Das BAG schloss sich den Vorinstanzen an. Die Kündigung ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Diese liegen nur vor, wenn außeroder innerbetriebliche Umstände dazu führen, dass sich der Bedarf an Arbeitskräften dauerhaft reduziert hat. Dem Arbeitgeber obliegt es, anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darzulegen, weshalb es sich nicht nur um eine kurzfristige Auftragsschwankung handelt, sondern er einen dauerhaften Rückgang des Arbeitsvolumens erwartet. Dazu muss er die einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander vergleichen (BAG, Urt. v. 18.5.2006 – 2 AZR 412/05).
 
Wird im Betrieb bereits Kurzarbeit geleistet, spricht das zunächst nur für einen vorübergehenden Arbeitsmangel. Dieses Indiz kann der Arbeitgeber jedoch durch konkreten Sachvortrag entkräften. Entfällt die Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne Arbeitnehmer in Kurzarbeit aufgrund weiterer Umstände später dauerhaft, kann ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung bestehen (BAG, Urt. v. 26.6.1997 – 2 AZR 494/96).

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Foto von Austin Distel

Der Arbeitgeber muss allerdings zunächst alle Möglichkeiten ausschöpfen, die er mit dem Ziel geschaffen hat, durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Dazu gehört es auch, die vereinbarte Kurzarbeit in vollem Umfang zu nutzen.
 
Die Beklagte war daher nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet, von der Erlaubnis in der Betriebsvereinbarung, die wöchentlich geschuldete Arbeitszeit der Mitarbeiter auf 14 Stunden abzusenken, Gebrauch zu machen. Erst wenn dann noch ein Arbeitskräfteüberhang bestanden hätte, wäre u. U. von einem dringenden betrieblichen Erfordernis auszugehen gewesen.

Die Frage, ob sich betriebsbedingte Kündigungen durch Kurzarbeit vermeiden lassen, tritt in der Praxis häufig auf. Der 2. Senat hatte am 25.6.1964 (2 AZR 382/63) noch entschieden, dass im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen sei, ob die Einführung von Kurzarbeit eine betriebsbedingte Kündigung verhindern kann.
 
Dagegen vertrat der 1. Senat am 4.3.1986 (1 ABR 15/84) die Auffassung, solange der Betriebsrat sein Initiativrecht zur Einführung von Kurzarbeit nicht ausgeübt hat, sei bei der Prüfung, ob betriebliche Gründe vorliegen, nicht darauf abzustellen, ob Kurzarbeit eine Kündigung hätte vermeiden können. 

Dass die eingeführte Kurzarbeit ein Indiz für einen nur vorübergehenden Arbeitsmangel ist, machte der 2. Senat in seiner Entscheidung vom 26.6.1997 (a. a. O.) deutlich. Er ließ dabei mittelbar anklingen, dass Kurzarbeit bei vorübergehendem Arbeitsmangel u. U. der Vorrang einzuräumen ist.
 
In der vorliegenden Entscheidung stellte das BAG nunmehr klar, dass zumindest dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer Betriebsvereinbarung bei Ausspruch der Kündigung die Möglichkeit besitzt, die Arbeitszeit mittels Kurzarbeit zu reduzieren, er davon wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in vollem Umfang Gebrauch zu machen hat. Ob er hingegen vor der Kündigung mit Blick auf das Ultima-RatioPrinzip gezwungen ist, zunächst Kurzarbeit anzuordnen, lässt das BAG weiterhin offen.

Haben Arbeitgeber bereits weniger belastende Maßnahmen ergriffen, z. B. Flexibilisierung der Jahresarbeitszeit oder Kurzarbeit, ist ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung erst anzunehmen, wenn sie diese Möglichkeiten in vollem Umfang ausgeschöpft haben und dennoch kein weiterer Beschäftigungsbedarf besteht. Dabei spricht die Einführung von Kurzarbeit zunächst dagegen, dass dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen. Der Arbeitgeber muss dann weiter vortragen, warum der Rückgang des Arbeitsvolumens dauerhaft und nachhaltig ist, z. B. indem er die üblichen Auftragseingangszahlen aus repräsentativen Referenzzeiträumen vergleicht.
 
Es bleibt abzuwarten, wie das BAG die Frage entscheiden wird, ob der Arbeitgeber vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung verpflichtet ist, Kurzarbeit einzuführen. Zumindest dort, wo er seine Unternehmerentscheidung auf innerbetriebliche Gründe, z. B. eine (Teil-)Betriebsstilllegung stützt, sprechen die besseren Gründe gegen eine solche Pflicht. Sie würde in die Unternehmerentscheidung eingreifen.
 
In Betrieben mit Betriebsrat ist nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung allerdings davon auszugehen, dass solange das Gremium von seinem Initiativrecht zur Einführung der Kurzarbeit keinen Gebrauch gemacht hat, die Gerichte nicht prüfen, ob Kurzarbeit die Kündigung hätte vermeiden können. Die unterinstanzlichen Gerichte neigen dagegen bei betriebsratslosen Betrieben und einer selbstbindenden Entscheidung des Arbeitgebers dazu, Kurzarbeit als milderes Mittel in Erwägung zu ziehen (ArbG Dessau-Roßlau, Urt. v. 18.6.2009 – 10 Ca 77/09).
 
 
Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht · 10/12

Kurzarbeit soll einen lediglich vorübergehenden Arbeitsmangel überbrücken. Dagegen setzt die betriebsbedingte Kündigung voraus, dass der Bedarf an Arbeitskräften dauerhaft gesunken ist. Wird im Betrieb bereits Kurzarbeit geleistet, ist die betriebsbedingte Kündigung nur zulässig, wenn zu den Voraussetzungen für die Kurzarbeit weitere Gründe hinzutreten, die einen Beschäftigungsbedarf auf Dauer entfallen lassen.
 
Die Beklagte und ihr Betriebsrat beschlossen, in einzelnen Produktionsbereichen Kurzarbeit einzuführen, um Entlassungen zu vermeiden. Die Betriebsvereinbarung sah vor, die Arbeitszeit auf 14 Stunden/Woche zu reduzieren. Angesichts weiterer rückläufiger Aufträge entschloss sich die Beklagte jedoch, trotzdem zahlreiche Arbeitsplätze abzubauen. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie dem Kläger ordentlich. Dieser wehrte sich gegen die Kündigung. Die Beklagte habe weder hinreichend dargelegt, dass die Produktion dauerhaft zurückgegangen sei noch dass sich das Arbeitsvolumen nach Einführung der Kurzarbeit reduziert habe. Arbeitsgericht und LAG gaben der Kündigungsschutzklage statt.