Sprachkenntnisse bei Einstellung

Im Rahmen seiner unternehmerischen Entscheidungen, die die Arbeitsgerichte nur auf offenbare Unsachlichkeit oder Willkür überprüfen dürfen, kann der Arbeitgeber das Anforderungsprofil an Arbeitsplätze bestimmen, also die Qualifikationen festlegen (z. B. Sprachkenntnisse, Ausbildung, Berufserfahrung). Diese müssen jedoch

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  • nachvollziehbar sein,
  • einen hinreichenden sachlichen Bezug zur Aufgabe haben und
  • das Unternehmen muss sich selbst an seine Entscheidung halten (Bundesarbeitsgericht – BAG, Urt. v. 7.7.2005 – 2 AZR 399/04, DB 2006, S. 341; Urt. v. 24.6.2004 – 2 AZR 326/03, AuA 3/05, S. 181 f.).

So ist die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit besonderer Qualifikation ausführen zu lassen oder aus Sicherheitsgründen bei bestimmten Kontrollaufgaben ausreichende Sprachkenntnisse zu verlangen, grundsätzlich zu respektieren (BAG, Urt. v. 10.11.1994 – 2 AZR 242/94, BB 1995, S. 1907).

Praxistipp

Unternehmen sollten schon bei der Stellenausschreibung im Anforderungsprofil stets aufgabenbezogen erforderliche Sprachkenntnisse diskriminierungsfrei definieren und diese im Einstellungsverfahren (Vorstellungsgespräch, Einstellungstest) dokumentiert prüfen.

Andernfalls schneiden sie sich die Möglichkeit ab, sich später hierauf zu berufen (Landesarbeitsgericht [LAG] Hamm, Urt. v. 20.4.1999 – 5 Sa 1000/97: keine Abfrage englischer/französischer Sprachkenntnisse im Vorstellungsgespräch und spätere Besetzung mit einer Bewerberin, die solche nicht hatte). Steht dies aber schon in der Stellenanzeige und lehnt der Arbeitgeber dann einen Bewerber wegen mangelhafter Sprachkenntnisse ab, kann dies keine ungerechtfertigte und entschädigungspflichtige Diskriminierung nach §§ 8, 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellen (ArbG Berlin, Urt. v. 26.9.2007 – 14 Ca 10356/07).

Stellenanzeigen, Datenschutz und Übersetzungspflicht

Die Voraussetzung „gute Deutschkenntnisse in Wort/Schrift“ ist diskriminierungsfrei, wenn die Stelle sie erfordert. Eine sachgerechte Abstufung (sehr gut/verhandlungssicher – ausreichend/grundlegend) ist jedoch geboten: Die Sprachanforderungen an eine Sekretärin oder den Vertriebsmitarbeiter eines Global Players sind höher als an einen ungelernten Produktionshelfer. „Muttersprachler/in Deutsch“ birgt die Gefahr einer ethnischen Diskriminierung (dafür: ArbG Berlin, Urt. v. 11.2.2009 – 55 Ca 16952/08; dagegen: Gruber, NZA 2009, S. 1247).

Arbeitnehmerdaten zu Sprachkenntnissen aus einem Personalfragebogen (§ 94 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz – BetrVG) darf das Unternehmen speichern. Sie sind wichtig, um beurteilen zu können, ob der Mitarbeiter für die Tätigkeit geeignet ist (BAG, Urt. v. 22.10.1986 – 5 AZR 660/85, DB 1987, S. 1048).

Eine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer den schriftlichen Arbeitsvertrag unaufgefordert in dessen Muttersprache zu übersetzen, besteht nicht. Dies gilt jedenfalls, soweit der Vertrag nur die üblichen Bedingungen enthält und keine außergewöhnlichen Bestimmungen, mit denen der Beschäftigte nicht rechnen muss (Hess. LAG, Urt. v. 11.9.1986 – 9 Sa 421/86).

Wichtig

Schließt der ausländische Gastarbeiter, der die deutsche Sprache nicht oder nicht hinreichend beherrscht, einen Arbeitsvertrag ab, trägt er das Sprachrisiko (LAG Tübingen, Urt. v. 12.7.1968 – 4 Sa 37/68).

