Do not make it!

three men using MacBooks
Foto von Austin Distel

Kulturen wachsen bekanntlich über viele Jahre, sie lassen sich nicht aus dem Boden stampfen. Langlebige Kulturen gewährleisten jenen, die sich in ihnen bewegen, eine gewisse Selbstverständlichkeit. Sichtweisen haben sich eingespielt, Umgangsformen und Interpretationstechniken sind etabliert. Ein beredtes Beispiel dafür sind traditionsreiche Familienbetriebe.

Durch die globale Vernetzung, die hohe Innovationsdichte in den Märkten und weitere Faktoren geraten eingespielte Wertegemeinschaften unter Druck, beziehungsweise sie prallen hart auf andere kulturelle Kraftfelder. Wie könnte da eine professionelle Kulturbildung aussehen? Nach Prof. Dr. Peter Kruse lässt sich Kultur nicht managen, weil sie darauf beruht, dass Menschen diese gemäß ihrer Werte und Bedürfnisse ausverhandeln. Der Netzwerkforscher riet, vielmehr Diskurse strategisch anzuregen, die verändernd auf Kulturmuster wirken können und Neubildungen beschleunigen. Dies gelänge jedoch nicht, solange ungünstige Rahmenbedingungen bestehen bleiben. Getreu dem Motto: Die Forderung nach mehr Eigenverantwortung muss auch die Gewährung derselben einschließen. 

Gut aufgehoben im Verständigungsraum Kultur

Dass Kultur ein Schlüsselfaktor in Unternehmen ist, zeigt sich zum Beispiel am Corporate Learning. Laut Prof. Dr. Peter Kruse könnten Mitarbeiter überhaupt erst dadurch zur Kooperation im Lernen befähigt werden, wenn es zwischen ihnen einen kulturellen Teilhaberaum gibt. Dieser ermögliche es ihnen, in ähnlicher Weise zu denken und zu agieren. Der Raum wird begründet durch einen Diskurs, der jedem Beteiligten Basiswerte vermittele. Prof. Dr. Peter Kruse gab jedoch zu bedenken, dass dieser dritte Raum eine Eigendynamik besitze. Auch könne es bei ganz großen Projekten nicht darum gehen, dass der Einzelne vollständig alle Werte und Techniken übernimmt. Doch eine Teilhabe am Geschaffenen muss ihm möglich sein.

Die Motivation dazu, sich zu beteiligen, ergibt sich nach Prof. Dr. Peter Kruse klassischerweise aus dem persönlichen Mehrwert. Allerdings stünde die  Praxis oft noch dagegen. Als Beispiel führte der Forscher den Status quo im Prüfwesen von Teamleistungen an: Da würde bei universitären Gemeinschaftsarbeiten der Einzelne am Ende immer noch nach seinem persönlichen Beitrag gefragt. Peter Kruses Kommentar: „Das ist so absurd, also ob man ein einzelnes Pixel auf einem Bild nach seinem Beitrag zu dem Gemalten fragen würde. Das Gemalte entsteht erst in der Summe aller Teile.“

Wer sich im eigenen Unternehmen an den Umbau von
Kulturstrukturen wagt, der muss sich Prof. Dr. Peter Kruse zufolge bewusst machen,

… dass interne Wertegemeinschaften auf viele weitere
     im Markt treffen; also jene bei Kunden, Lieferanten und Anderen.

… kulturelle Dynamiken schneller sind als Meinungsbildungsprozesse.

… Menschen durch kulturelle Kraftfelder ein Wissen besitzen,
    das größer ist als ihr Individuelles.

… kollektive Intuition im kulturellen Empfindungsvermögen des Einzelnen
     in der Vernetzung mit anderen Menschen wurzelt.

… niemand sich konsequent nur in einer Wertegemeinschaft
    oder in einem Milieu aufhält.

Kultur total komplex? Nicht mit Blick auf Milieus

Wie komplex ist die globale Kulturwelt? Kann es angesichts tausender Milieus überhaupt gelingen, sinnvoll auf Kultur zu setzen, um Menschen zu verbinden? Prof. Dr. Peter Kruse war überzeugt, dass Führungskräfte und alle, die mit Kulturen arbeiten, sich keineswegs vor einer extremen Komplexität fürchten müssen. Diese Perspektive ergebe sich nur, wenn vom Blickpunkt des Einzelnen ausgegangen wird. Wenn aber der Schwerpunkt der Betrachtung auf der Interaktion des Einzelnen mit Kulturräumen liege, dann vereinfache sich das Bild: In jedem Milieu gäbe es Grundlogiken und Wahrscheinlichkeitsfelder. Diese zu begreifen, gehöre heutzutage zu den erforderlichen Sozialkompetenzen. Der Einzelne könne sich in der Welt durchaus nicht beliebig verhalten, so Prof. Dr. Peter Kruse. Der Netzwerkforscher war sich aus diesen genannten Gründen auch sicher, dass nicht die Neurowissenschaft die künftige Leitdisziplin für Gesellschaft und Wirtschaft sein würde, sondern die Kulturwissenschaften. Die Beschäftigung mit ihnen fördere das heute notwendige Verständnis für Vielfalt; gerade auch in digitalen Netzwerken, wo viele Informationen entfallen, die sonst durch Nähe und Face-to-Facekommunikation  gewährleistet wären.