§§ 23 Abs. 3, 87 Abs. 1 Nr. 2, 99 BetrVG

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Beantragt der Betriebsrat im Beschlussverfahren einen Verbotsausspruch gegen das seiner Ansicht nach betriebsverfassungswidrige Verhalten des Arbeitgebers, handelt es sich um einen anderen Verfahrensgegenstand als bei der auf einem betriebsvereinbarungswidrigen Verhalten gründenden Unterlassungsfolge. (Leitsatz des Bearbeiters)

BAG, Beschluss vom 22.10.2019 – 1 ABR 17/18

Problempunkt

Die Betriebsparteien des beklagten Textilhandelsunternehmens hatten im Jahr 2011 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit abgeschlossen (BV Arbeitszeit 2011), die u. a. die bei der Arbeitgeberin geltenden Schichten regelte. Die Betriebsvereinbarung galt für alle Beschäftigten des Betriebs und erlaubte dem Arbeitgeber, aus dringenden betrieblichen Gründen von der Personaleinsatzplanung kurzfristig abzuweichen. Im Februar 2016 ersuchte die Arbeitgeberin den Betriebsrat aufgrund von Personalengpässen um Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern für die Dauer von jeweils einem Tag und – unabhängig von dem nach der BV Arbeitszeit 2011 geltenden Schichtsystem – in der Zeit von 10:00 bis 20:00 Uhr. Der Betriebsrat machte gegen die Arbeitgeberin einen Unterlassungsanspruch geltend, in dem er die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVGrügte. Während des Verfahrens wurde im Betrieb eine Einigungsstelle angerufen, die im Spruchverfahren eine neue Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit (BV Arbeitszeit 2018) verfügte.

Entscheidung

Das BAG wies den Anspruch des Betriebsrats zurück. Die Arbeitgeberin hatte nicht gegen § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verstoßen. Der Betriebsrat hatte sein Mitbestimmungsrecht aus dieser Vorschrift bereits durch Abschluss der BV Arbeitszeit 2011 ausgeübt. Zwar hatte die Arbeitgeberin beim Einsatz der Leiharbeitnehmer gegen die Betriebsvereinbarung verstoßen.

Die BV Arbeitszeit 2011 galt ausdrücklich für alle Beschäftigten und damit auch für Leiharbeitnehmer. Auch die erstmalige Zuordnung neu eingestellter Leiharbeitnehmer in ein bestehendes Schichtsystem unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Die Arbeitgeberin hatte die Leiharbeitnehmer auch weder im Rahmen der Betriebsvereinbarung eingesetzt noch konnte sie sich auf die in der Betriebsänderung geregelte Eilfallregelung berufen.

Für diesen Verstoß stand dem Betriebsrat aber nicht der allgemeine Unterlassungsanspruch zur Verfügung. Statt des von ihm verfolgten Verbotsausspruchs wegen betriebsverfassungswidrigen Verhaltens der Arbeitgeberin wäre das richtige Instrument gegen die Verletzung der Betriebsvereinbarung ein Unterlassungsanspruch in Form eines Durchführungsanspruchs gewesen. Der Durchführungsanspruch stand dem Gremium allerdings vorliegend auch deshalb nicht mehr zur Verfügung, weil die BV Arbeitszeit 2011 in der Zwischenzeit durch die auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhende BV Arbeitszeit 2018 abgelöst wurde.

Konsequenzen

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit gehört in der Praxis zu den stärksten Beteiligungsrechten. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG umfasst nicht nur die Erstellung und Ausgestaltung von Schichtplänen, sondern auch die Zuordnung der Arbeitnehmer zu den Schichten.

Auch die erstmalige Zuordnung neu eingestellter Arbeitnehmer ist damit mitbestimmungspflichtig. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten nach § 99 BetrVG einerseits und in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG andererseits stehen selbstständig nebeneinander (BAG, Beschl. v. 20.8.2017 – 1 ABR 4/16, Rdnr. 19). Dies ist für den Arbeitgeber misslich, da ihm bei Einstellungen noch das vorläufige Verfahren nach § 100 BetrVG zur Verfügung steht. Bei der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten ist der Arbeitgeber hingegen von einer über die Einigungsstelle erzwingbaren Regelung abhängig.

Immerhin stand dem Arbeitgeber im vorliegenden Fall beim Einsatz der Leiharbeitnehmer eine in der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit geregelte Einfallregelung zur Verfügung. Insofern stellt der 1. Senat des BAG klar, dass – anders als durch den Spruch einer Einigungsstelle (vgl. BAG, Beschl. v. 8.12.2015 – 1 ABR 2/14) – für den Fall sehr kurzfristiger Änderungen der Personaleinsatzplanung in Betriebsvereinbarungen auch einseitige Entscheidungsbefugnisse des Arbeitgebers festgelegt werden können. In der vorliegenden Entscheidung wurde beim Einsatz der Leiharbeitnehmer die Eilfallregelung der Betriebsvereinbarung aber nicht beachtet.

Nach dem im Beschlussverfahren entsprechend anwendbaren § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Antragsschrift eine bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Ein Unterlassungsantrag muss eindeutig erkennen lassen, was vom Arbeitgeber verlangt wird. Mit seinem Antrag legt der Betriebsrat den Verfahrensgegenstand fest. Dabei verbieten sich zunächst sog. Globalanträge, die so weit gefasst sind, dass sie auch Verhaltensweisen des Arbeitgebers umfassen können, die zulässig wären oder die gar nicht in Rede stehen. Daneben unterscheidet der 1. Senat des BAG zwischen dem allgemeinen Unterlassungsanspruch gegen zu erwartende Verstöße des Arbeitgebers gegen ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 BetrVG einerseits und der Verletzung bestehender Betriebsvereinbarungen andererseits (BAG, Beschl. v. 20.8.2017 – 1 ABR 4/16). Es handelt sich um jeweils eigenständige Streitgegenstände. Voraussetzung für den Erfolg des Antrags ist zudem stets, dass das monierte Arbeitgeberverhalten Auswirkungen auf die Zukunft haben kann und sich nicht in der Zwischenzeit, etwa durch Abschluss anderweitiger Vereinbarungen, erledigt hat.

Praxistipp

Dem Betriebsrat steht bei der Aufstellung von Schichtplänen ein umfassendes Mitbestimmungsrecht zu. Selbst wenn Verstöße des Arbeitgebers vorliegen, können Unterlassungsansprüche des Betriebsrats aber an einer ungenauen Antragstellung scheitern.

Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 4/20, S. 248.