Die gebrechlicher werdenden Eltern oder der Unfall einer nahestehenden Person – viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen – manchmal plötzlich – einen Weg finden, um Pflege und Beruf miteinander zu vereinbaren. Eine echte Herausforderung für alle Beteiligten, denn das Pflegesystem in Deutschland kriselt: Es mangelt an Pflegekräften, aber auch an Information und konkreter Unterstützung. Die Folgen sind gravierend. Auch für die Arbeitgeber. Denn die mit der Pflegesituation konfrontierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fallen öfter aus, sind immer weniger belastbar, weil sie sich aufreiben, und kündigen schließlich ihren Job. Genau das soll der betriebliche Pflegelotse verhindern helfen. 

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Spagat zwischen Beruf und Pflege

Wir werden immer älter. Das ist die gute Nachricht. Der demographische Wandel bedeutet aber auch, dass immer mehr Menschen pflegebedürftig werden. Das Bundesministerium für Gesundheit geht davon aus, dass im Jahr 2050 etwa 6,1 Millionen Menschen im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch pflegebedürftig sein werden. Viele von ihnen werden von Angehörigen und/oder mobilen Pflegediensten zu Hause betreut werden. Schon jetzt leben 3,7 Millionen pflegebedürftige Menschen daheim und werden durch Angehörige und/oder einen ambulanten Pflegedienst versorgt. Schätzungsweise zwei Drittel der pflegenden Angehörigen sind berufstätig.

Pflegende Angehörige scheitern an Doppelbelastung

Berufstätigkeit und Pflege zu schultern heißt, emotionale und organisatorische Herausforderungen zu meistern. Pflegende Angehörige sind bisweilen im Job unkonzentriert, machen Fehler, werden krank, fehlen öfter und länger. Viele von ihnen fühlen sich allein gelassen und ausgegrenzt, halten der Bürde und Mehrfachbelastung nicht stand. Da es oft zu zeitlichen Konflikten kommt und eine Vereinbarkeit oft nicht möglich ist, reduzieren viele ihre Arbeitszeit oder geben ihren Beruf ganz auf, insbesondere wenn eine akute Pflegenotsituation eintritt. Die Folge: In den Unternehmen fehlen wertvolle Fachkräfte.

Pflegende Mitarbeitende brauchen Unterstützung

Diese Entwicklung wird sich durch den demografischen Wandel bedrohlich verschärfen. Unternehmen müssen sich heute dem Thema Vereinbarkeit von Pflege und Beruf stellen, um qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstützen, wenn sie mit dem Thema konfrontiert werden. Dass sich das Engagement der Firmen auszahlt, hat das Zentrum für Qualität in der Pflege in einer Studie ermittelt: Werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Pflegefall vom Arbeitgeber unterstützt, fehlen sie seltener, arbeiten motivierter und sind produktiver.

Pflegelotsen sind firmeninterne Multiplikatoren von Pflegewissen

Eine Möglichkeit, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstützen, stellt die Schulung von betrieblichen Pflegelotsen dar. Bei den Pflegelotsen handelt es sich um Mitglieder der Belegschaft, die eine Qualifizierung absolviert haben. Sie dienen innerhalb des Unternehmens als erste Ansprechpartner im Pflegefall, beraten und geben Orientierung. Sie können den Kolleginnen und Kollegen Möglichkeiten einer bedarfsgerechten, individuellen Unterstützung zeigen. So helfen sie den pflegenden Teammitgliedern, diese oft belastende Situation zu meistern und sorgen dafür, dass Pflegefälle nicht zu Problemfällen werden. Die Betriebe profitieren doppelt von diesem Engagement: Sie unterstützen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und stärken ihr positives Image als verantwortungsvolles Unternehmen, das sich um sein Team kümmert.

Die Qualifizierung der betrieblichen Pflegelotsen

In der Qualifizierung erhalten die Pflegelotsen als Basis Faktenwissen rund um die Pflege: Daten, Zahlen und allgemeine Informationen zeigen die aktuelle Pflegesituation in Deutschland und die Trends, auf die sich Unternehmen einstellen sollten.

Den Schwerpunkt bildet die Vermittlung des Fachwissens in komprimierter Form, damit die Pflegelotsen lernen, wie sie Rat und Orientierung für den Pflegefall bieten können. So ermöglicht das Unternehmen, im Pflegenotfall eine direkte Unterstützung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um eine Lösung zu finden. Die für die Herausforderung der Pflege sensibilisierten Pflegelotsen erkennen zudem auch frühzeitig, wenn Mitarbeitende unter der Bürde der Doppelbelastung leiden und können unterstützend eingreifen.

Ein weiterer Teil der Schulung fokussiert die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Spagat von Pflege und Berufstätigkeit gelingt, die Mitarbeitenden ihre Arbeitsfähigkeit bewahren und die qualifizierten Arbeitskräfte dem Unternehmen erhalten bleiben. So helfen die betrieblichen Pflegelotsen nicht nur den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern auch dem Unternehmen.

Betriebliche Pflegelotsen werden aber nicht nur für den „Ernstfall“ qualifiziert. Sie lernen auch, wie sich präventiv einer komplexen Pflegeproblematik vorgreifen lässt. Mit ihrem Wissen können sie im Unternehmen Ansprechpartner für Vorsorgemöglichkeiten sein. Zudem sorgen sie dafür, dass das Thema Pflege enttabuisiert wird. Auch dies dient dazu, die pflegenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlasten.

Die Mehrwerte von betrieblichen Pflegelotsen für das Unternehmen

Indem Unternehmen Pflegelotsen installieren, werden sie zu Experten in Sachen Mitarbeiterbindung. Mehr noch: Die Pflegelotsen helfen, direkte und indirekte Mehrkosten zu vermeiden. Gemeinsam mit dem betrieblichen Pflegelotsen können Regelungen für Pflegefälle, entwickelt werden, die dem Unternehmen und den Angestellten gleichermaßen zugutekommen. Ausfallzeiten lassen sich so effektiv reduzieren. Durch die Unterstützung der Pflegelotsen können die pflegenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konzentrierter arbeiten und sind leistungsfähiger. Fehlzeiten können reduziert und die Kündigungsquote gesenkt werden. Auch hierdurch lassen sich beträchtliche Kosten einsparen. Eine niedrige Mitarbeiterfluktuation wiederum wirkt sich positiv auf den Teamgeist und die Motivation aus, auf das Klima im Unternehmen und das Image als Arbeitgeber.

Nachhaltige Personalpolitik sichert Zukunftschancen

Mit einer pflegefreundlichen Personalpolitik setzt jedes Unternehmen ein Zeichen für soziale Nachhaltigkeit. Denn ein unternehmerisches Engagement für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist auch Ausdruck der Wertschätzung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dadurch gelingt es dem Unternehmen, sein Profil als Arbeitgeber zu schärfen und sich im Kampf um Fachkräfte hervorzutun.

Betriebliche Pflegelotsen sind für die Unternehmen ebenso ein Gewinn wie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Angesichts des demografischen Wandels ist die Qualifizierung von Teammitgliedern zu betrieblichen Pflegelotsen eine Investition in die Zukunft, die dem Unternehmen hilft, auch zukünftig qualifizierte Fachkräfte zu finden und sie selbst in schwierigen Zeiten zu binden.