Welchen Einfluss die Raumgestaltung aus Sicht des Personalmanagements auf den Erfolg eines Unternehmens hat, ermittelte die Universität Sheffield 2005 in einer Studie : Die überwiegende Mehrheit der befragten Personalverantwortlichen in Großbritannien hielt das Thema für wichtig, beispielsweise um Mitarbeiterzufriedenheit und -leistung zu steigern, Zusammenarbeit zu fördern und gutes Personal anzuwerben. Den Zusammenhang zwischen Bürogestaltung und Arbeitsleistung untermauerte eine umfassende Studie des Fraunhofer Institutes für Arbeitsorganisation auch für Deutschland. Demnach schafft eine hohe Gestaltungsqualität im Büro Rahmenbedingungen für bessere Leistung.

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Foto von John Schnobrich

Dennoch ist es um die architektonische Qualität von Büroräumen eher schlecht bestellt. Für deutsche Bürogebäude prognostizierte TH Projektmanagement in einer Untersuchung für die nächsten fünf Jahre einen Investitionsbedarf von 38 Milliarden Euro für Sanierungen und Modernisierungen . Und auch die Mitarbeiterzufriedenheit lässt generell zu wünschen übrig, wie der aktuelle „Engagement Index“ des Gallup Instituts belegt: Laut der Studie haben 20 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland bereits innerlich gekündigt. Die Zufriedenheit mit einem Arbeitsplatz in durchschnittlichen Unternehmen bezifferte das Architektur- und Beratungsbüro Gensler für Großbritannien auf lediglich 26 Prozent.

Aktivitätsmuster aufzeichnen

Wie lässt sich also die Qualität von Büroarchitektur verbessern? Welche Raumstrukturen erfordert das Arbeiten in der Wissensgesellschaft, in der sich Arbeitsprozesse immer schneller verändern, gewohnte Strukturen auflösen, Flexibilität gefragt ist und Technologie unser Miteinander zu bestimmen scheint? Um diese und ähnliche Fragen zu beantworten, arbeitet das Londoner Architekturbüro Spacelab seit Jahren mit der am University College London entwickelten Methode „Space Syntax“ . Mit ihren Werkzeugen lassen sich räumliche Beziehungssysteme analysieren sowie davon beeinflusste menschliche Aktivitätsmuster simulieren. Damit können Architekten die Funktionalität verschiedener Entwurfsvarianten im frühen Stadium eines Projekts testen und optimieren.

Diese Technik basiert auf einer detaillierten Analyse von Grundrissen. Ein beliebiger Raum wird dabei in seine Einzelteile zerlegt, um die relationale Struktur von Verknüpfungen im Raum zu untersuchen. Eine der wichtigsten Analysemethoden für Bürogebäude ist die so genannte strategische Sichtbarkeitsanalyse (Abbildung 1). Sie misst das Potenzial der verschiedenen Orte innerhalb eines Gebäudes in Bezug auf Zentralität, Orientierung und visuelle Kontrolle. Dass diese Aspekte eines Raumes tatsächlich mit den Aktivitäts- und Kommunikationsmustern einer Organisation zusammenhängt, lässt sich in empirischen Studien nachweisen. Wie in einem Wärmebild sind nun zentrale Orte im Gefüge des Raumsystems als Zeichen intensiver Aktivität in rot markiert und eher abgeschnittene (segregierte) Orte in blau. So können Unternehmen auf einen Blick immaterielle Qualitäten des Raumes, nämlich wahrscheinliche Auswirkungen auf menschliche Aktivitäten erfassen.

Abb. 1

Raumanalyse in der Praxis einsetzen

In einem 2008 fertiggestellten Projekt hat das Architekturbüro Spacelab offene und transparente Räume geschaffen, um zwei irische Radiosender des gleichen Eigentümers in einem neuen Funkhaus unterzubringen. Eine Sichtbarkeitsanalyse mit Space Syntax half dabei, das dreigeschossige Gebäude zu strukturieren und die Geschosse so zu verbinden, dass gute Kommunikation und Interaktion zwischen den Sendern möglich ist. Verschiedene Szenarien waren im Gespräch: die Verbindung der drei Geschosse durch eine kleine zweiläufige Treppe, keine Treppe und lediglich Aufzüge sowie eine großzügige Treppenanlage mit angrenzendem Luftraum und einer Erschließung von oben nach unten, so dass Besucher und Mitarbeiter das Gebäude im obersten Stock betreten.

