entledigt, indem sie die Kündigung angegriffen hat. Die Gefahr eines Verlusts des Urlaubsabgeltungsanspruchs ist mit dem durch das LAG Hamm eingeleiteten Vorlageverfahren noch gewachsen, auch andere Gerichte könnten sich nämlich entsprechend § 148 ZPO veranlasst sehen, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des EuGH abzuwarten.


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Fotocredit: © Dieter Schütz | www.pixelio.de
Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht | Ausgabe Mai 2014