Noch immer fällt es vielen Organisationen schwer, die eigene Unternehmenskultur anzupacken und zu verändern. Häufig scheut das Management davor zurück, in Kulturveränderung zu investieren. Auch dann, wenn eigentlich klar erkennbar ist, an welchen Stellen die eigene Kultur die Unternehmensentwicklung hemmt und Mitarbeiterbindung schwächt. Warum ist das so?

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Die Passivität vieler Unternehmen in Sachen Kulturarbeit hat häufig einen ebenso banalen wie nachvollziehbaren Grund: Unternehmenskultur lässt sich nur Schritt für Schritt verändern. Kulturwandel ist sicher kein Sprint, sondern eher ein Triathlon. Man braucht viel Ausdauer und einen langen Atem, um spürbare Veränderungen zu erzielen. Und gleichzeitig lässt sich die Wirksamkeit von Kulturveränderung nicht so leicht belegen. Der vorliegende Beitrag zeigt, wie Kulturarbeit messbar die Bindung von Mitarbeitenden steigert und welches die wichtigsten Einflussfaktoren für wirksame Kulturveränderung sind.

Bei LAPP, Weltmarktführer für integrierte Lösungen im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie, mit Stammsitz in Stuttgart ließ sich klar nachweisen, dass es sich lohnt, in Kulturarbeit zu investieren. Um dies auch dokumentieren zu können, hat LAPP vor und nach der Kulturarbeit je eine Mitarbeitendenbefragung auf den Weg gebracht. So ließ sich prüfen, wie sich die Zufriedenheit der Mitarbeitenden verändert hat.

Die Ergebnisse der Nachmessung zeigen, dass sich das Unternehmen durch die Kulturarbeit massiv weiterentwickelt hat: Kernwerte für Zufriedenheit und Identifikation konnten signifikant gesteigert werden. So ist beim Stimmungsbarometer der Anteil der überzeugten Mitarbeitenden um 12,8 Prozent auf 87,5 Prozent gestiegen. Der wichtigste Indikator für Arbeitsgeberattraktivität – die Weiterempfehlungswahrscheinlichkeit – verzeichnet ein Plus von 10 Prozent. Und auch die Geschäftsführung bekam von den Mitarbeitenden ein gutes Zeugnis ausgestellt. Bei der Bewertung, ob die Geschäftsführung gut aufeinander abgestimmt ist, ergab sich eine deutliche Verbesserung um 22 Prozent im Vergleichszeitraum.

„Ich freue mich, dass unsere Bemühungen, die Kommunikation zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften und deren intensive Einbindung bei der Entwicklung unserer Strategie 2027 so stark erkannt und honoriert werden. Dafür haben wir wirklich viel gemacht und ich bin dankbar, dass das gesehen wird“, freut sich Matthias Lapp, Vorstandsvorsitzender der Lapp Gruppe.

Kulturarbeit ist also kein „Spielzeug“, das sich eine unausgelastete Personalabteilung einfallen lässt – professionell aufgesetzt und nachhaltig umgesetzt ist die Weiterentwicklung der Kultur ein zentraler Erfolgsfaktor, um das Wachstum des Unternehmens in wirtschaftlich schwierigen Zeiten abzusichern.

Kulturarbeit bei LAPP

Es gibt zahlreiche Faktoren, die einen echten Einfluss darauf haben, ob Kulturarbeit eine Wirkung im Unternehmen hat oder nicht. LAPP hat vor über vier Jahren damit begonnen einen Kulturwandel im Unternehmen etablieren. „Um in Zukunft noch erfolgreicher sein zu können, müssen wir unsere Kultur weiterentwickeln. Wir müssen noch besser kommunizieren, noch kundenorientierter handeln, noch stärker zusammenhalten und mit unseren einheitlichen Services und Qualitäten weltweit als ONE LAPP auftreten und agieren“, begründete Matthias Lapp, damals CEO für die Region LA EMEA bei LAPP, der den Transformationsprozess mit seinem Führungsteam initiiert hat.

Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen sollte der Kulturwandel von innen, also aus der Organisation selbst, realisiert werden. Ganz bewusst wurde dabei auf die Unterstützung von Unternehmensberatungen verzichtet. Den Mitarbeitenden sollte nicht einfach ein neuer Prozess vor die Nase vorgesetzt werden, sondern sie sollten selbst Veränderungen erarbeiten und die Erfolge sichtbar wahrnehmen. In vielen Unternehmen fällt es den Mitarbeitenden oft schwer, den eigenen Wertbeitrag zum Ergebnis und damit den Bezug zum Unternehmen herzustellen. Zudem wollen sich die Mitarbeitenden auch weiterentwickeln und aktiv mitgestalten.

Zur operativen Umsetzung wurde bei LAPP extra eine Chance-Abteilung gegründet, die die gewünschten Veränderungen Schritt für Schritt in den jeweiligen Ländern, Gesellschaften und Abteilungen bis heute begleitet. In den deutschen Gesellschaften wurde der Transformationsprozess über eine enge Zusammenarbeit mit Human Resources und den Betriebsräten gesteuert. Einbindung der Führungskräfte, Multiplikatoren und allen Mitarbeitenden zu balancieren – Eine Mammutaufgabe!

Zunächst wurden bei LAPP die wesentlichen internen Schwachstellen analysiert.

  • Zu viel Abstimmungsaufwand, zu viele Schnittstellen und unklarer Informationsfluss
  • Viele abteilungsübergreifende Projekte und vielfältige Rollen für die Mitarbeitenden
  • Teilweise bestehen konkurrierende Ziele zwischen den Bereichen. Das sorgt für Verwirrung bei den Mitarbeitenden
  • Die Unternehmensstrategie ist nicht immer transparent und in greifbare Ziele und Aktivitäten übersetzt
  • Das Management ist nicht nahbar
  • Die vielfältigen und komplexen Anforderungen auf Kundenseite sind nicht mehr einfach und schnell abzuarbeiten

Schwerpunkte der Kulturarbeit

Nun wurde diskutiert, wie sich diese Schwachstellen beseitigen lassen. Dabei konzentriert sich LAPP auf folgende Schwerpunkte:

Führungskultur

Bisher fehlte eine klare und transparente Ausrichtung der Verantwortlichkeiten. Um schnelle Entscheidungen so nahe am Kunden wie möglich treffen zu können, sollten Führungskräfte Verantwortung an die Mitarbeitenden abgeben und sie dafür auch befähigen. Ziel war es, Entscheidungen schneller und an der richtigen Stelle zu treffen. Unter dem Titel „I’m a Connector“ hat LAPP ein Leitbild für alle Führungskräfte entworfen, das einen kooperativen, transformationalen Führungsstil festschreibt. So beantworten beispielsweise im Kulturwandel-Forum Führungskräfte die Fragen der Belegschaft. Auch Matthias Lapp stellt darin regelmäßig vor, wie LAPP die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen bewältigt.

Feedbackkultur

Zeitnahes und richtiges Feedback wurde bislang teilweise nicht gegeben. Oft wurde sachliche Kritik auch persönlich genommen. Heute ist Feedback ein Teil der täglichen Arbeit, hierarchieunabhängig und faktenbasiert.

Meetingkultur

Studien zeigen, dass Beschäftigte im Schnitt 4,5 Stunden pro Woche in Meetings verbringen, die kaum Relevanz für ihre Arbeit haben. LAPP hat daher einen 7-Punkte Leitfaden für Besprechungen eingeführt: Beschreibe den Anlass kurz und bündig. Formuliere ein erwartetes Ergebnis. Lade nur relevante Teilnehmende ein. Sei vorbereitet. Halte Dich an den Zeitplan. Bleib fokussiert. Halte das Ergebnis fest. Zu lange und unnötige Meetings sollen so vermieden werden. Im Customer Service wurde beispielsweise eine „ELMO“-Karte (Enough Let’s Move On) eingeführt. Die wird immer dann gehoben, wenn Teilnehmende vom Thema abschweifen.

