BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010, 2 AZR 392/08

closeup photo of silver iMac
Foto von Alesia Kazantceva

Der vorliegenden Entscheidung lag der Fall eines Unternehmen mit zwei Betrieben zugrun-de. Am Unternehmenssitz in Leipzig wurden zumindest acht Mitarbeiter, am Standort Ham-burg sechs Arbeitnehmer beschäftigt. Im Januar 2006 setzte das beklagte Unternehmen in Hamburg einen vor Ort mitarbeitenden Betriebsleiter ein, der, so die Behauptung des Unter-nehmens, bevollmächtigt worden sei, dort Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen.

Der klagende Arbeitnehmer war in der Hamburger Niederlassung seit 1990 als Hausmeister und Haustechniker beschäftigt. Im Jahre 2003 hatte das Unternehmen in Hamburg einen vergleichbaren Arbeitnehmer eingestellt, der erheblich jünger als der Kläger ist und – im Ge-gensatz zum Kläger – keine Unterhaltspflichten hat. Im März 2006 kündigte das beklagte Unternehmen das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und berief sich hierbei auf betriebliche Gründe.

Eine Sozialauswahl zwischen dem Kläger und dem im Jahre 2003 eingestellten, mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer führte das beklagte Unternehmen nicht durch und berief sich zur Begründung darauf, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar sei. Der betroffene Arbeitnehmer erhob hierauf Kündigungsschutzklage und rügte, eine Sozialaus-wahl, die zu seinen Gunsten ausgegangen wäre, hätte – entgegen der Auffassung des be-klagten Unternehmens – stattfinden müssen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben dem Arbeitnehmer recht. Dabei wiesen sie darauf hin, dass die Kapitalausstattung des beklagten Unternehmens nicht gering gewesen sei und der Geschäftsführer in Hamburg nicht mitgearbeitet hätte. Deshalb seien die Be-triebsstätten in Leipzig und Hamburg zusammenzurechnen gewesen, so dass das Kündi-gungsschutzgesetz hätte Anwendung finden müssen.

Die hiergegen gerichtete Revision des beklagten Unternehmens vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) war erfolgreich und führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Zur Begründung führte das BAG aus, es komme für die Frage der Zusammenrechnung von Arbeitnehmern mehrerer Betriebsstätten entscheidend darauf an, ob diese Betriebsstätten organisatorisch selbständig sind oder nicht. Der Einsatz eines Be-triebsleiters und vorhandenes Betriebskapital waren für die BAG-Richter vor diesem Hinter-grund nicht ausschlaggebend.

Praxistipp:

Bei der Frage der organisatorischen Selbstständigkeit sollten Unternehmen insbesondere auf die kaufmännische, noch mehr aber auf die Personalseite achten. Gibt es eine zentrale Stelle oder Person, die für die wesentlichen Personalangelegenheiten wie beispielsweise Urlaub, Krankmeldung, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverträgen sowie das tägliche Weisungsrecht zuständig ist, spricht viel dafür, die Betriebe zusammenzurechnen. Werden diese Aspekte allerdings jeweils vor Ort geklärt, wird es sich in der Regel eher um einen im kündigungsrechtlichen Sinne selbstständigen Betrieb handeln.

Weitere Informationen: www.edk.de