Der Fokus lag auf Themen, die als Top-Punkte in Unternehmen diskutiert werden: Talentkrise, Aging Work-force, steigende globale Mobilität sowie organisatorische und kulturelle Veränderungen, die aus der hohen Geschwindigkeit des Geschäftswandels resultieren. Ziel war es, die Entwicklung dieser Themen im nächsten Jahrzehnt zu analysieren und herauszuarbeiten, wie Organisationen mit diesen umgehen sollten, um erfolgreich weiter zu bestehen. Mit Hilfe der Szenariotechnik und aus der Analyse und der Diskussion der HR-Herausforderungen wurden die Auswirkungen auf die Unternehmensorganisation sowie Implikationen für die Personalarbeit und die Personalfunktion entwickelt. Die Ergebnisse wurden durch eine Befragung von 2739 Millennials (nach 1980 Geborene) zu ihren Erwartungen an die Personalarbeit validiert.

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Foto von Headway

Drei Welten der Personalarbeit

Unter Berücksichtigung bekannter sozioökonomischer Trends stellen sich für die Personalarbeit zukünftig drei wesentliche Anforderungen:

1. Geschäftsmodelle werden sich nachhaltig verändern und dies mit steigender Geschwindigkeit. Technologie, Globalisierung, demografische Rahmenbedingungen werden Organisationen, ihre Strukturen und Kulturen beeinflussen. Drei Szenarien sind hier denkbar:

  • Große Konzerne wandeln sich in Ministaaten und übernehmen prominente gesellschaftliche Rollen.
  • Ökologische Herausforderungen beeinflussen fundamental Geschäftsstrategien.
  • Spezialisierung fördert die Entstehung von Netzwerken.

2. Personalführung wird eine der größten Herausforderungen. Durch radikalen Wandel der Geschäftsmodelle werden Unternehmen sich mit neuen Erfordernissen auseinander setzen müssen:

  • Zunehmende soziale Verantwortung von Unternehmen für die Mitarbeiter reduziert die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben.
  • Produktivität und Leistung sollen mit Hilfe von stringenten Mitarbeiterbeurteilungstechniken gesteuert werden.
  • Sozialbewusstsein stellt den Treiber für Erfolg dar.

3. Die Rolle der Personalfunktion wird sich weithin fundamental wandeln. Sie steht heute mit der Einrichtung von Shared Services und HR Business Partnern an einer wesentlichen Entwicklungsweiche. Folgende weiterführende Wege zeichnen sich für die Zukunft ab:

  • Mit pro-aktiver, geschäftsorientierter Denkweise wird HR der Mittelpunkt der Organisation und beeinflusst die Geschäftsausrichtung maßgeblich.
  • HR wird der Treiber der sozialen Verantwortung innerhalb einer Organisation.
  • Die Personalfunktion wird als ausschließlich administrativ betrachtet und nahezu ganz ausgelagert.

Auf der Basis dieser Entwicklungen und in Verbindung mit wesentlichen, generell beobachtbaren Einflüssen, die mit Individualität (versus Kollektivität) und Integration (versus Fragmentierung) zusammengefasst werden, lassen sich drei mögliche Welten für die Personalarbeit darstellen: Corporate is king, Companies care, Small is beautiful.

Corporate is king

 

Hier stehen die großen Global Player im Mittelpunkt. Wie bei den Geschäftmodellen, die von Unternehmen wie General Motors Mitte des vergangenen Jahrhunderts gefördert wurden, stellen Konzerne das Pendant eines Wohlfahrtsstaates für ihre Mitarbeiter dar. Ziel ist es, wichtige Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Mitarbeiter dieser Mega-Konzerne erhalten deshalb alles, was sie brauchen, während Angestellte kleinerer Unternehmen sich selbst mit aufwändigen Fragestellungen wie Altersversorgung, Krankenversicherung und Weiterbildungsleistungen auseinandersetzen müssen. Konzernkarriere gilt als Erfolgsmodell in der Gesellschaft. Mit „high speed wireless“-Netzwerken und kreditkartengroßen Zugangsgeräten werden differenzierte Kundenbedürfnisse noch mehr dominieren und aufzeigen, was der Einzelne mit welchen Eigenschaften will, und wo dieses Produkt zügig verfügbar ist.

In dieser Welt treibt der Chief People Officer die Personalführung. Diese- wandelt sich dahingehend, dass Unternehmen effiziente, durch interne Shared Services unterstützte Dienstleistungsanbieter für ihre Mitarbeiter werden. Services umfassen Immobilienmaklerei und –verwaltung, Alters- und Gesundheitsversorgung oder selbst Ausbildung für die Kinder der Mitarbeiter. Damit werden die Abwanderungsraten von Mitarbeitern reduziert und Talente gehalten. Top-Talente, die sich zunehmend mit persönlichen Arbeitsmarktagenten ausstatten, bleiben allerdings auch in dieser Welt weiter knapp. Mit der Unternehmensgröße bedarf es des Aufbaus und der Pflege einer einheitlichen Kultur als Integrationsmaßnahme. Diese ist maßgeblich bei Rekrutierungsentscheidungen wie auch bei der Aus- und Weiterbildung. Die steigenden direkten und indirekten Mitarbeiterkosten werden durch robuste Kennzahlen und deren Analyse nachhaltig gesteuert.

