Das Unternehmen nutzte die Chancen, die sich Anfang der 90er-Jahre durch die Öffnung der zentral- und osteuropäischen Märkte boten. Die Rewe Group Austria ist heute mit Supermärkten in neun CEE-Ländern vertreten, besonders präsent ist sie mit der Marke „Billa“. Ein Teil des Erfolgsrezepts: Das Unternehmen hat frühzeitig erkannt, dass sich das österreichische Billa-Konzept nicht ohne Weiteres auf Zentral- und Osteuropa übertragen lässt. Daher stellte es ein Team zusammen, dessen primäre Aufgabe darin bestand, Billa in den CEE-Raum zu transportieren und an die Länderanforderungen anzupassen. Ein Tochterunternehmen entstand: Eurobilla.

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Foto von Green Chameleon

Ein rund 50-köpfiges Team ist heute gemeinsam mit den Fachabteilungen für die länderspezifischen Strategien, das Controlling, den Know-how-Transfer und die Planung von Eurobilla in neun CEE-Ländern verantwortlich, darunter Bulgarien, Italien, Kroatien, Polen, Rumänien, Russland, die Slowakei, Tschechien und die Ukraine. In den vergangenen Jahren hat das Team die Marke Billa im Supermarktsegment zahlreicher Länder zur Nummer 1 gemacht – beispielsweise in der Slowakei, in Rumänien oder Bulgarien. Ende 2007 beschäftigte die Rewe Group Austria in Zentral- und Osteuropa rund 26.000 Mitarbeiter in mehr als 800 Märkten. Dem Human Resource Management kam bei dieser Entwicklung eine besondere Rolle zu.

Personalstrategie für Zentral- und Osteuropa

Für das Personalmanagement in Zentral- und Osteuropa zeichnen im Eurobilla-Team zwei Personalisten verantwortlich. Ihnen unterstehen die Personalabteilungen der Länder in fachlicher Hinsicht, während die disziplinarische Verantwortung für die Mitarbeiter zur Gänze bei den meist aus drei Mitgliedern bestehenden Geschäftsführungen der Auslandsniederlassungen liegt.

Gemeinsamkeiten erkennen

Um eine Eurobilla-Personalstrategie für den CEE-Raum zu entwickeln, waren drei Schritte notwendig: Im ersten Schritt ermittelte das Personalmanagement von Eurobilla mögliche Gemeinsamkeiten der Personalarbeit in den verschiedenen Regionen Zentral- und Osteuropas. Denn so unterschiedlich die Länder auch sein mögen, gibt es dennoch gemeinsame Trends, die in fast allen Auslandsniederlassungen spürbar sind.

1. Angespannter Arbeitsmarkt

Der Arbeitsmarkt ist in allen neun zentralund osteuropäischen Ländern sehr angespannt. In den Ballungszentren – und hier vor allem in den Hauptstädten – herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Die Suche nach Verkaufspersonal, insbesondere nach Fachkräften wie Fleischer, stellt eine zunehmende Herausforderung dar. Die Recruitingfähigkeiten der Personalabteilungen sind in CEE daher besonders gefragt. Das Qualifikationsniveau sowie die Gehaltsvorstellungen für die gleiche Position variieren von Bewerber zu Bewerber oft in unvorstellbaren Maßen.

2. Geringe Mitarbeiterbindung

Das Gehalt spielt für Verkaufsmitarbeiter in Zentral- und Osteuropa eine große Rolle. In einigen Ländern, zum Beispiel der Ukraine, ist das Lohnniveau immer noch verhältnismäßig niedrig. Dort genügt oft die Aussicht, umgerechnet zehn Euro mehr pro Monat zu verdienen, um Mitarbeiter zu einem Arbeitgeberwechsel zu bewegen. Hinzu kommen sehr starke saisonale Schwankungen. Während der Sommermonate verzeichnen Unternehmen zum Beispiel vermehrt Austritte, da viele Mitarbeiter aufs Land zurückkehren, um ihrer Familie bei der Ernte zu helfen. Im Managementbereich ist die Bindung an das Unternehmen zwar um ein Vielfaches stärker, jedoch ist auch hier eine geringere Loyalität als beispielsweise in Österreich erkennbar – und zwar durch alle Branchen, nicht nur im Handel. Ein weiteres Problem: Mitarbeiter, die wie bei Billa Erfahrung in einem internationalen Unternehmen gesammelt haben, sind auf dem Arbeitskräftemarkt besonders gefragt.

