Frage 1:

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Wann liegt Lohndumping vor?

Was der Gesetzgeber seit dem 1. Jänner 2015 als „Lohndumping“ beurteilt, regelt sowohl für Betriebe mit Sitz im Inland als auch für Betriebe mit Sitz ausschließlich im Ausland einheitlich das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) in § 7i Abs. 5. Das AVRAG ist ein arbeitsrechtliches Gesetz. Daher ist der arbeitsrechtliche weite Entgeltbegriff maßgebend. Demnach muss der Dienstnehmer das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag in Österreich zustehende Entgelt erhalten, wobei die jeweiligen kollektivvertraglichen Einstufungskriterien aufgrund der konkreten Tätigkeit zu beachten sind. Erfüllt der Dienstgeber diese Entgeltansprüche nicht oder nur teilweise, dann liegt ein verwaltungsstrafrechtlich zu ahndendes Lohndumping vor, soweit nicht eine der nachstehend angeführten Ausnahmen zutrifft.

Betriebe, die keiner lohngestaltenden Vorschrift (beispielsweise keinem Kollektivvertrag) hinsichtlich einer Mindestentlohnung unterliegen, laufen nicht so schnell Gefahr, Lohndumping zu betreiben, es sei denn, sie werden gesetzlichen Ansprüchen nicht gerecht, indem sie beispielsweise geleistete Überstunden oder Entgelte aufgrund des gesetzlichen Lohnausfallsprinzips nicht bezahlen.

Frage 2:

Welche Dienstnehmeransprüche sind vom Lohndumping nicht erfasst?

Folgende Dienstnehmeransprüche unterliegen nicht der Lohndumpingkontrolle:

a) Aufwandsersätze wie Kilometergelder, Fahrtkostenvergütungen für die Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte, im Regelfall auch Tages- und Nächtigungsgelder anlässlich einer Dienstreise

b) Dienstgeberzuwendungen wie Schmutzzulagen, Abfertigungen und andere, die von der Sozialversicherung befreit sind (§ 49 Abs. 3 ASVG).

c) Dienstnehmerentgeltansprüche aufgrund von Betriebsvereinbarungen oder Dienstverträgen, beispielsweise Sachbezüge oder Rufbereitschaftsvergütungen.

Wenn Unternehmen die genannte Ansprüche nicht gewähren, liegt kein Verwaltungsstraftatbestand des Lohndumpings nach § 7i Abs. 5 AVRAG vor.

Frage 3:

Welche der am häufigsten in der Praxis vorkommenden Lohnarten unterliegen der Lohndumpingkontrolle und welche nicht?

Einen kompakten Überblick gibt Ihnen die Tabelle auf Seite 43 und 44. (Abb. Teil 1+2)

Beispiel 1: Ein Angestellter erhält ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 2.500 Euro. Das kollektivvertragliche Mindestgehalt beträgt 2.000 Euro brutto. Der Angestellte leistet regelmäßig Überstunden und erhält diese stets in Geld ausbezahlt (monatlich durchschnittlich 300 Euro brutto). Er erkrankt erstmals Anfang September und ist bis Mitte Oktober im Krankenstand. Der Dienstgeber sieht nicht ein, dass er die krankheitshalber ausfallenden Überstunden bezahlen soll und rechnet für September nur das Gehalt in Höhe von 2.500 Euro brutto ab. Liegt Lohndumping vor?

Nein, da die Überzahlung beim Gehalt in Höhe von 500 Euro die während des Krankenstandes nicht fortgezahlten Überstunden in Höhe von monatlich 300 Euro kompensiert. Der Dienstnehmer hätte aber nach dem Ausfallsprinzip einen arbeitsrechtlichen (beim Arbeits- und Sozialgericht einklagbaren) Anspruch auf die Überstundenentlohnung während des Krankenstandes. Ebenso können Lohnabgabenprüfer gemäß dem herrschenden Anspruchsprinzip die Sozialversicherungsbeiträge für die während des Krankenstandes nicht fortgezahlten Überstunden nachfordern.

Beispiel 2:

Der im Betrieb anwendbare Kollektivvertrag sieht vor, dass in den Urlaubszuschuss und in die Weihnachtsremuneration neben dem Monatsgehalt auch andere Entgeltteile einzubeziehen sind, sofern diese monatlich in gleich bleibender Höhe anfallen.

Der Dienstgeber bezahlt einem Angestellten neben dem Kollektivvertrags-Mindestgehalt (1.900 Euro brutto) eine dienstvertraglich vorgesehene Vertreterzulage in Höhe von 200 Euro brutto monatlich. Bei der Berechnung des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration berücksichtigt der Dienstgeber – arbeitsrechtlich unrichtig – nur das Kollektivvertrags- Mindestgehalt in Höhe von 1.900 Euro brutto und nicht die Vertreterzulage. Liegt Lohndumping vor?

Werden vertragliche oder freiwillige Bezugsbestandteile bei der Sonderzahlungsberechnung nicht berücksichtigt, liegt kein Lohndumping vor.

Der Dienstnehmer hat aber auf die vom Dienstgeber nicht berücksichtigten Vertreterzulagen einen arbeitsrechtlichen (beim Arbeits- und Sozialgericht einklagbaren) Anspruch. Ebenso können Lohnabgabenprüfer gemäß dem herrschenden Anspruchsprinzip die Sozialversicherungsbeiträge für die nicht berücksichtigten Vertreterzulagen nachfordern.