Companies care

In diesem Szenario entwickeln Unternehmen ein starkes soziales Gewissen und ein ökologisches Verantwortungsbewusstsein. Gesellschaft und Wirtschaft stimmen ihre Programme aufeinander ab. Die sozial-ökologische Gesinnung ist vorherrschend, Kunden verlangen vor allem ethische und ökologische Verhaltensweisen und Referenzen. Unternehmen müssen flexibel sein, um auf ökologische Bedenken der Kunden zu reagieren. Hier ist eine klare Kommunikation über Verhaltensweisen, Produkte und Dienstleistungen und die nachweisliche Einhaltung (ökologischer) Standards maßgeblich. Aber auch die Kontrolle von Zulieferern wird immer entscheidender, was zu Übernahmen und Reintegration von Schlüsselkomponenten der Wertschöpfungskette führt. Der Unternehmensführer treibt die Mitarbeiterstrategie für seine Organisation selbst. Gestrebt wird nach Nachhaltigkeit. Da Bewerber Arbeitgeber mit starkem ökologischem und sozialem Bewusstsein suchen, muss das Personalwesen hierfür geeignete Programme entwickeln. Die Mitarbeiter andererseits werden angehalten sich nach ökologischen Werten zu verhalten und werden durch Anreiz- und Beurteilungssysteme darauf ausgerichtet. Geschäftsreisen für interne Meetings wie aber auch mitunter zu Kunden werden reduziert und ersetzt durch technologisch unterstützte Sitzungslösungen. Den daraus resultierenden Herausforderungen werden durch HR mit der Organisation von virtuellen sozialen Netzwerken begegnet.

Small is beautiful

Die dritte Welt ist das radikalste Szenario. Handelsschranken fallen und lassen eine wahrhaftig freie Marktwirtschaft entstehen. Das globale Geschäftsleben teilt sich, lokale Ausrichtungen überwiegen, das Wirtschaftsgeschehen basiert auf einem pulsierenden mittelständisch geprägten Markt mit vielen kleineren Unternehmen, Subunternehmern und Freiberuflern. Technologie ermöglicht ein effizientes High Tech-Geschäftsmodell. Netzwerke gedeihen während die Existenz großer Unternehmen immer unsicherer wird. Wertschöpfungsketten werden damit heterogener. Mitarbeiter verfolgen in dieser Welt eine Portfolio-Karriere, in der sie eher kurzfristigere freiberufliche Arbeitsverhältnisse anstreben. Dabei schließt man sich in Berufsinnungen zusammen, um Karrieremöglichkeiten oder Weiterbildungsmaßnahmen, aber auch Gesundheits- und Altersversorgungsaspekte zu regeln. Professionelle Portale bieten Zugang und Bindung.

Verantwortlich für die Personalarbeit ist der People Sourcing Director. Aufbau und Pflege von Beziehungen zu Mitarbeitern, kritischen Ressourcen und Netzwerken sind die Basis für den Unternehmenserfolg. Dieses wird auch in Performance Management und Anreizprogrammen berücksichtigt. Rekrutierung ist vor allem eine Beschaffungsfunktion und wird zusammengelegt mit der Verwaltung von Rahmenverträgen und Konditionsvereinbarungen. Arbeitsverträge sind flexibel, um den Personalbestand anforderungsgerecht anpassen zu können.

Es erscheint plausibel, dass alle drei beschriebenen Modelle in der Zukunft auch parallel Bestand haben können. Wir sehen schon heute multinationale Unternehmen, die sich in die Richtung versorgende Unternehmenswelt entwickeln. Unternehmen der Versorgungs- und Energiewirtschaft zeigen Elemente der umweltorientierten Welt. Auch für Handels- und produzierende Unternehmen sind Aspekte dieser Welt vorstellbar. Ökologische Kundenbedürfnisse haben einen enormen Einfluss. Die Netzwerk-Welt andererseits führt die größten Veränderungen mit sich. Können Netzwerke globale integrierte Konzerne ersetzen? Werden Portfoliokarrieren zukünftig vorherrschen? Der Personaler kann sich mithilfe dieser Szenarien mit der Zukunft und der Stellung seiner Arbeit und seines Bereichs auseinandersetzen: Durch Betrachtung der Geschäftsstrategie, der eigenen Organisation sowie der Personalstrategie und unter Berücksichtigung der Fragestellung, wie sich diese vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Welten verändern und ausrichten würden. Sind HR-Strategie und -Organisation in der Lage, die Veränderungen im Unternehmen ausreichend und nachhaltig zu unterstützen?

Für die HR-Funktion wird aus dieser Modellentwicklung noch einmal sehr deutlich: Das Personalwesen hat eine klare Möglichkeit, in Organisationen Themenstellungen der Personalführung voranzutreiben, darüber Geschäftsstrategien aktiv mit zu gestalten und sogar eine der einflussreichsten Rollen im Unternehmen zu übernehmen. Aber: Falls HR dem nicht nachkommen kann, ist es ebenso vorstellbar, dass die Funktion weitgehend ausgelagert oder von Aufgabenfeldern der Linienmanager oder anderen Servicefunktionen absorbiert wird. Die Herausforderung für Personalmanager geht weiter. Sie liegt darin, wie die Funktion ihre Relevanz im Unternehmen kapitalisiert.

Internet-Tipp

 

Die Studie „Managing tomorrow’s people, The future of work to 2020“ kann bei PricewaterhouseCoopers im Internet kostenfrei heruntergeladen werden. www.pwc.com (Rubrik Publications)

Quelle: PERSONAL – Heft 03/2008