Jede Organisation investiert eine beträchtliche Summe an Stunden in Planung. In unserer Beratungspraxis überrascht es dennoch immer wieder, dass kaum ein Unternehmen den Faktor Mitarbeiter fundiert plant. So stellen sie zwar umfassend dar, welche finanziellen Mittel nötig sind, um eine geplante Strategie zur Umsetzung zu bringen.

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Foto von Austin Distel

Die Frage aber, wie viele Mitarbeiter in welcher Qualifikation zur Zielerreichung tatsächlich nötig sind, bleibt meist unbeantwortet beziehungsweise ist selten Teil eines systematischen Prozesses. Dennoch sehen wir die Frage, welche Mitarbeitergruppen zukünftig nötig sein werden, um strategische Ziele zu realisieren, als unternehmerische Kernfrage. Aus Sicht des Personalmanagements ist sie deshalb zentral, weil es nur so gelingen kann, Personalarbeit mittelfristig zu steuern und strategiegeleitet in die richtigen Belegschaftssegmente zu investieren.

Ausgangssituation

Wie viele andere Organisationen plante auch einer unserer Kunden, ein international tätiger Finanzdienstleister, strukturiert unter der Schirmherrschaft von Performance Management. Die HR Manager in den unterschiedlichen Business Units waren nicht Teil dieses Planungsprozesses. Nach Jahren des Wachstums, das vor allem über Akquisitionen entstand, kam eine Phase der Konsolidierung. Kostenkontrolle – und damit natürlich auch Personalkosten und deren zukünftige Entwicklung – war ein brisantes Thema.

Durch die Vielzahl von Mergers in den vorangegangenen Jahren war es für die Konzernpersonalabteilung nicht möglich, tagesaktuell die Anzahl an Mitarbeitern zu reporten. Die IT-Integration der Personalsysteme war nicht abgeschlossen, einige Systeme mit dem Data Warehouse im Konzern nicht kompatibel. Monatliche Reports kamen oftmals zeitverzögert an oder waren zum Zeitpunkt ihres Eintreffens bereits nicht mehr aktuell, da einzelne Ländergesellschaften enormes Mitarbeiterwachstum realisierten, während andere Geschäftsbereiche bereits Abbauaktivitäten umsetzten.

Die Konzernpersonalabteilung geriet immer stärker unter Druck, da sie für das „kostenkontrollierte Wachstum“ entsprechende Daten als Planungsgrundlage zur Verfügung stellen sollte. Ein weiterer Kritikpunkt war, dass sie mögliche Synergien, die sich durch eine konzernweite Koordinierung der HRAktivitäten ergeben würden, nicht nutzte. Schließlich beauftragte die Konzernpersonalabteilung uns, einen systematischen Personalbedarfsplanungsprozess zu implementieren.

Die Kernfragen unseres Kunden bei Projektstart waren:

  • Wie gelingt es uns, als Organisation aus unserer Strategie den zukünftigen Personalbedarf abzuleiten?
  • Wie schaffen wir es, zukünftige Überbeziehungsweise Unterdeckungen an kritischen Skills rechtzeitig konzernweit zu identifizieren und zu quantifizieren, um HR-Aktivitäten proaktiv steuern zu können? Aufgrund bestehender Planungszyklen war eine Projektdurchlaufzeit von sieben Monaten vorgesehen.

Ist-Analyse

In der ersten Projektphase ging es darum, die relevante Ist-Situation in den einzelnen Business- Units zu erheben. Wir führten Interviews mit ausgewählten HR-Managern, um Informationen über bestehende (Personal-) Planungsprozesse und Beteiligte, IT-Systeme, Planungshorizont sowie Berufsbildmodelle zu erheben. Für die Interviews bildeten wir Teams aus jeweils einem Vertreter der Konzernpersonalabteilung sowie einem Berater.

Zusammenfassend ergab sich folgendes Bild: Die meisten Units planten für das folgende Geschäftsjahr „quick & dirty“ Headcounts. Die jeweiligen Ergebnisse wurden bei der Budgeterstellung als „Wunschlisten“ wahrgenommen, da meist unklar war, wer in den Planungsprozess involviert war und wie die jeweiligen Zahlen zustande kamen. Die HRManager wurden in den Business Units in einer rein operativen Rolle wahrgenommen, weshalb sie in Planungsaktivitäten nicht einbezogen wurden. Allerdings wurden sie von den Geschäftsbereichen für eine nicht zeitgerechte und adäquate Deckung des quantitativen und qualitativen Personalbedarfs verantwortlich gemacht.