Abb. 2

Abbildung 2 zeigt in einer Simulation, wie diese verschiedenen Entwurfsalternativen zu unterschiedlich integrierten und damit ungleich belebten Räumen geführt hätte. Die zentrale Treppe in Alternative drei schafft verbindende und offene Räume, die den Wissensaustausch und die Kommunikation jenseits von Stockwerken zu fördern vermögen. Gleichzeitig entsteht eine Vielfalt von Raumqualitäten – von sehr segregierten zu sehr integrierten Räumen, die das Funkhaus für verschiedene Aktivitäten strategisch nutzen kann. Diese Raumanalyse vereinfachte die Diskussionen mit dem Bauherrn, der deutlich vor Augen hatte, wie sich seine Entwurfsentscheidung auswirkt. Letztendlich entschieden sich die Radiosender für Alternative drei. Im Mai 2008 konnten sie den Bau beziehen und die Mitarbeiter zeigten sich begeistert von der offenen Architektur. „Der offene Charakter des Gebäudes hat sich jetzt schon ausgezahlt, weil die Mitarbeiter viel häufiger miteinander sprechen und alle eine bessere Vorstellung davon haben, was im Büro so vor sich geht“, berichtet die Leiterin der Personalabteilung.

Den Arbeitsplatz der Zukunft gestalten

Das Büro der Zukunft sollte also vor allem räumlich gut organisiert und strukturiert sein, um die spezifischen Arbeits- und Kommunikationsprozesse einer Organisation zu unterstützen. Raumkonfiguration steht dabei als zentraler Erfolgsfaktor im Mittelpunkt. Damit die Büros zur Kultur und zum Charakter einer Organisation passen, sollten Unterenehmen die Räume detailliert planen. Für die Funktionalität sind beispielsweise kurze Wege und geschickte Anordnungen von Arbeitsplätzen und Gemeinschaftsflächen entscheidend, damit sich die Mitarbeitern optimal austauschen können und neues Wissen generieren.

Zentrale Entwurfskriterien für den Arbeitsplatz der Zukunft:

  • Vielfalt von unterschiedlichen Raumqualitäten anbieten – Verschiedene Arbeitsprozesse erfordern unterschiedliche Raumstrukturen, von belebt bis abgeschieden.
  • Alltagswege gestalten – Nicht nur kurze Wege sind von Bedeutung, sondern solche Wege, die spontane Interaktionen und Möglichkeiten für ungeplante Begegnungen schaffen.
  • Sozialen Austausch ermöglichen – Entgegen hartnäckiger Auffassung mancher Chefs trägt sozialer Austausch zur Leistungsfähigkeit von Organisationen bei, wie die Studie von Gensler belegt: In leistungsstarken Organisationen entfallen 20 Prozent der täglichen Arbeitszeit auf sozialen Austausch, während Mitarbeiter in mittelmäßigen Organisationen nur rund 10 Prozent der Zeit ‚schwatzen’.
  • Mitarbeiter einbinden – Befragungen von Mitarbeitern und die systematische Einbeziehung von Kommentaren und Vorschlägen bewirkt nicht nur eine gute Stimmung, sondern gibt wichtige Impulse.
  • Spezifische Lösungen entwickeln und mit Hilfe von Forschung absichern – Nicht jede Organisation ist gleich. Was für das eine Unternehmen richtig ist, muss nicht automatisch auch einem anderen Erfolg bescheren. Forschungsergebnisse zum Zusammenhang zwischen Raumgestaltung und organisationalem Verhalten liefern wichtige Erkenntnisse zur praktischen Umsetzung.