Vorschläge für klar nachvollziehbare Kriterien
für das Vorliegen einer Selbstständigkeit

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Foto von Jess Bailey

Für jeden Auftraggeber und -nehmer sollen nachvollziehbare und den Verhältnissen der heutigen Arbeitswelt angemessene Kriterien festgelegt werden, die (im Zweifel spätestens durch Hinzuziehen eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters) eine rechtssichere Auftragsvergabe ermöglichen.

Die Kriterien sollten operativ sein, ihr Vorliegen leicht nachweisbar. Entsprechend dem Ziel der Beteiligten, eine rechtssichere Beauftragung zu erreichen, sollten sie positiv formuliert sein, so dass das Vorliegen eines einzelnen oder einer Kombination von mehreren Kriterien eine Selbstständigkeit sicherstellt. Die Kriterien sollen nicht situationsabhängig sein, weil sie dann in jedem Einzelfall immer wieder überprüft werden müssen und ihre Einhaltung angesichts einer Vielzahl von Beteiligten durch den Auftraggeber kaum sicherzustellen ist.

Jedes einzelne der folgenden Kriterien zum Beispiel sollte ausreichend sein,
um eine rechtssichere Beauftragung sicherzustellen:

Es handelt sich um eine freiwillige, gut informierte Entscheidung beider Seiten

1.     Der Stundensatz (nach Abzug von Reisekosten) beträgt > xx Euro
2.     Der Auftragnehmer ist Existenzgründer bzw. Berufsanfänger (z.B. erste x Jahre)
3.     Der Auftraggeber ist selbst Solo-Selbstständiger
4.  Der Auftragnehmer verfügt über einen Nachweis ausreichender Altersvorsorge 
     (Existenzminimum im Alter ist bzw. wird abgesichert)


Zu 1: Statt Nachweise zu fordern, deren Erteilung je nach Ausgestaltung den Aufbau zusätzlicher Bürokratie notwendig machen, sollte man auf die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen vertrauen, diese aber durch bestimmte Informationspflichten des Auftraggebers stärken. Dies könnte z.B. erfolgen durch eine vorgeschriebene Modellrechnung, wie viel vom bezahlten Honorar bei ausreichender sozialer Absicherung und angesichts des Auslastungsrisikos netto verbleibt. 

Zu 2: Wenn der Auftragnehmer ein Honorar erhält, das seine Lebenshaltungskosten, die Kosten der sozialen Absicherung und sein Auslastungsrisiko abdeckt, ist ein Lohndumping zuverlässig ausgeschlossen. Die Einführung eines solchen Mindesthonorars, das ein Vielfaches des Mindestlohns sein könnte, ist eine nahe liegende Lösung, die für viele Branchen Rechtsicherheit bringen würde und auch dazu führen könnte, dass darunter liegende Honorare auf dieses Niveau angehoben werden.

Zu 3: Eine solche Honoraruntergrenze wäre – je nach Höhe – auch eine Eintrittsbarriere für Gründer, junge und insbesondere weniger gut qualifizierte Selbstständige. Deshalb müssen Gründer und Berufsanfänger für eine gewisse Zeit (z.B. fünf Jahre) ausgenommen bleiben oder ein niedrigerer Satz für sie gelten.

Zu 4: Solo-Selbstständige sollten auch in ihrer Rolle als Auftraggeber geschützt werden. Häufig beauftragen sich Einzelunternehmer gegenseitig, um gemeinsam größere Aufträge abwickeln zu können.

Zu 5: Wenn die Gesetzgebung vor allem auf eine Mindestsicherung im Alter zielt, könnte ein Anreiz dazu gesetzt werden, indem der Nachweis ausreichender Vorsorge eine Scheinselbstständigkeit ausschließt.

Generell sollten Kriterien gewählt werden, die – indem sie in die Dienst- und Werkverträge aufgenommen werden – die Stellung der Selbstständigen stärken. Beispiel: Das Recht, einen Teil der vereinbarten Arbeitszeit an einem selbstgewählten Ort zu erbringen. Nach dem Vorbild der Niederlande (vgl. vgsd.de/?p=6954) könnten Musterbestimmungen für Freiberufler entwickelt werden, die bei vertraglicher Umsetzung und Beachtung eine Scheinselbstständigkeit des Auftragnehmers zuverlässig ausschließen und zugleich seine Rechte stärken.

Forderungen zum Statusfeststellungsverfahren
und bei Betriebsprüfungen

  • Sofortige Weisung an die DRV, sich bis zur Neuregelung stärker auf tatsächlich Schutzbedürftige zu konzentrieren und die Kriterien wieder ausgewogener anzuwenden.
  • Organisatorische Trennung der für das Statusfeststellungsverfahren zuständigen Stellen von der DRV, da hier erhebliche Interessenkonflikte vorliegen. Durch eine Unterstellung der entsprechenden Behörde unter das Wirtschaftsministerium könnte erschwert werden, dass es aufgrund fiskalischer Interessen zu Weisungen und Quotenvorgabe an die Prüfer kommt.
  • Nutzung neuer Technologien zur Beschleunigung des Statusfeststellungsverfahrens von mehreren Monaten auf wenige Tage.
  • Mindestens aber effektive Rechtssicherheit in Bezug auf die Selbstständigkeit für die Dauer des Verfahrens, diese ist effektiv nicht gegeben (Voraussetzungen i.d.R. nicht erfüllt/ erfüllbar).
  • Offenlegen von Entscheidungskriterien und engerer Austausch von Praxis und Verwaltung z.B. durch Jahresarbeitstagungen – analog zur Finanzverwaltung.
  • Transparenz über Anzahl der Statusfeststellungsverfahren und Bewilligungsquoten.
  • Rechtssicherheit, wenn bei Betriebsprüfungen Auftragsverhältnisse nicht bemängelt werden.
  • Aussetzung/ Reduktion der Sanktionen für Auftraggeber, bis Rechtssicherheit hergestellt wurde (z.B. durch generelle Verkürzung der Verjährungsfrist auf sechs Monate).

Aus Sicht des VGSD würden die Pläne von Andrea Nahles die Rechtssicherheit vieler Selbständiger untergraben und sie in ihrer Position schwächen. Das Organ warnt vor einer insgesamt schädlichen Verwaltungspraxis, die einseitig die Prüftätigkeit von Behörden erleichtere. Und dies bedeute einen Bruch mit der bislang im Recht verankerten notwendigen „wertenden Gesamtschau“ bei der Beurteilung von Selbständigkeit. Werde auf dieses Korrektiv verzichtet, so der VGSD, würde sich die Statusfeststellung noch mehr in Richtung der bereits von der DRV praktizierten gezielten Suche nach Ablehnungsgründen entwickeln. Eine Korrektur solcher Entscheidungen durch die Gerichte wäre nicht mehr möglich. Vielmehr sei es im Gegenzug wichtig, neue und auch auf Wissensarbeiter anwendbare Kriterien zu entwickeln. Das VGSD-Positionspapier unterbreitet dazu mögliche Regelungen.