Eingruppierung und Entgelt

Sprachkenntnisse können ggf. im Rahmen der Eingruppierung, also der Zuordnung zu einer bestimmten (tariflichen) Entgeltgruppe, relevant werden, wenn sich daraus ein bestimmtes Tätigkeitsniveau ergibt oder Richtbeispiele sie verlangen (vgl. BAG, Urt. v. 27.8.2008 – 4 AZR 534/07). Für die Eingruppierung sind nach § 2 Nr. 3 Entgeltrahmenabkommen (ERA) im Bereich des „Könnens“ die allgemeinen Anforderungen maßgeblich, die nötig sind, um die Tätigkeit auszuüben. Auf den persönlichen Ausbildungswerdegang des Arbeitnehmers kommt es nicht an.

Beispiele

Ein mehrjähriger englischer Sprachkurs mit zwei Unterrichtswochenstunden, der einen allgemeinen Standard englischer Sprachkompetenz vermittelt, erfüllt nicht die Voraussetzungen einer „zusätzlichen Fachausbildung“ i. S. d. Anlage 1b ERA (LAG Köln, Urt. v. 18.4.2007 – 3 Sa 1405/06).

Eine kaufmännische Sachbearbeitungstätigkeit, die durch die Verwendung einer Fremdsprache geprägt ist, rechtfertigt erst eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 9 Bundesentgelttarifvertrag Chemie, wenn dafür eine abgeschlossene funktionsbezogene zusätzliche Aus- oder Weiterbildung bzw. zusätzliche Fachkenntnisse erforderlich sind, die i. d. R. eine mehrjährige Berufserfahrung in der Entgeltgruppe E 8 voraussetzen (Hess. LAG, Urt. v. 15.1.2008 – 4 TaBV 231/07).

Auch bei mangelnden Sprachkenntnissen oder einem Analphabeten ist darauf zu achten, dass kein verbotener Lohnwucher vorliegt. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung i. S. v. § 138 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch liegt vor, wenn die Vergütung nicht einmal zwei Drittel des Tariflohns erreicht, den Arbeitgeber in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise zahlen (BAG, Urt. v. 22.4.2009 – 5 AZR 436/08, vgl. auch Helml, AuA 5/10, S. 298 ff.). In dem Fall hatte eine aus Portugal stammende ungelernte Hilfskraft in einem nicht tarifgebundenen Gartenbau-betrieb 3,25 Euro pro Stunde erhalten.

Befristung wegen Sprachkenntnissen

Fehlt einem Arbeitnehmer bei der Einstellung ein Qualifikationsmerkmal, das für die Tätigkeit grundsätzlich erforderlich ist, und erteilt ihm der Arbeitgeber deshalb die Auflage, sich innerhalb eines gewissen Zeitraums entsprechend zu qualifizieren, ist die Befristung des Arbeitsvertrags im Hinblick auf die noch zu erlangende Fertigkeit sachlich begründet (§ 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz – TzBfG). Die zulässige Dauer der Befristung hängt in diesem Fall ausschließlich davon ab, wie lange ein Mitarbeiter üblicherweise benötigt, sich die entsprechenden Kenntnisse anzueignen.

Beispiele

Fehlen einem türkischen Lehrer, der türkische Kinder in einer deutschen Schule unterrichten soll, die notwendigen deutschen Sprachkenntnisse, darf der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag zeitlich so lange befristen, wie ein Arbeitnehmer, der aus einem völlig anderen Sprachkreis stammt, gewöhnlich benötigt, um die deutsche Sprache zu lernen (ca. zwei Jahre: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 8.9.1983 – 5 Sa 190/83).

