Autor:

group of people having a meeting
Foto von Mario Gogh

Gerd Beidernikl
Geschäftsführer vieconsult – Vienna Corporate
Research and Development GmbH,
Universitätslektor für Organisationssoziologie
an der Karl-Franzens-Universität Graz

Mitarbeiterbefragungen zählen zu den Standardinstrumenten der personalistischen Arbeit und erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Dennoch beäugen Mitarbeiter, Betriebsräte, ja sogar Führungskräfte die Befragungsprojekte oft skeptisch. Die Gründe dafür können vielfältig sein, haben ihre Wurzeln aber überwiegend im Projektdesign. Die meisten Unternehmen unterschätzen die Komplexität und Dynamik von Mitarbeiterbefragungen, denn: „Schließlich geht es ja nur darum, einen Fragebogen auszuschicken, oder?“

Aus meiner Sicht weit gefehlt. Wenn wir die unterschiedlichen Funktionen betrachten, die eine Mitarbeiterbefragung für ein Unternehmen leisten kann, so lassen sich zwei Wesentliche unterscheiden:

  • Die Messfunktion: Egal, ob zur Analyse eines akuten Problems, zur Erhebung von Benchmarks oder Evaluation einer durchgeführten Initiative – meist steht die Erhebung statistischer Kennwerte im Vordergrund.
  • Die Interventionsfunktion: Die Mitarbeiterbefragung soll zu einer Verbesserung von bestimmten Problemen, zu organisationalem Lernen und kontinuierlicher Weiterentwicklung beitragen. Die Befragung wird damit zum Instrument der Organisationsentwicklung.

Die Interventionsfunktion sollte bei modernen Befragungen im Vordergrund stehen. Sehr häufig konzentrieren sich Unternehmen aber auf eine reine Messfunktion. Das Bindeglied zwischen diesen beiden Funktionen ist – so simpel dies auch klingen mag – die Kommunikation und die grundlegende Berücksichtigung kommunikativer Prozesse im Befragungsdesign.

Die Befragung vorab kommunizieren

Besonders wichtig ist, ein Befragungsvorhaben gründlich zu planen und umfassend zu kommunizieren. Die Ankündigung einer Mitarbeiterbefragung sollte die klassischen WFragen beantworten: Welche Ziele verfolgt das Unternehmen mit der Befragung? Wann läuft die Befragung? Wie erhalte ich meinen Fragebogen? Wen kann ich für Rückfragen erreichen? Wer ist der Auftraggeber und wer bekommt die Ergebnisse? Was passiert hinterher mit den Ergebnissen? Und ergänzend dazu: Ist die Teilnahme an der Befragung anonym und freiwillig?

Die Klarheit über die „Wozu/Warum“-Frage ist dabei absolut essenziell. Die strategische Zielsetzung eines Befragungsprojektes prägt nämlich den gesamten weiteren Projektverlauf. Ist diese nicht geklärt, ist reiner Aktionismus zu befürchten. Ein Unternehmen sollte bereits vor einer Befragung ein klares Bild darüber haben, wie es nach der Befragung mit den Ergebnissen weitergehen soll und welche Ressourcen zur Verfügung stehen.

Die Informationsarbeit sollte unterschiedliche Kanäle parallel nutzen. In der Praxis empfiehlt es sich, mindestens zwei Kommunikationsebenen zu berücksichtigen: schriftlich und persönlich, digital und analog, klassische und neue Medien. Die Informationen sollten zweckgemäß sein. Zu aufwendige Kommunikation kann auch negative Effekte auslösen, beispielsweise wenn nach der sechsmonatigen Hochglanz-Posteraktion und einer eigenen Promotion-Webseite für die Befragung plötzlich über die Budgetgröße der Personalabteilung gemutmaßt wird.

Der ideale Zeitpunkt liegt – abhängig vom Erfahrungsstand des Unternehmens, der Mitarbeiterzahl und der Sensibilität des Befragungsanlasses – zwischen drei und acht Wochen vor der Befragung. Selbstverständlich gilt auch hier eine kaskadierende Kommunikation, sodass Führungskräfte ins Boot geholt werden können, bevor Mitarbeiter anfangen, noch nicht geklärte Fragen aufzuwerfen. Hier investierte Zeit wird sich in Klarheit, Vertrauen und Beteiligungsbereitschaft amortisieren.

Die Befragung selbst kommuniziert

Für den Philosophen Paul Watzlawik stand fest: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Gleiches gilt für Mitarbeiterbefragungen. Sie sind eine Intervention im sozialen Gefüge „Unternehmen“ und lösen Reflexionsprozesse aus.

Fragen zur Angemessenheit des eigenen Gehalts etwa sind klassische Bestandteile von Befragungen zur Arbeitsplatzqualität. Unternehmen A stellt in seiner Mitarbeiterbefragung keine einzige Frage zum Gehalt – und Mitarbeiter folgern daraus, dass die Geschäftsführung zu feige ist, sich diesem heiklen Thema zu stellen. Unternehmen B stellt zehn Fragen zum Gehalt – unter anderem nach Angemessenheit, Fairness und Transparenz der Bonussystematik. Die Mitarbeiter folgern daraus, dass das Gehaltssystem reformiert werden soll. Sowohl die Unter- als auch die Überbetonung können nicht intendierte Effekte auslösen.