Entwicklung des Soll-Prozesses

Die Planung des strategischen Personalbedarfs setzt auf einer funktionalen Segmentierung der Belegschaft auf. Darüber hinaus stellt ein einheitliches Modell die Grundlage für eine Differenzierung zwischen Belegschaftsgruppen dar. Die Kernfrage dabei lautet: Welche Mitarbeitersegmente werden in der kommenden Planungsperiode zentral für die Umsetzung der Strategie sein? Signifikate Bewegungen am internen oder externen Arbeitsmarkt können zusätzlich ein Segment zu einem strategisch bedeutenden machen. In unserem Projekt war ein Berufsbildmodell vorhanden, das annähernd über alle Business Units eine Vergleichbarkeit erlaubte. Wir differenzierten zwischen zwei Segmenten:

  • Erfolgskritisches Segment: Das ist jener Teil der Gesamtbelegschaft, der einen signifikanten Beitrag zu einer erfolgreichen Strategieumsetzung beiträgt. Es sind zusätzliche HR-Aktivitäten nötig, um den Bedarf der Geschäftsbereiche in diesem Segment zu decken.
  • Kernbelegschaft: Das ist jener Teil der Gesamtbelegschaft, der die Abwicklung des Tagesgeschäfts sicherstellt. Für diese Zielgruppe sind aktuell keine zusätzlichen HR-Aktivitäten notwendig.

Im Kernprojektteam entwarfen wir einen Soll-Prozess, der sich in drei Phasen gliedern lässt: 1. Strategischer Dialog & Segmentierung der Belegschaft 2. Datenanalyse & Planung des Personalbedarfs 3. Umsetzungsplanung Besonderen Wert legten wir darauf, den entwickelten Prozess in den etablierten Budgetierungsprozess einzubetten. Es zeigte sich, dass der Bereich Performance Management bereit war, einen systematischen Personalplanungsprozess zu unterstützen, da er großes Interesse hatte, Transparenz in die Personalkosten zu bringen.

Phase 1: Strategischer Dialog & Segmentierung der Belegschaft

Am Beginn des Soll-Prozesses stand der Auftrag des Top-Managements an die HRManager der Business Units, die strategische Personalbedarfsplanung zu starten. Herzstück des Prozesses war ein Planungsmeeting – der strategische Dialog – zwischen Geschäftsbereichsleitung, Performance Management und Personalmanagement. Ziel war es, ein gemeinsames Verständnis darüber zu entwickeln, welche Implikationen die Strategie auf den quantitativen und qualitativen Personalbedarf in den kommenden drei Jahren haben wird. Der Personalbereich pro Business Unit war dafür verantwortlich, die strategischen Dialoge zu organisieren, vorzubereiten und zu moderieren. Ergebnis dieses ersten Dialoges sollte die Entscheidung sein, welche Belegschaftssegmente in der kommenden Planungsperiode erfolgskritisch sind.

Die fundierte Analyse der Ist-Belegschaft bildete den Ausgangspunkt für die Planung der Soll-Belegschaft. HR bereitete aktuelle FTE-Reports, Planzahlen der Vorperiode, Recruiting- und Fluktuationskennzahlen sowie Alterspyramiden auf, um im strategischen Dialog gesprächsfähig über Entwicklungen in einzelnen Berufsbildern von der letzten Planungsperiode bis heute zu sein und kritische Punkte in der zukünftigen Entwicklung ansprechen zu können.

Phase 2: Datenanalyse & Planung des Personalbedarfs

Im Anschluss daran erarbeiteten die HR-Manager Detailanalysen für die erfolgskritischen Belegschaftssegmente. Für diese Segmente plante die Business Unit detailliert, das heißt pro Berufsbild und Level, den Bedarf. Für die Kernbelegschaft wurde der Bedarf in Summe pro Berufsbild definiert. In einem Folgemeeting diskutierten die HR-Manager dann eingehend den tatsächlichen Bedarf mit den Geschäftsbereichen, hinterfragten diesen und legten ihn fest. Einzelne Business Units entwickelten auch Rechenmodelle zur Kalkulation des Bedarfs und stellten Benchmarks als Diskussionsgrundlage bereit.