Lebt ein Fremdsprachenlektor bereits vor Beginn des Arbeitsverhältnisses seit 13 Jahren nicht mehr in seinem Heimatland (hier: China), kann sich das Unternehmen nicht darauf berufen, dass die Befristung seines Arbeitsvertrags wegen der Eigenart der Arbeitsleistung i. S. v. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG gerechtfertigt ist (sog. Verschleißtatbestand). Die Gefahr, dass der Lektor durch einen längeren Aufenthalt außerhalb seines Herkunftslands den Kontakt mit seiner Muttersprache verliert, ist angesichts eines intensiven kulturellen Austauschs und moderner Kommunikationsmittel als gering einzuschätzen (BAG, Urt. v. 16.4.2008 – 7 AZR 85/07).

Sprachanforderungen im laufenden Arbeitverhältnis

Wer mit deutschen Kunden und Kollegen zu tun hat, von dem darf der Arbeitgeber berechtigterweise erwarten bzw. fordern, dass er genügend Deutsch versteht, um Beschwerden wegen Verständigungsproblemen zu vermeiden. Das hat das LAG Schleswig-Holstein z. B. für eine Kroatin bejaht, die im Schwimmbad als Reinigungskraft und vertretungsweise als Kassiererin beschäftigt ist (Urt. v. 23.12.2008 – 6 Sa 158/09, AuA 3/10, S. 178).

Praxistipp

Erfüllt der Mitarbeiter diese Voraussetzung nicht, hat der Arbeitgeber berechtigte sachliche Gründe (vgl. § 8 AGG), die es rechtfertigen, den Betreffenden zum Besuch eines Sprachkurses aufzufordern. In diesem Fall ist kein Raum, um eine entschädigungspflichtige Diskriminierung oder Belästigung i. S. v. § 3 Abs. 3 AGG anzunehmen. Das Unternehmen kann demnach Anweisungen, die für die ordnungsgemäße Fortführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind, ohne besondere Rücksicht auf die ethnische oder sprachliche Herkunft eines Arbeitnehmers erteilen. Schadensersatzansprüche muss es dann nicht befürchten.

Eine Gastarbeiterin, die seit Jahren in der Bundesrepublik tätig ist und bisher alle Anordnungen des Arbeitgebers befolgt hat, kann sich nicht plötzlich darauf berufen, sie verstehe nicht genügend Deutsch (ArbG Bielefeld, Urt. v. 5.2.1975 – 3 Ca 1507/74, ARST 1975, S. 99).

Jedenfalls bei langjährig beschäftigten Arbeitnehmern ist der Arbeitgeber jedoch verpflichtet, durch eine innerbetriebliche Schulung während der Arbeitszeit die deutschen Sprachkenntnisse zu vermitteln, die den Beschäftigten in den Stand versetzen, den neuen erhöhten Anforderungen gerecht zu werden (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.1.2006 – 5 Sa 817/05, AuA 9/06, S. 562).

Abmahnung und Versetzung

Weigert sich der Mitarbeiter, an der Schulung teilzunehmen, kann dies ggf. eine Abmahnung rechtfertigen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 5.10.2005 – 10 Sa 349/05, AuA 10/06, S. 625). Sie muss dem Arbeitnehmer allerdings nicht nur zugegangen sein, sondern notwendig ist, dass er von ihr auch Kenntnis genommen hat. Dies wird jedoch (widerleglich) vermutet, wenn der Zugang feststeht (LAG Köln, Urt. v. 8.3.1996 – 11 (13) Sa 1164/95). Eventuell fehlende Sprachkenntnisse hindern den Zugang nicht, denn der Empfänger hat jederzeit die Möglichkeit, sich das empfangene Schreiben übersetzen zu lassen (LAG Köln, Urt. v. 4.9.2007 – 14 Ta 184/07).

Ob der Mitarbeiter das Anforderungsprofil erfüllt – und damit die notwendigen Sprachkenntnisse hat – kann auch im laufenden Arbeitsverhältnis Bedeutung haben, nämlich wenn es um die Versetzung auf einen anderen, leidensgerechten Arbeitsplatz geht und die Frage, ob dies zur Vermeidung einer Kündigung möglich und zumutbar ist (vgl. Stück, AuA 4/07, S.200 ff.).