3. Mitarbeiterführung

Eine Herausforderung stellen auch die unterschiedlichen Führungskulturen dar: Die Wettbewerbskultur ist in Zentral- und Osteuropa ebenso stark ausgeprägt wie das Karrierebewusstsein der Führungskräfte, sodass viele ihr Wissen nicht weitergeben, um die eigene Position und den Marktwert innerhalb des Unternehmens abzusichern. Diese Verhaltensmuster aufzubrechen, ist eine besondere Herausforderung für die Personalentwicklung.

Zieldefinition – der gemeinsame Rahmen

Auf Basis der allgemeinen Trends, die das Human Resource Management in Zentral- und Osteuropa bestimmen, definierte Eurobilla in einem zweiten Schritt die Ziele der Personalarbeit. Dabei kristallisierten sich drei Punkte heraus:

1. Effizientes Recruiting

Der angespannte Arbeitsmarkt erfordert neue Recruitingstrategien. Eurobilla kann sich nicht mehr auf klassische Medien und Kanäle der Personalbeschaffung beschränken, sondern muss zusätzliche Netzwerke knüpfen, zum Beispiel über Kooperationen mit Schulen und Hochschulen. Außerdem entschied sich das Unternehmen dazu, vermehrt Testverfahren einzusetzen, um die fachliche und persönliche Eignung von Bewerbern genauer zu überprüfen.

2. Langfristige Mitarbeiterbindung

Um langfristig erfolgreich zu sein, war und ist es notwendig, gute Mitarbeiter langfristig zu binden. Hierzu schafft Eurobilla vor allem nichtmonetäre Anreize. Die Bandbreite reicht von Essenszuschüssen bis hin zu einer zusätzlichen privaten Krankenversicherung.

3. Forcieren der Personalentwicklung

Ein konzernweites System der Karriere- und Nachfolgeplanung schafft die Basis für sämtliche Aktivitäten der Personalentwicklung. In jährlichen Mitarbeitergesprächen werden heute einerseits die Leistung und das Potenzial der Mitarbeiter bewertet, andererseits definieren die Führungskräfte Maßnahmen für die fachliche und persönliche Entwicklung jedes Einzelnen. Die Ergebnisse dieser jährlichen Gespräche sind die Grundlage für die Ermittlung des Trainingsbedarfs seitens der Personalentwicklung. Um eine optimale Qualität im Entwicklungsbereich zu gewährleisten, greift Eurobilla auf einen Mix von nationalen und internationalen Trainingsinstituten zurück.

Personalstrategie umsetzen: „Must Do’s“ und „Can Do’s“

Auf die Zieldefinition folgte die Umsetzung der Personalstrategie: Dieser dritte Schritt ist womöglich der schwierigste, zugleich aber wichtigste Teil des Personalmanagements in CEE. Eurobilla legt in der Umsetzung großen Wert darauf, die Gemeinsamkeiten zu nutzen und dennoch die Individualität der Länder zu berücksichtigen. Die Personalstrategie bildet den Rahmen, den das Unternehmen zentral vorgibt. Die operative, landesspezifische Umsetzung liegt im Verantwortungsbereich jedes Landes-Personalmanagers sowie der Geschäftsführung.

Personalarbeit und Recruiting sind Ländersache

Um diesen strategischen Rahmen zu definieren, wurde das System der sogenannten „Must Do’s“ und „Can Do’s“ geschaffen. „Must Do’s“ stellen Richtlinien dar, die alle Landesniederlassungen einhalten müssen, um die Einheitlichkeit des Markenauftritts zu sichern. „Can Do’s“ bezeichnen Best- Practice-Vorschläge, die jede Landesniederlassung nach Belieben adaptieren kann. Vor allem in den Bereichen des Personalmarketings, der Mitarbeitermotivation und im Recruiting werden die Aktivitäten der Personalentwicklung länderspezifisch festgelegt. Der Austausch über die Best Practices findet in internationalen Meetings, per Videokonferenz oder über Austauschplattformen im Internet – den sogenannten Sharepoints – statt.

Einheit und Vielfalt

Die Frage, ob eine einheitliche Personalstrategie für den zentral- und osteuropäischen Raum umsetzbar ist, lässt sich nur bedingt mit „Ja“ beantworten. Eine starre Verallgemeinerung der einzelnen Länder in einen zentral- und osteuropäischen Raum ist für den Lebensmitteleinzelhandel – und wahrscheinlich auch für andere Branchen – nicht zielführend. Eine gemeinsame Personalstrategie mit individueller, landesspezifischer Umsetzung ist jedoch für Rewe Group Austria eine sehr effiziente Basis dafür, um auch in Zukunft eine Spitzenposition im Supermarktsegment des zentral- und osteuropäischen Lebensmitteleinzelhandels einzunehmen.

Quelle: personal manager 1/2009