Durch die zum 01. Oktober 2005 in Kraft getretene Vorschrift in § 18 TVöD (VKA) ist die Verpflichtung des Arbeitgebers begründet worden, an die Arbeitnehmer ein Leistungsentgelt zu zahlen. Das für das Leistungsentgelt insgesamt zur Verfügung stehende Gesamtvolumen muss an die Arbeitnehmer verteilt werden. Die Verteilung kann nach verschiedenen Modellen erfolgen, insbesondere über den Abschluss von Zielvereinbarungen und die Gewährung von Leistungsprämien sowie über systematische Leistungsbewertungen und die Zahlung entsprechender Leistungszulagen erfolgen; Kombinationen sind denkbar. Dabei gilt das Gebot zur Differenzierung zwischen schlechten, ergebnisarmen und guten, ergebnisreichen Leistungen, zunächst bei der Zieldefinition und im Anschluss daran bei der Bewertung der erbrachten Leistung (Rundschreiben des VKA vom 15. Mai 2006 – R 144/2006, Gliederungspunkt 14).

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Leistungsgeminderte dürfen nicht grundsätzlich (nicht: grundsätzlich nicht) vom Leistungsentgeltsystem ausgeschlossen werden. D. h.: Es ist verboten, einen Leistungsgeminderten von der Teilrücknahme am Leistungsentgeltsystem auszuschließen (Protokollerklärung zu § 18 TVöD (VKA) Nr. 2 Satz 1). Nur wenn ausnahmsweise die Leistungsminderung eine Teilnahme am Leistungsentgeltsystem nicht zulässt, soll es nach teilweise vertretener Auffassung zulässig sein, den Leistungsgeminderten nicht in das System einzubeziehen (Sponer/Steinherr, TVöD, § 18 TVöD (VKA), Rndr. 86). Dies ist wohl unzutreffend (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 der Dienstvereinbarung über die Einführung und Umsetzung der leistungsorientierten Barzahlung gemäß „Tarifvertrag über das Leistungsentgelt für die Beschäftigten des Bundes (Leistungs TV-Bund)“ vom 25. August 2006 vom 29. Juni 2007). Diese Fälle dürften freilich eher theoretischer Natur sein.

Weil die Berücksichtigung von Leistungsminderungen sowohl bei der Vorgabe der Ziele als auch bei der Bewertung der Zielerreichung möglich ist, haben die Tarifvertragsparteien die Art und Weise der angemessenen Berücksichtigung nicht vorgegeben. Vorzugswürdig ist es, die Leistungsminderung nicht erst bei der Bewertung des Leistungserfolgs einfließen zu lassen, sondern bereits im Vorhinein bei der Festlegung der vom Leistungsgeminderten zu erreichenden Ziele. Dies vermeidet während des maßgeblichen Bezugszeitraums des Leistungsentgelts die Ungewissheit des Leistungsgeminderten darüber, in welchem Ausmaß seine Leistungsminderung später berücksichtigt wird.

Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern kommt hinzu, dass sich die Zielvorgaben am Maßstab des § 81 Abs. 4 SGB IX orientieren müssen. Der Arbeitgeber schuldet dem schwerbehinderten Menschen eine Beschäftigung, bei der er seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten können (§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX). Er muss also die Arbeitsplätze so einrichten, dass dem schwerbehinderten Arbeitnehmer die Erreichung von Zielvorgaben erleichtert wird. Soweit eine Leistungsminderung auf diese Weise kompensiert wird, wird eine Herabsetzung der Leistungsvorgaben im Rahmen des § 18 TVöD (VKA) entbehrlich.