Beispiele

Ein Fliesenleger, der wegen eines Knochenleidens dauerhaft arbeitsunfähig ist, hat keinen Anspruch auf eine „leidensgerechte“ Beschäftigung im Büro, z. B. dem Vertrieb, wenn ihm hierfür die nötigen deutschen Sprachkenntnisse und die geforderte kaufmännische Ausbildung fehlen (BAG, Urt. v. 10.12.1987 – 2 AZR 515/87).

Übergeht ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei zwei Beförderungsentscheidungen wegen dessen mangelhafter Englischkenntnisse, lässt sich daraus keine zum Schadensersatz führende Mobbinghandlung ableiten (LAG Köln, Urt. v. 9.3.2009 – 5 Sa 1405/08).

Mangelhafte Sprachkenntnisse als Kündigungsgrund

Führt das Unternehmen ein Qualitätsmanagementsystem (z. B. ISO-Zertifizierung) ein, bei dem die Mitarbeiter Begleitpapiere in deutscher Sprache verstehen und ausstellen sowie Dokumentationen anfertigen müssen, kann diese Änderung des Anforderungsprofils eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Der entscheidende Grund für die Maßnahme liegt nämlich in der Sphäre des Arbeitgebers, und zwar in seiner unternehmerischen Entscheidung (BAG, Urt. v. 20.11.1997 – 2 AZR 643/96, NZA 1998, S. 323). Die Arbeitsgerichte dürfen diese nur auf Willkür und offensichtliche Unsachlichkeit prüfen. Das gilt auch, wenn der Beschäftigte nun nicht mehr persönlich geeignet ist, die Anforderungen des „umgestalteten“ Arbeitsplatzes zu erfüllen, dieser ansonsten aber unverändert ist.

Kündigungsschutzrechtlich hat der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) den Arbeitnehmern die Möglichkeit zu verschaffen, sich bislang fehlende Kenntnisse der deutschen Sprache, die erforderlich sind, um künftig ordnungsgemäß ihre Arbeitsaufgaben durchzuführen, anzueignen. Eine Schulung, die auf betriebs- und arbeitsplatzspezifische Bedürfnisse abstellt und den Mitarbeitern vermittelt, wie sie deutschsprachige Dokumente sachgerecht behandeln, ist dem Arbeitgeber auch zumutbar. Kommt er dem nicht nach, ist die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt (Hess. LAG, Urt. v. 19.7.1999 – 16 Sa 1898/98, MDR 2000, S. 403). Bietet das Unternehmen hingegen ausreichend Gelegenheit, die notwendigen Sprachfähigkeiten während der Arbeitszeit zu erwerben, und nimmt der Beschäftigte dieses Angebot nicht an oder bleiben die Schulungen ohne Erfolg, ist die betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt und nicht diskriminierend (BAG, Urt. v. 28.1.2010 – 2 AZR 764/08).

Praxistipp

Ein Arbeitgeber, der derartige Änderungen (§ 111 Satz 2 Nr. 4, 5 BetrVG) anstrebt, sollte im Interessenausgleich, im Sozialplan oder in einer Betriebsvereinbarung festschreiben, dass schriftliche deutsche Sprachkenntnisse erforderlich sind, um die Qualitätsnormen einhalten zu können, und die Stellenbeschreibungen entsprechend anpassen. Zugleich empfiehlt es sich, im Sozialplan bzw. der Betriebsvereinbarung (§ 97 Abs. 2 BetrVG), die unmittelbar und zwingend gelten, die notwendigen Qualifizierungen für die Arbeitnehmer und deren Details zu regeln. Vor Aussprache einer Kündigung sollte das Unternehmen die Beschäftigten schriftlich zur Teilnahme auffordern und ihnen anderenfalls die Kündigung androhen.