Eine Mitarbeiterbefragung kommuniziert dabei auf verschiedenen Ebenen:

  • Die Befragung selbst suggeriert den Mitarbeitern, dass die Geschäftsleitung ihre Antworten als wichtig erachtet und damit etwas Weiterführendes geschieht. Die Befragung selbst löst also Erwartungen aus, die es zu erfüllen beziehungsweise zu bedenken gilt.
  • Die in der Befragung aufgegriffenen Themen signalisieren eine bestimmte Wichtigkeit, eine Aufmerksamkeit des Managements, ein besonderes Erkenntnisinteresse, ja letztlich sogar eine Unternehmensphilosophie über das, was wichtig ist und was nicht. Gleiches gilt für die Themen, die die Geschäftsführung nicht aufnimmt. Denn das, wonach das Management nicht fragt, will es scheinbar auch nicht wissen.
  • Auch die Befragungsmethodik kommuniziert Werte, Ansprüche und Wichtigkeiten. Wenn die Befragung auch auf die Bedürfnisse sehbeeinträchtigter Mitarbeiter eingeht oder frisch karenzierte Kollegen einlädt, signalisiert das wohl mehr Wertschätzung als die beste CSR-Kampagne.

Eine Mitarbeiterbefragung synchronisiert die Aufmerksamkeit der gesamten Belegschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt auf dieselben Themen. So betrachtet geht es weniger um eine Projektdurchführung als um eine „Inszenierung“, die ein Unternehmen in ihrer Wirkung genau planen sollte.

Die Befragung soll Kommunikation auslösen

Wenn Unternehmen – und vom Nutzen bin ich überzeugt – eine Mitarbeiterbefragung als Instrument der Organisationsentwicklung betrachten, sollten sie besonderen Wert auf den Prozess der Ergebnisaufarbeitung legen und Betroffene zu Beteiligten machen.

  • Es gilt nicht nur zu klären, wer wann welchen Bericht erhält. Das wäre eine Verkürzung auf logistische Details. Es gilt zu planen, wer mit wem wann über welches Thema in Austausch treten sollte. Gleichermaßen gilt es zu berücksichtigen, ob die handelnden Akteure die Kompetenzen besitzen, den Prozess gut voranzutreiben. Auch Führungskräfte sind oft mit dem Aufarbeitungsprozess einer Mitarbeiterbefragung überfordert. Unterstützung, beispielsweise in Form von „Train-the-Trainer“-Veranstaltungen, kann die Qualität eines Aufarbeitungsprozesses erheblich steigern.
  • Es gilt auch darauf zu achten, dass die gesamte Energie eines Aufarbeitungsprozesses nicht dahin fließt, zu ermitteln, wer die „Gewinner und Verlierer“ sind (oft ist eine Ranking- Liste der Abteilungen das erste Interesse eines Vorstandes), sondern den Blick darauf zu richten, wie die Organisation mit den Ergebnissen umgeht. So sollten Unternehmen viel stärker darauf achten, konstruktiv und engagiert mit Befragungsergebnissen weiterzuarbeiten. Nicht alleinig das aktuelle Befragungsergebnis selbst sollte Betrachtung finden, sondern auch, wie engagiert eine Führungskraft im eigenen Verantwortungsbereich damit weiterarbeitet. Das konstruktive Arbeiten mit aktuell unterdurchschnittlichen Ergebnissen sollte dabei gegebenenfalls sogar positiver bewertet werden, als sich auf den Lorbeeren durchschnittlicher Ergebnisse auszuruhen.
  • Sogar die Aufbereitung der Ergebnisse kann den Kommunikationsprozess fördern oder hemmen – je nachdem, ob die Ergebnisse plastisch und handlungsleitend aufbereitet sind oder abstrakt. Nehmen wir die beispielhafte Frage „Mein direkter Vorgesetzter macht seine Erwartungen an mich und meine Arbeitsleistung klar und deutlich.“ Im abstraktesten Fall könnte ein fiktives Ergebnis „Mittelwert 3,4“ lauten. Ein nüchternes Zentralmaß, das die wenigsten anspricht und auch keine Betroffenheit auslöst. Derselbe Mittelwert kann übersetzt werden und gegebenenfalls bedeuten, dass nur 40 Prozent der Befragten dieser Aussage zustimmen und 60 Prozent Klarheit seitens ihrer Führungskraft vermissen. Oder man prägt sogar ein Bild, eine Metapher und vermittelt, dass „wenn das Unternehmen eine Fußballmannschaft wäre, nur 4 von 10 Spielern auf das richtige Tor schießen“.

Professionelle Kommunikation ist ein Herzstück einer Mitarbeiterbefragung, kommt aber leider in der Praxis oft zu kurz. Widmet man der Kommunikation auf all den hier beschriebenen Ebenen Aufmerksamkeit, kann auch Ihre Mitarbeiterbefragung zu einem willkommenen und geschätzten Instrument der Personalarbeit werden.

Literaturtipps

  • Mitarbeiterbefragung – was dann…? MAB und Folgeprozesse erfolgreich gestalten. Von Walter Bungard, Karsten Müller und Cathrin Niethammer. Springer Verlag 2007.
  • Praxishandbuch Mitarbeiterbefragungen: Konzepte, Methoden und Vorgehensweisen für ergiebige und erfolgreiche Mitarbeiterbefragungen. Von Werner Börsch. Praxium Verlag 2011.

Quelle: personal manager 3/2012