Die angemessene Berücksichtigung einer – auch nach Ausgleichsmaßnahmen verbleibenden – Leistungsminderung bei der Festlegung der Ziele kann nach folgendem Schema erfolgen:

  1. Heranziehung der Leistungsziele von vergleichbaren Beschäftigten ohne Leistungsminderung.
  2. Feststellung alters- oder behinderungsbedingter Leistungsminderungen, soweit diese nicht z. B. durch Arbeitsplatzgestaltung ausgeglichen werden.
  3. Quantifizierung der festgestellten Leistungsminderungen.
  4. Feststellung des Einflusses der Leistungsminderung auf die Fähigkeit zur Zielerreichung.
  5. Quantifizierung des Ausmaßes der Auswirkung der Leistungsminderung auf Fähigkeit zur Zielerreichung

Die Schwierigkeit besteht regelmäßig in der Quantifizierung der Leistungsminderung und deren Auswirkung auf die Fähigkeit zur Zielerreichung. Letztlich liegt in jeder metrischen Skalierung an sich nur komparativer Größen ein Willkürelement. Dies ist der Regelungsmaterie nicht fremd. Zu denken ist an die Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in Prozentsätzen oder an die Feststellung des Grads der Behinderung. Diese Zahlen können erster Anhaltspunkt für eine Quantifizierung der Leistungsminderung sein.

Verstößt der Arbeitgeber gegen die tarifvertragliche Pflicht zur angemessenen Beteiligung leistungsgeminderter Personen am Leistungsentgelt und beruht die Leistungsminderung auf den in § 1 AGG genannten Merkmalen, z. B. der Behinderung oder des Alters, so löst der Verstoß Ansprüche des diskriminierten Arbeitnehmers auf Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 AGG aus. Im Hinblick auf den eingetretenen Vermögensschaden (entgangenes Leistungsentgelt; Zinsschäden) kann der Arbeitnehmer verlangen, dass er so gestellt wird, wie er stünde, wenn die Zielvorgaben für ihn in angemessener Art und Weise herabgesetzt worden wären (§ 15 Abs. 1 Satz 1 AGG). Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist („Schmerzensgeld“), kann der oder die Beschäftigte außerdem eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Der Nicht-Vermögensschaden, der entschädigt werden muss, kann in der unterjährig eintretenden „Not“ des Beschäftigten liegen, sich um die Erfüllung solcher Zielvorgaben zu bemühen, die er angesichts seiner Leistungsminderung gar nicht erreichen kann. Es ist dieser psychische Stress, der als Nicht-Vermögensschaden von § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG erfasst sein kann.

Der Arbeitgeber kann sich regelmäßig nicht auf das Haftungsprivileg nach § 15 Abs. 3 AGG berufen. Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt. Die Vorschrift erfasst nur die Fälle, in denen die diskriminierende Vorgabe sich unmittelbar aus der kollektivrechtlichen Vereinbarung ergibt. Ergibt sich – wie im Fall des § 18 TVöD (VKA) – aus der kollektivrechtlichen Vereinbarung das Gegenteil, nämlich die Pflicht zur angemessenen Berücksichtigung von Leistungsminderungen, greift § 15 Abs. 3 AGG nicht ein. Bei der Aufstellung von Leistungsentgelt-Systemen erschöpft sich das Handeln des Arbeitgebers nicht in der bloßen Anwendung von § 18 TVöD (VKA). Es handelt sich vielmehr um eine Umsetzung durch weitere Regelungssysteme (vgl. § 5 der Dienstvereinbarung zum Leistungsentgelt für Tarifbeschäftigte der Stadt Nürnberg nach § 18 TVöD (VKA) vom 13. Mai 2009, http://www.verwaltungsreform.nuernberg.de/pdf/DV_leistungsentgelt_090313_a.pdf).

Macht der Arbeitnehmer Ansprüche nach § 15 AGG klageweise geltend, so genügt er seiner prozessualen Darlegungs- und Beweislast, wenn er Indizien beweist, die die Benachteiligung vermuten lassen, z. B. den gänzlichen Ausschluss vom Leistungsentgelt. Es ist dann die Sache des Arbeitgebers den Beweis zu führen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz von Benachteiligungen vorgelegen hat.

Weitere Schadensersatzansprüche drohen dem Arbeitgeber, der gegen die Regelungen in § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB IX verstößt.