Im Boomjahr 2008 waren 8.279 Personalverantwortliche zu der Messe nach Köln gekommen. „Dieses tolle Ergebnis haben wir mit der Umstellung auf drei Tage noch einmal um 3.246, also 40 Prozent, gesteigert“, kommentierte Alexander Petsch, Geschäftsführer des Veranstalters spring Messe Management kurz nach der Zukunft Personal. „Solche Besucherzahlen hätten wir angesichts der aktuellen Krise mit zwei Tagen sicherlich nicht erreicht.“ Die Skepsis unter den Ausstellern sei zwar groß gewesen, doch inzwischen hätten die meisten ihre Vorbehalte revidiert.

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Foto von bruce mars

„Wir waren sehr zufrieden mit dem Ergebnis“, sagte Konrad Schlebusch, Geschäftsführer der HR4YOU Solutions GmbH & Co. KG. Auch Gregor Minichberger, Leiter Recruiting-Software von epunkt Internet Recruiting, freute sich über den guten Erfolg: „Wir hatten sehr viele Besucher am Stand und waren absolut ausgelastet. Außerdem war aus unserer Sicht sehr qualifiziertes Publikum da.“ Potenzielle Kunden hätten genau gewusst, was sie wollten, und zielgerichtet gefragt – hauptsächlich nach Bewerbermanagement und eRecruiting. Angesicht einer steigenden Menge von Bewerbungen gehe es ihnen darum, die Unterlagen effizienter und kostensparender handhaben zu können. „Ein Thema sind für viele Unternehmen auch soziale Medien und Plattformen im Internet“, berichtete Minichberger. Sie beschäftigten sich damit, wie man sich hier präsentiere und rekrutiere. Es werde immer wichtiger, verschiedene Recruiting-Kanäle zu finden – jenseits der altbekannten Printanzeige oder dem Inserat auf der eigenen Website.

Das bestätigte auch eine Podiumsdiskussion des Online-Portals HRM.de und der Süddeutschen Zeitung. Man nehme das Internet bei Stellenbesetzungen inzwischen auf jeden Fall zu Hilfe, betonte Dr. Dieter Kanne von der Evonik Industries AG. Schon allein Google biete eine Vielzahl an Profilen. Netzwerke wie Xing oder Facebook seien auch ein Thema, aber häufig könnten deren Inhalte auch Jobbörsen abdecken. Es sei deshalb wichtig zu wissen, welche Jobbörse mit welchen Netzwerken zusammenarbeite. „Wenn es um Top-Experten geht, läuft aber meistens eine ganze Maschinerie“, so der Recruiter Kanne. Manchmal sei eben doch eine Printanzeige das Mittel der Wahl.

Andreas Doppler, Talent Management Marketing und Bindung der Commerzbank Group HR, wies darauf hin, dass im Netz zunehmend Fingerspitzengefühl gefragt sei. „Jedes Unternehmen muss sich überlegen, wie es auf das Verhalten ihrer Mitarbeiter im Netz einwirken möchte“, sagte der Personaler. Die Beschäftigten seien Botschafter und ungeschickte Einträge in Netzwerken wirkten auf das Unternehmen zurück. Es sei schon vorgekommen, dass Mitarbeiter beispielsweise bei Twitter einen Eintrag gemacht hätten, wie langweilig ihnen am Arbeitsplatz sei. Auf die darauf folgenden Diskussionen im Netz, die Qualität als Arbeitgeber betreffend, müssten sich Unternehmen einstellen. Wer jedoch seinen Mitarbeitern vorschreibe, wie sie sich im Internet verhalten sollten, verliere an Glaubwürdigkeit und Authentizität. „Wir mischen uns da nicht ein“, so Doppler. Demnächst möchte die Commerzbank trotz aller Unsicherheiten mit einem Tweet bei Twitter an den Start gehen. „Wir müssen da hin, wo unsere Zielgruppe ist.“ Der Aufwand sei jedoch nicht zu unterschätzen. Denn es sollten auch die entsprechenden Ressourcen im Unternehmen vorhanden seien, um auf Anfragen über das schnelllebige Instrument umgehend reagieren zu können.

Weiterbildung für Vertrieb und Führung gefragt

Das Thema betriebliche Weiterbildung war mit rund 220 Ausstellern am stärksten auf der Messe vertreten. Viele Firmen hätten jetzt wieder Bedarf an Trainings, aber die Themenpalette verschiebe sich etwas, berichtet Jasper Dehner, zuständig für Messeplanung und Organisation der Konstanzer Seminare. „Ganz stark sind Vertriebs- und Führungstrainings gefragt.“ Das unterstrich auch Nicole Rengelshausen von Insights Group Deutschland GmbH: „Unternehmen investieren auch heute noch in den Sales-Bereich, weil die Produkte und Dienstleistungen verkauft werden müssen und die Mitarbeiter das entsprechende Handwerkszeug dazu brauchen.“ Unternehmen suchten in der Krise auch Unterstützung für Changeprozesse. Es sei ein großes Thema, wie Personalentwickler Führungskräfte darauf besser vorbereiten können.