Lernkultur

Bisher fehlte es an einem gemeinsamen Verständnis für Lernkultur, Wertschätzung und Anerkennung. Eine Fehlerkultur gab es nicht. Wertschätzung und Anerkennung waren nicht Teil der täglichen Arbeit. Das fängt schon bei banalen Dingen an, wie dem gegenseitigen Grüßen. Ziel war es, nicht mehr nach dem Schuldigen zu suchen – sondern nach einer gemeinsamen Lösung. Denn Fehler sind wichtiger Bestandteil der Innovationskraft, für die das Unternehmen steht. Heute findet, insbesondere im internationalen Kontext, ein regelmäßiger Austausch in unterschiedlichsten Formaten statt – diese Offenheit war einer der wesentlichen Gründe, warum LAPP so gut durch die Coronakrise gekommen ist. Ein weiterer ist der nächste Punkt:

Empowerment

Entscheidungen wurden bisher hauptsächlich von den Führungskräften getroffen. Das führte manchmal zu langen Liegezeiten, da es keine Vertretung gab. Mitarbeitende wurden nicht dazu befähigt Verantwortung zu übernehmen. Künftig sollen Entscheidungen an der richtigen Stelle und vom richtigen Mitarbeitenden getroffen werden. Das zu ändern brauchte Bereitschaft von beiden Seiten: Führungskraft und Mitarbeiter:in. In allen Abteilungen wurde eine Guideline entwickelt, Vertretungsregelungen wurden definiert und Organisationsanweisungen angepasst. Dadurch konnte mehr Verantwortung an die Mitarbeitenden übertragen werden. Das motiviert!

Voraussetzungen für den Wandel

All diese Veränderungen sorgen auch dafür, schlanke und transparente Prozesse für den Kunden aufzubauen und die Organisation für Agilität, Schnelligkeit und neue Geschäftsfelder zu befähigen. Zudem fördern sie eine starke Verbindung zu digitaler Transformation und zukünftigen digitale Geschäftsmodellen. LAPP will sich zu einem kundenzentrierten Unternehmen entwickeln. Das Top-Management hat für sich folgenden Anspruch formuliert:
Das schaffen wir nur, wenn wir…

  • unseren Mitarbeitenden vertrauen
  • offen und klar kommunizieren
  • mit Persönlichkeit, Professionalität und Herz arbeiten
  • die besten Mitarbeitenden einstellen, entwickeln, behalten
  • schlanke Strukturen und Prozesse implementieren
  • die Veränderung in die richtige Richtung steuern
  • den Kunden in den Mittelpunkt stellen.

Noch ist LAPP lang nicht am Ziel angekommen. Und nicht jede der Veränderung war ein Erfolg; die eine oder andere Initiative hat sich nicht entwickelt. Daher bleibt Kulturwandel ein andauernder Prozess mit Höhen und Tiefen. Erfahrungen aus anderen Unternehmen zeigen, dass solche grundlegenden Transformationsprozesse in der Regel zwischen fünf und zehn Jahren dauern. Bei LAPP ist man sich sicher: Die Veränderung wird niemals aufhören – sie ist Teil der DNA von LAPP.

Unsere Learnings

  • Kulturwandel ist in erster Linie die Arbeit an sich selbst und den eigenen Glaubenssätzen – nicht das Ausrollen von Leitlinien für alle anderen.
  • Wichtiger als schöne Buzzwords ist ein Management, das als Vorbild bei sich selbst anfängt
  • Die Organisation ihren Job machen lassen! Kulturwandel ist nur dann wirksam, wenn er den Teil der Organisation, die von Change betroffen ist, bei ihrem Job weiterbringt.