Sprachkenntnisse und Sozialauswahl

In die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG sind alle ordentlich kündbaren Mitarbeiter auf gleicher Ebene der Betriebshierarchie einzubeziehen, die hinsichtlich des Direktionsrechts (arbeitsvertragliche Austauschbarkeit) sowie nach Qualifikation, Erfahrung und Kenntnissen (arbeitsplatzbezogene Austauschbarkeit) vergleichbar sind. Die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen. Das selbstständige Führen von Gesprächen oder die Korrespondenz in einer Fremdsprache sind aber regelmäßig nicht in wenigen Wochen oder Monaten zu erlernen. Daher können fundierte und spezielle Fremdsprachenkenntnisse und das Vertrautsein mit den besonderen Verhältnissen eines ausländischen Markts dazu führen, dass der Arbeitgeber solche Beschäftigte wegen besonderer Fähigkeiten aus der Sozialauswahl herausnehmen darf. Der Hinweis eines entlassenen Arbeitnehmers auf schon viele Jahre zurückliegende Volkshochschulkurse ist dagegen untauglich (LAG Baden- Württemberg, Urt. v. 14.7.2006 – 18 Sa 22/06).

Notwendig ist, dass sich die aus der Sozialauswahl herausgenommenen Mitarbeiter aufgrund ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen von den an sich vergleichbaren Arbeitnehmern unter dem Gesichtspunkt ihrer betrieblichen Einsatzmöglichkeiten deutlich unterscheiden. Sprachkenntnisse oder das Vertrautsein mit den regionalen Verhältnissen müssen erforderlich – und nicht bloß nützlich oder vorteilhaft – sein. Bei international eingesetzten Fernfahrern fehlt es daran (LAG Hamm, Urt. v. 6.12.2006 – 2 Sa 867/06).

Stellt ein Arbeitgeber seine Produktion auf computergestützte Anlagen um, so dass nunmehr gute deutsche Sprachkenntnisse erforderlich sind, um PC-Eingaben zu erledigen sowie Erläuterungen, Anweisungen und Bedienungsanleitungen zu verstehen, kann auch deren Fehlen der Einbeziehung in eine Sozialauswahl entgegenstehen (BAG, Urt. v. 23.8.1990 – 2 AZR 57/90).

Praxistipp

Das Anforderungsprofil, z. B. die Stellenbeschreibung, sollte unbedingt die Sprachkenntnisse, besondere Erfahrungen etc. beinhalten. Zusätzlich müssen sie in der Praxis vor und bei Ausspruch der Kündigung relevant gewesen sein, wenn sich das Unternehmen hierauf erfolgreich berufen will (vgl. BAG, Urt. v. 20.5.1999 – 2 AZR 278/98).

Aufhebungsvertrag und Ausgleichsquittung

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einem ausländischen Arbeitnehmer eine Ausgleichsquittung zu übersetzen (LAG Hamm, Urt. v. 2.1.1976 – 3 Sa 1121/75, BB 1976, S. 553). Er kann sich aber aufgrund seiner Fürsorgepflicht nicht auf die Wirksamkeit einer von einem ausländischen Mitarbeiter unterzeichneten Ausgleichsquittung berufen, wenn er weiß oder erkennen muss, dass dieser den Inhalt der Erklärung wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht versteht.

Beispiel

Ein indischer Ingenieur, der sich seit zehn Jahren in der Bundesrepublik aufhält und Deutsch nicht nur sprechen, sondern auch lesen kann, ist an die von ihm unterzeichnete Ausgleichsquittung gebunden (LAG Köln, Urt. v. 24.11.1999 – 2 Sa 1128/99, MDR 2000, S. 528).

Mitbestimmung bei Betriebssprache

Der (Gesamt-)Betriebsrat hat nach Auffassung des LAG Köln bei der Vorgabe der allgemeinen Betriebssprache durch die Geschäftsleitung – hier Englisch statt Deutsch – ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da eine solche Regelung das Ordnungsverhalten im Betrieb betrifft. Können sich die Betriebspartner darüber nicht verständigen, entscheidet die Einigungsstelle. Das Mitbestimmungsrecht ist nicht schon ausgeschlossen, weil in gerichtlichen bzw. behördlichen Verfahren Deutsch als Amtssprache festgelegt ist (§ 184 Gerichtsverfassungsgesetz; § 23 Verwaltungsverfahrensgesetz). Welche Sprache in Betrieben, die in Deutschland ansässig sind, gilt, ist dort nicht geregelt (LAG Köln, Beschl. v. 9.3.2009 – 5 TaBV 114/08, AuA 8/09, S. 484).

