Böses Erwachen: als Arbeitgeber sollten Sie nicht allzu sehr darauf vertrauen, daß Sie nicht tarifgebunden sind.
Das gilt jedenfalls dann, wenn Sie überhaupt Mitglied in irgendeinem Arbeitgeber-Verband sind.
Denn die seit einigen Jahren immer moderner werdende sogenannte “OT-Mitgliedschaft” (=ohne Tarifbindung) kann eine heikle Sache sein.
Der Verband bietet sie an, Sie wähnen sich durch dieses schöne Serviceangebot einerseits wohl gebettet, weil sie in den “Genuss” der Ánnehmlichkeiten eines Verbandes kommen (was man sicherlich so und so sehen kann ;-)).
Andererseits aber können weder Sie noch Ihr Verband sich vorstellen, daß Sie trotzdem als tarifgebunden eingestuft werden. Das macht ja auch nichts, denn es genügt völlig, wenn sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) das vorstellen kann. Und das tut es denn auch.
So hat es jetzt (am 22.04.09) erneut klargemacht, daß OT-Mitgliedschaften in ihrer Abgrenzung von der tarifgebundenen Mitgliedschaft maßgeblich davon abhängen, wie die Satzung des Verbandes ausgestaltet ist.
Doch mal ehrlich: gucken Sie da rein, wenn Ihnen gleichzeitig die Verbandsjuristen mit treuen Augen versprechen, daß alles wasserdicht und selbstverständlich juristisch sauber geprüft ist ? Eben.

man in blue dress shirt sitting on black office rolling chair
Foto von ThisisEngineering RAEng

Im jüngsten Fall, den das BAG entschieden hat, konnte ein Arbeitnehmer tarifliche Ansprüche erfolgreich durchsetzen, obwohl der Verband extra eine gesonderte Mitgliedschaft ohne Tarifbindung geschaffen hatte und der Tarifstatus nur durch gesonderte Mitgliedschaft in einer sog. “Fachgruppe” möglich sein sollte.
Das Problem lag darin, daß alle Mitglieder über den Vorstand, teilweise auch aufgrund der Satzung direkt, Einfluß auf die Verwendung eines Fonds hatten, dessen Mittel u.a. auch für Arbeitskampfmaßnahmen dienen sollten. Durch diese Verklammerung stand für das BAG eine Art Infektionswirkung des Fonds fest. Auch die tarifunwilligen Mitglieder müssen sich nun so behandeln lassen, als seien sie tarifgebunden, mehr noch, das BAG sagt: sie sind tarufgebunden.

Wie läßt sich dieses Risiko vermeiden ? Nun, man sollte die Satzung seines Verbandes am besten vor dem Beitritt, zumindest aber vor jeder Änderung, die einen Statuswechsel mit sich bringen soll, durch eigene Juristen prüfen lassen.
Ketzerische werden ggf. sogar empfehlen, gar nicht Mitglied in einem AG-Verband zu sein bzw. auszutreten.
Aber Vorsicht: mit der vermeintlich cleveren Idee, einfach mal eben aus dem Verband auszutreten und damit tariffrei zu sein, sind schon andere auf die Nase gefallen. Das ist inzwischen bereits ein Klassiker. Auch hier gibt es allerdings zielführende Strategien, wenn man bereit ist, auf Hau-Ruck-Lösungen zu verzichten und die Dinge sauber einzufädeln.

Gruß,

Kai Stumper

++++++++++++++++++++

Und hier die Pressemeldung des BAG zu dem aktuellen Fall vom 22.04.09:

“Unzureichende Trennung zwischen tarifgebundenen und nicht-tarifgebundenen Mitgliedern in der Satzung eines Arbeitgeberverbandes

Sieht ein Arbeitgeberverband eine Mitgliedschaft mit und eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung vor, muss durch die Satzung gewährleistet sein, dass nicht tarifgebundene Mitglieder keinen maßgebenden Einfluss auf tarifpolitische Entscheidungen haben können. Dazu gehört auch, dass nur die tarifgebundenen Mitglieder über die Verwendung des Arbeitskampffonds des Verbandes entscheiden können. Ist dies nicht sicher gestellt, können keine Mitgliedschaften ohne Tarifbindung begründet werden.

Die beklagte Arbeitgeberin war Mitglied in einem Arbeitgeberverband, der vorwiegend Unternehmen der Metallindustrie organisiert. Der Verband sah seit einer 1999 vorgenommenen Umstrukturierung die Tarifgebundenheit nur noch für Mitglieder von „Fachgruppen“ vor, die – obwohl dem Verband zugehörig – teilweise organisatorisch selbständig waren. Der vom Verband gebildete „Unterstützungsfonds“ wird laut Satzung vom Verbandsvorstand verwaltet, der von allen Mitgliedern gewählt wird. Die beklagte Arbeitgeberin war nach langjähriger Tarifgebundenheit, zuletzt als Mitglied der „Fachgruppe Metall“, zum 30. Juni 2005 aus dieser Fachgruppe ausgetreten und in den Status eines „normalen“ Verbandsmitgliedes gewechselt. Der tarifgebundene Kläger beansprucht Leistungen aus einem Tarifvertrag, die ihm nach übereinstimmender Auffassung nur zustehen, wenn die Beklagte auch über den 30. Juni 2005 hinaus tarifgebundenes Verbandsmitglied geblieben ist.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Die Revision des Klägers war erfolgreich. Die beklagte Arbeitgeberin ist an den Tarifvertrag gebunden, weil ihr Austritt aus der „Fachgruppe Metall“ ihre Tarifgebundenheit nicht beendet hat. Die Satzung des Arbeitgeberverbandes erlaubt auch den Verbandsmitgliedern außerhalb der Fachgruppen einen maßgebenden Einfluss auf die Verwendung des „Unterstützungsfonds“ des Verbandes und damit auf tarifpolitische Entscheidungen, wie diejenige, ob und wie ein Arbeitskampf geführt werden soll und kann. Es fehlt damit an dem erforderlichen Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Betroffenheit. Das führt bei der Organisationsstruktur dieses Arbeitgeberverbandes dazu, dass die Beklagte an die von diesem oder seinen Fachgruppen geschlossenen Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 TVG gebunden geblieben ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. April 2009 – 4 AZR 111/08 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 26. November 2007 – 17 Sa 1298/07 – “