Harmoniekultur entwickelt

two women talking while looking at laptop computer
Foto von KOBU Agency

Eine Ursache ist: In vielen Unternehmen hat sich eine Harmoniekultur entwickelt, in der Zukunftsfragen nicht aktiv angegangen und (Interessen-)Konflikte nicht offen ausgetragen werden. Und diese Kultur wird von den Unternehmen teils sogar gepflegt: Zum Beispiel, indem sie in ihren Unternehmensleitlinien immer wieder an das kollektive „Wir“ appellieren, so als gäbe es im Alltag nicht auch Interessengegensätze. Oder indem die Führungskräfte in den Zielvereinbarungsgesprächen das kollektive „Wir“ gebrauchen statt mit ihren Mitarbeitern herauszuarbeiten,

  • welche Interessen haben die Stake-holder,
  • wo divergieren die Interessen und
  • wie lassen sich die Divergenzen überwinden, so dass die Zusammenarbeit auf tragfähigen Füßen steht.

Bewusst werden solche Fehlentwicklungen den Unternehmensführern oft erst, wenn die Erträge sinken. Oder die Kunden in Scharen weglaufen. Entsprechend panisch ist dann ihre Reaktion. Initiierten sie zuvor kaum Veränderungen, wollen sie plötzlich über Nacht alles umkrempeln. Wurden zuvor Entscheidungen weitgehend nach dem Konsensprinzip getroffen, wird plötzlich nur noch mit Macht entschieden. Und wurde zuvor endlos an die Vernunft appelliert, so wird nun vor allem das Instrument Zwang benutzt, um die Mitarbeiter zu „motivieren“. Die Führungskräfte verfallen also von einem Extrem ins andere. Entsprechend verunsichert sind ihre „Untergebenen“.

Kernaufgabe vermitteln

 

Viele Unternehmen vermitteln ihren (jungen) Führungskräften nicht, dass sie zum Wahrnehmen ihrer Kernaufgabe – nämlich: sicherstellen, dass ihr Bereich seine Funktion in der Organisation erfüllt – Macht brauchen. Doch nicht nur das. Sie müssen die ihnen verliehene Macht auch aktiv gebrauchen, um

  • nötige Entscheidungen zu treffen,
  • die damit verbundenen Prozesse zu initiieren und
  • für ein konsequentes Umsetzen der vereinbarten Maßnahmen zu sorgen.

Dem Nachwuchs gilt es also zu vermitteln: Die mit jeder Führungsposition verbundene Entscheidungs- und Gestaltungsmacht sowie die disziplinarische Macht sind ein Instrument – ein Instrument, das Führungskräfte zum Erfüllen ihrer Aufgaben brauchen. Zwar wird in vielen Unternehmen situatives Führen propagiert – also ein Führungsstil, bei dem die Führungskraft ihr Verhalten der Situation und dem Gegenüber anpasst –, aber nur selten wird dem Nachwuchs verdeutlicht, was dies für den Umgang mit der verliehenen Macht bedeutet.

Die Folge: Viele Führungskräfte haben sich noch nie (bewusst) mit den Fragen befasst:

  • Wie entsteht (Führungs-)Macht?
  • Aus welchen Quellen speist sich (Führungs-)Macht?
  • Warum braucht eine Führungskraft Macht?
  • Was unterscheidet eine Autorität von einer autoritären Persönlichkeit? Und:
  • Wie sollte eine Führungskraft ihre Macht nutzen, damit sie ihre Funktion erfüllt?

Deshalb haben sie ein ambivalentes Verhältnis zur ihnen verliehenen Macht und scheuen sich zuweilen, diese aktiv zu gebrauchen. Dabei ist das im Führungsalltag oft nötig. Zum Beispiel, wenn es in dem Bereich brennt. Oder wenn die Mitarbeiter alleine nicht entscheidungsfähig sind. Oder wenn einzelne Teammitglieder durch ihr Verhalten das Erreichen der Ziele gefährden. Dann muss die Führungskraft ihre Macht gezielt gebrauchen. Genau das erwarten Mitarbeiter von einer Führungs-KRAFT.

Quelle: PERSONAL Heft 01/2008