Mitbestimmungsfrei kann der Arbeitgeber den Gebrauch einer anderen Sprache anweisen, wenn es um das Arbeitsverhalten geht, also unmittelbar darum, die geschuldete Tätigkeit zu erbringen (Arbeitssprache).

Beispiel

Der Arbeitgeber weist einen Exportsachbearbeiter an, internationale Zolldokumente in Englisch zu erstellen.

Um mitbestimmungspflichtiges Ordnungsverhalten handelt es sich hingegen, wenn die Anweisung nicht mehr das unmittelbare Arbeitsverhalten betrifft.

Beispiel

Das Unternehmen verlangt, dass die Mitarbeiter untereinander in E-Mails, Protokollen und Meetings in Englisch kommunizieren (Betriebssprache).

Betriebsratsarbeit und Betriebsratswahlen

Sprachunkundige Betriebsratsmitglieder haben einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber fremdsprachige (hier englische) Texte oder Redebeiträge übersetzen lässt, wenn dies erforderlich ist, damit sie ihre gesetzlichen Aufgaben ordnungsgemäß wahrnehmen können. Sie müssen sich nicht auf eine sinngemäße Unterrichtung durch sprachkundige Mandatsträger verweisen lassen (ArbG Frankfurt, Beschl. v. 5.3.1997 – 14 BV 170/96, AiB 1998, S. 524).

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber nur verlangen, dass er ihn von den Kosten der Übersetzung seiner deutschen Geschäftsordnung für ein ausländisches Ersatzmitglied freistellt, wenn er konkret darlegt, welche Schwierigkeiten ohne die Übersetzung angeblich auftreten sollen. Im Allgemeinen ist von einem ausländischen Betriebsratsmitglied zu verlangen, dass es die erforderlichen Sprachkenntnisse mitbringt oder sich aneignet (LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 20.7.1984 – 3 TaBV 46/83). Zu den Monatsgesprächen mit dem Betriebsrat bzw. der Personalvertretung (§ 74 Abs. 1 BetrVG; § 66 Abs. 1 Bundespersonalvertretungsgesetz) kann ein Arbeitgeber, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher seiner Wahl hinzuziehen, wenn die Betriebsvertretung keine sachlich begründeten Vorbehalte anmeldet (BAG, Beschl. v. 14.4.1988 – 6 ABR 28/86, PersR 1988, S. 327).

Ausländische Arbeitnehmer mit stark eingeschränkten Sprachfähigkeiten sind vor Einleitung der Betriebsratswahl über das Wahlverfahren etc. in geeigneter Weise zu unterrichten (§ 2 Abs. 5 Wahlordnung – WO). Es ist darauf abzustellen, ob sie sprachlich in der Lage sind, die komplizierten Wahlvorschriften und das Wahlausschreiben zu verstehen. Davon kann man bei ungelernten Mitarbeitern im Zweifel nicht ausgehen.

Wichtig

Eine Verletzung dieser Vorschrift berechtigt dazu, die Wahl nach § 19 BetrVG anzufechten, auch wenn § 2 Abs. 5 WO nach dem Wortlaut nur eine Soll-Vorschrift ist (BAG, Beschl. v. 13.10.2004 – 7 ABR 5/04, AuA 3/05, S. 177 f.).

Fazit

Dem Thema „Sprache“ kommt wachsende Bedeutung zu. Es ist angesichts der Diskussion um Migration und Fremdenfeindlichkeit auch betrieblich heikel. Kenntnisse der aktuellen Rechtsprechung sind somit wichtig.

Arbeitgeber dürfen Sprachfähigkeiten dort und in dem Maß in Anforderungsprofile aufnehmen, wie dies sachlich erforderlich ist. Andernfalls droht babylonischer Sprachwirrwarr, an dem schon biblische Großprojekte wie der Turmbau zu Babel scheiterten (Gen 11,1-9).

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 6/10