In den durchwegs gut gefüllten Praxisforen entpuppten sich ähnliche Themen als Publikumsrenner: Was Führungskräfte bei jeder Form von Veränderung beachten sollten, verdeutlichten Experten in der Podiumsdiskussion „Change – nein, Danke! Wie viel Veränderung vertragen Mitarbeiter?“, organisiert von der Zeitschrift „Wirtschaftspsychologie aktuell“. Das bis zum letzten Stehplatz gefüllte Forum zeigte, dass die Organisatoren mit dem Thema den Nerv der anwesenden Personalverantwortlichen trafen.

„Bisher habe ich den Begriff Change nur als Rosskur erlebt“, sagte Claudio Ingendaay, Senior Berater der YouGovPsychonomics AG. Der Begriff tauche wie jetzt vor allem in Krisensituationen auf. Der Wandel und Dialog, der eigentlich ständig stattfinden müsse, werde häufig überbewertet und bekomme einen negativen Touch. „Man sollte Change nicht wie einen Knüppel verwenden, denn es ist ja ein normaler Prozess“, so Ingendaay. Viele Dinge verlören ihre Dramatik, wenn man sich vorher darauf einstelle. „Dabei auftretende Probleme sind also etwa so überraschend, wie wenn Weihnachten plötzlich kommt“, gab der Berater zu Bedenken.

„Kopfmäßig wissen wir, dass wir uns verändern müssen, aber unser Bauch verbreitet eine andere Botschaft. Und diese Spaltung haben Sie auch in der Belegschaft“, analysierte Prof. Dr. Heidi Möller, Diplom-Psychologin und Professorin für Theorie und Methodik der Beratung an der Universität Kassel. Es gebe Leute, die sagten immer „Hurra, was neues“ und andere, die sich vor jedem Wandel sträubten. Gefragt sei die Balance zwischen den Hurrasagern und den Bewahrern. Jeder Mitarbeiter mache bei Veränderungen eine sekundenschnelle Rechnung auf: „Was gewinne ich und was verliere ich“ und nehme eine entsprechende Position ein. „Diese Botschaft gilt es dann zu entschlüsseln.“

Dialog mit Führungskräften und Mitarbeitern

Personalmanager sollen, so die Meinung vieler Experten vor Ort, Führungskräfte bei dieser schwierigen Aufgabe unterstützen. Ihre Qualifizierung hat deshalb auch in Krisenzeiten Konjunktur. Doch genügt es, sich lediglich auf die Besten in den eigenen Reihen zu konzentrieren? Dieses Thema brachte die Zeitschrift Personalwirtschaft mit der Podiumsdiskussion „Personal normal“ in die Messe ein. Stein des Anstoßes für diese Diskussion hatte Siegfried Baumeister, Personalleiter bei der Voss Automotive GmbH und Mitglied der Selbst GmbH, mit der Kolumne „Vergesst die arbeitende Mehrheit nicht“ im Personalmagazin gegeben. „Vielen Personalern fehlt der Kontakt zur Basis“, sagte er auch auf dem Messepodium.

Diskussionsstoff lieferte eine Studie der Fachhochschule Koblenz zum Image von Personalmanagern in der Belegschaft. „Zwei Drittel der Befragten gab an, dass HR den Bedarf der Abteilungen und der Mitarbeiter nicht kennt“, so Prof. Dr. Christoph Beck. Richtig gefunden habe sich das Personalmanagement jedenfalls noch nicht. Die meisten definierten beispielsweise nicht, was sie mit Talentmanagement meinten. „Talentmanagement sollte nichts mit Hierarchiestufen zu tun haben“, forderte Kai Anderson, Partner bei der Unternehmensberatung Promerit AG. Führungsmanagement müsse von Talentmanagement entkoppelt sein – und in vielen Fällen gelinge das auch.

„Es geht immer um das Sowohl-als-auch – um den Kontakt mit den Schichtarbeitern und den Ingenieuren“, stimmte Baumeister ihm zu. Einerseits plädierte er für mehr Einfluss auf die Auswahl und Qualifizierung von Führungskräften. Anderseits appellierte er an die Personaler, die Basis nicht den Gewerkschaften zu überlassen. „Die Personalfunktion hat die Aufgabe, Instrumente für Unternehmenskultur und Talentmanagement zu entwickeln und zu kontrollieren“, sagte hingegen Gero Hesse, Senior Vice President Human Resources bei Bertelsmann. Bisher sei er selten auf Widerstand gestoßen, wenn er versucht habe ein paar Leute „aus dem Goldfischteich“ besonders zu fördern und im Unternehmen zu halten. Viele Mitarbeiter etwa auf Sachbearbeiterebene akzeptierten das und wollten eine solche Karriere gar nicht machen.

Die Podiumsdiskussion wie auch die gesamte Messe zeigten damit exemplarisch: Die Meinungen über das richtige Aufgabenprofil von Personalern sind verschieden. Doch die Erkenntnis ist angekommen, dass HR dies- und jenseits der Krise einen wachsenden Anteil am Gesamterfolg eines Unternehmens hat.