Phase 3: Umsetzungsplanung

In Phase 3 wurden die Planzahlen der Geschäftsbereiche von den HR-Managern auf Länderebene konsolidiert und die Differenz zwischen Angebot und Bedarf ermittelt. Die Personalabteilungen der Länderorganisationen leiteten entsprechende Aktionspläne ab, um den Bedarf der Geschäftsbereiche zu decken. Diese stimmten sie einerseits konzernweit zur Realisierung möglicher Synergien ab und andererseits spielten sie diese an die Business Units zur finalen Abstimmung zurück. Sie vereinbarten Prozeduren mit den Beteiligten, wie diese laufend berichten und zur Realisierung der Planung im Gespräch bleiben.

Die drei Phasen des Soll-Prozesses

Pilot

In der nächsten Projektphase testeten und optimierten wir den erarbeiteten Prozess in einem Piloten. Unser Kunde legte an dieser Stelle besonderen Wert darauf, die Vorgaben für den strategischen Dialog zu schärfen und zu konkretisieren: Dabei geht es um ein verbindliches Planungsgespräch, das quantitative und qualitative Elemente vereint und innerhalb vorgegebener FTE-Bandbreiten stattfinden soll. HR ist in diesem Gespräch im Lead. Der Prozess muss ganz nahe am Budgetprozess bleiben, was durch die aktive Teilnahme von Performance Management sichergestellt wird. Ein zufriedenstellendes Ergebnis kann nur erzielt werden, wenn alle Beteiligten entsprechende – vor allem zeitliche – Ressourcen zur Verfügung haben und sich zu den Prozesszielen und Ergebnissen kommittieren.

Als letzter Schritt plante das Projektteam den Rollout und komplettierte die Schulungsunterlagen. Wichtig ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die besonders kritische Schnittstelle zur IT nicht Teil dieses Artikels ist. Abstimmungen zwischen Projekt- und IT-Mitarbeitern fanden laufend statt und die technische Umsetzung war selbstverständlich Teil des Projektplans. Grundsätzlich soll der strategische Personalbedarfsplanungsprozess bei unserem Kunden einmal jährlich gemeinsam mit dem Budgetprozess laufen, im Falle einer Strategieänderung auch unterjährig.

Learnings & kritische Erfolgsfaktoren

Die funktionale Segmentierung von Belegschaftsgruppen ist essenziell. Nur so gelingt es, Headcounts mit Funktionen zu verlinken, die unternehmensweit vergleichbar sind und auf einem Aggregationsgrad liegen, auf dem sinnvoll geplant werden kann. Die Einbeziehung der Führungskräfte über die Planungsdialoge bringt mehr Verbindlichkeit in die Planung. So kann die Personalabteilung den Bedarf auf Basis der Datenanalysen und strategischer Vorgaben der Organisation kritisch hinterfragen.

Die Implementierung der Planung als Regelprozess erfordert von der Personalabteilung, eine proaktive, strategische Rolle einzunehmen. In Organisationen, in denen es erst über die Einführung einer strategischen Personalbedarfsplanung zu einem solchen Rollenwechsel kommt, ist dieser erfolgskritisch. Mangelnde Akzeptanz der Geschäftsbereiche, strategische Pläne mit Mitarbeitern der Personalabteilung zu besprechen, führt zu einem Scheitern.

Das Management muss den Planungsprozess initiieren und aktiv unterstützen. Bei Einführung eines Personalbedarfsplanungsprozesses ist die Frage nach dem Tool wesentlich. Nur so ist sichergestellt, dass die Planung in ein laufendes Tracking und Reporting übergeführt werden kann. Erfahrungen unserer Kunden zeigen, dass sich Unternehmen zugestehen müssen, über den Prozess zu lernen: neue Einsichten über die Zusammensetzung und Entwicklung der Ist-Belegschaft, neue Rollen, neue Settings in der Planung. Mit jedem Durchlauf wird der Prozess effizienter und effektiver.

Schlussfolgerung

Im beschriebenen Projekt erschien der Organisation das Risiko, zu viele, zu wenige oder die falschen Mitarbeiter in einzelnen Geschäftsbereichen verfügbar zu haben, zu hoch, um auch die kommenden Jahre ohne Planung des strategischen Personalbedarfs auskommen zu können.

Zentrales Ziel eines strategischen Personalbedarfsplanungsprozesses ist es, den Soll-Zustand der künftigen Belegschaft rechtzeitig zu antizipieren. Damit werden Strategien und Handlungspläne entwickelt, die sicherstellen, dass Abweichungen rechtzeitig ausgeglichen werden können, bevor sie die Zielerreichung der Organisation negativ beeinflussen. HRManagern gelingt es so, Personalarbeit proaktiv und abgestimmt auf den Bedarf der Geschäftsbereiche und die Unternehmensstrategie zu steuern.

Quelle: personalmanger – 5/2011