Problempunkt

Ein leitender Angestellter hat bei einem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abgeschlossenen Sozialplan keine Ansprüche aus diesem, da der Betriebsrat ihn nicht vertritt. Trotzdem wird häufig versucht, auch die leitenden Angestellten in den Anwendungsbereich einzubeziehen. Unklar war bislang, ob die Betriebsparteien einen Sozialplananspruch für leitende Angestellte überhaupt wirksam vereinbaren können und wenn ja, welche Bedingungen dafür erfüllt sein müssen.

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Im vorliegenden Fall schlossen der Arbeitgeber, der Betriebsrat und der Sprecherausschuss für die leitenden Angestellten einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Die Verhandlungen führte auf Seiten des Arbeitgebers u. a. der mit Prokura ausgestattete kaufmännische Leiter – und spätere Kläger. Die Parteien regelten die Anwendbarkeit des Interessenausgleichs und des Sozialplans auf die leitenden Angestellten jeweils in einem gesonderten Paragraf. Der Kläger verlangte als leitender Angestellter nach einer Eigenkündigung Abfindung aus dem Sozialplan. Das Arbeitsgericht wies den Abfindungsanspruch ab, das LAG gab ihm statt.

Entscheidung

Das BAG stellte das erstinstanzliche Urteil wieder her, da der Sozialplan nach seiner Auslegung Abfindungen für Eigenkündigungen nur für bestimmte Sachverhalte vorsah, die hier nicht gegeben waren. Die Richter machten aber eingangs deutlich, dass ein Sozialplan nicht von vornherein gänzlich ungeeignet ist, Ansprüche leitender Angestellter unmittelbar zu begründen, vgl. auch Schmitt-Rolfes, AuA 1/10, S. 7.

Zunächst stellt das Gericht klar, dass die Regelungskompetenz hierfür keinesfalls dem Betriebsrat zusteht. Das Betriebsverfassungsgesetz findet nach § 5 Abs. 3 Satz 1 keine Anwendung auf leitende Angestellte. Selbst Vereinbarungen zwischen dem Sprecherausschuss und dem Arbeitgeber gelten nur unmittelbar und zwingend wie Betriebsvereinbarungen, wenn die Parteien diese Wirkung gemäß § 28 Abs. 2 Sprecherausschussgesetz (SprAuG) ausdrücklich vereinbart haben. Sonst liegt nur eine Richtlinie nach § 28 Abs. 1 SprAuG vor, die jeder einzelne leitende Angestellte noch einmal individuell bestätigen müsste.

Nach dem BAG muss sich aus der Vereinbarung ausdrücklich ergeben, dass die Regelung unmittelbar und zwingend für leitende Angestellte gilt. Dies braucht aber nicht etwa gesondert zu geschehen, z. B. in einer getrennten Urkunde. Es reicht, wenn der gemeinsame Wille von Sprecherausschuss und Arbeitgeber aus der Bestimmung selbst „deutlich und zweifelsfrei“ hervorgeht. Die Rechtssicherheit gebietet, dass der leitende Angestellte die zwingende Wirkung für sein Arbeitsverhältnis zuverlässig erkennen kann.

Dies liegt hier vor: Der Sozialplan führt den Sprecherausschuss nicht nur als Vertragsschließenden auf, der lediglich mit unterschrieben hat, sondern betont ausdrücklich in einem gesonderten Abschnitt, dass die Vereinbarung auch für leitende Angestellte gilt. Darüber hinaus sind die Regelungen des Sozialplans auch so präzise, dass sie nach Meinung des BAG ohne Weiteres unmittelbar Anwendung finden können und es keiner konkretisierenden Transformation bedarf.

Zusätzlich stellte das Gericht klar, dass Sprecherausschussvereinbarungen gemäß § 28 Abs. 2 SprAuG im Zweifelsfall ebenso wie Sozialpläne und Betriebsvereinbarungen auszulegen sind. Da sie wie Gesetze wirken, ist vom Wortlaut und Wortsinn auszugehen. Darüber hinaus sind Gesamtzusammenhang und Systematik sowie insbesondere Sinn und Zweck der Bestimmung zu berücksichtigen. Der eigentliche Wille der Betriebsparteien ist aber nur relevant, soweit er im Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat.

Konsequenzen

Es ist dem BAG zu danken, dass es für die betriebliche Praxis grundsätzlich Klarheit darüber geschaffen hat, ob und wie es möglich ist, bei Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen Ansprüche leitender Angestellter rechtswirksam herzustellen. Schließlich hätten die Richter für die bloße Entscheidung über den Anspruch des Klägers auf Abfindung auch offenlassen können, ob Sozialpläne grundsätzlich dafür geeignet sind und welche Voraussetzungen gelten. Da aber Fälle mit Bezug zum SprAuG beim BAG Seltenheitswert haben, war es ihm offenbar ein Anliegen, Rechtsklarheit herzustellen.

Arbeitgeber und Sprecherausschuss können Ansprüche leitender Angestellter demnach rechtssicher in Sozialplänen vereinbaren. Das BAG machte jedoch deutlich: Die in der Praxis bisweilen anzutreffende Methode, den Sprecherausschuss bei den Verhandlungen zunächst außen vor zu lassen und ihn dann nur zur Unterzeichnung des Sozialplans hinzuzubitten, reicht nicht aus. Vielmehr ist zu empfehlen, ihn in die Erarbeitung des Textes einzubinden. Nur dadurch gelingt es, die vom Gericht geforderte Klarheit und Anwendbarkeit aller Regelungen auch für leitende Angestellte sicherzustellen. Bei Verhandlungen außerhalb der Einigungsstelle scheint dies problemlos möglich zu sein.

Praxistipp

Aufgrund der vom BAG zusätzlich aufgezeigten Auslegungsregeln sollte der Sozialplan (und ggf. auch der Interessenausgleich) in einem gesonderten Abschnitt klar und deutlich die unmittelbare und zwingende Wirkung aller Regelungen für die leitenden Angestellten aufführen. Außerdem müssen die Bestimmungen aus sich heraus – ohne weitere individuelle Vereinbarungen mit den leitenden Angestellten – direkt anwendbar sein, also alle Besonderheiten von Verträgen mit leitenden Angestellten berücksichtigen. Ist z. B. die Gehaltsstruktur von leitenden Angestellten mit den Abfindungsregeln für die nicht leitenden Beschäftigten unvereinbar, empfiehlt es sich, auch hier gesonderte, klarstellende Passagen in den Sozialplantext einzufügen, um den Anforderungen des BAG rechtssicher zu genügen.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 2/10