Frage 4:

Können freiwillige Zuwendungen und Überzahlungen die Unterentlohnung ausgleichen?

Grundsätzlich können freiwillige Zuwendungen und vertraglich zugesagte Überzahlungen die Unterentlohnung ausgleichen, sofern

 sowohl die Unterentlohnung als auch die freiwilligen Zuwendungen beziehungsweise die vertraglich zugesagten Überzahlungen demselben Lohn-zahlungszeitraum zuzurechnen sind (Lohnzahlungszeitraum-Identität) und

 es sich hierbei nicht um Aufwandsersätze oder Sachbezüge handelt.

Lohnzahlungszeitraum-Identität heißt, dass beispielsweise eine Unterentlohnung in Höhe von 75 Euro aufgrund einer fehlerhaften Einstufung nur kompensiert werden kann mit einer freiwillig gewährten, ebenfalls monatlich ausbezahlten Zuwendung (beispielsweise eine vertraglich zugesagte Funktionszulage in Höhe von 100 Euro).

Für Sonderzahlungen gelten die folgenden Spezialregeln:

a) Bei Dienstnehmern, für die das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz gilt, liegt eine Unterentlohnung nach § 7i Abs. 5 AVRAG nur dann vor, wenn der Dienstgeber die Sonderzahlungen nicht oder nicht vollständig spätestens bis zum 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres geleistet hat.

b) Werden freiwillig Sonderzahlungen wie beispielsweise Zielerreichungsprämien, Bilanzgelder oder Erfolgsprämien gewährt, kann vereinbart werden, dass diese Zuwendungen auf allfällige Unterentlohnungen im gesamten Kalenderjahr anrechenbar sein sollen. Durch die Vereinbarung einer derartigen Jahresbetrachtung lassen sich Unterentlohnungen abweichend vom Prinzip der Lohnzahlungszeitraum-Identität in einzelnen Monaten durch Überzahlungen in anderen Monaten kompensieren.

Eine diesbezügliche Vereinbarung könnte beispielsweise wie folgt lauten:

 „Dem/Der Arbeitnehmer/in wird eine freiwillige Prämie in Höhe von Euro …. gewährt. Die Prämiengewährung erfolgt freiwillig, ohne verbindliche Rechtsgrundlage und begründet keinerlei Rechtsansprüche für die Zukunft. Die Prämie gilt als Vorwegnahme künftiger kollektivvertraglicher Ist-Gehalts-/Lohnerhöhungen.

Weiters wird vereinbart, dass die Prämie innerhalb des Kalenderjahres auf gesetzliche und kollektivvertragliche Entgeltansprüche – unabhängig davon, ob es sich um laufende Entgelte oder um Sonderzahlungen handelt – anrechenbar ist und daher allfällige Unterentlohnungen innerhalb des Kalenderjahres ausgleicht.“ (Entnommen aus dem am Ende dieses Beitrages vorgestellten Buch.)

Frage 5:

Wann ist eine Unterentlohnung nicht strafbar?

Tabelle 2 zeigt Fälle, in denen der Arbeitgeber – trotz Unterentlohnung – nicht angezeigt beziehungsweise bestraft wird. Erläuterungen

(1) Nachzuzahlen sind das gesamte offene arbeitsrechtliche Entgelt, somit auch jenes, das

 gemäß § 49 Abs. 3 ASVG sozialversicherungsfrei ist und daher nicht der Unterentlohnungskontrolle unterliegt, sowie

 offene Bezüge, die der Arbeitnehmer wegen Verfalls oder Verjährung nicht mehr bei Gericht einfordern kann.

Überzahlungen, die aus Betriebsvereinbarungen, Dienstverträgen oder Betriebsübungen Betriebsübungen resultieren, müssen nicht nachbezahlt werden.

(2) Die Lohn- und Sozialdumping-Richtlinien legen die „Geringfügigkeitsgrenze“ mit zehn Prozent fest.

(3) Leichte Fahrlässigkeit liegt beispielsweise dann vor, wenn

► ein funktionierendes internes Kontroll-system hinsichtlich der Abrechnung der Bezüge vorliegt,

 die Unterentlohnung infolge einer unklaren Kollektivvertragsregelung erfolgte und sich der Arbeitgeber hierbei auf eine Stellungnahme der Kollektivvertragspartner stützte beziehungsweise die Stellungnahme der Kollektivvertragspartner kein klares Ergebnis brachte oder

► wenn periodenübergreifend (beispielsweise innerhalb eines Kalenderjahres) die Entgelte jedenfalls so hoch sind, dass kein Lohndumping vorliegt.

Beachten Sie die „Vorsorgehinweise“ in diesem Beitrag, dann reduzieren Sie dadurch die Lohndumpingbedrohung maßgeblich.

//Literaturtipp//

Lohn- und Sozialdumping aus Sicht der Personalverrechnung.
Von Birgit Kronberger und Rainer Kraft.
LexisNexis 2016.

//Webtipp//

www.patka-knowhow.at


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Quelle: personal manager – Zeitschrift für Human Resources | Ausgabe 4  Juli/ August 2016.