Problempunkt

Der Mitarbeiter war seit 1991 als Personalleiter beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte es u. a., Aufträge an Leiharbeitsfirmen zu vergeben. Eine dieser Firmen, zu der Vertragsbeziehungen bestanden, schenkte ihm eine VIP-Eintrittskarte für ein Bundesliga-Fußballspiel im Wert von mindestens 100 Euro. Er behielt die Karte, ohne bei seinem Arbeitgeber nachzufragen, ob er das Geschenk annehmen darf.

group of people huddling
Foto von Perry Grone

Als der Arbeitgeber hiervon erfuhr, kündigte er am 30.4.2008 das Arbeitsverhältnis wegen Verstoß gegen das Schmiergeldverbot fristlos, hilfsweise mit ordentlicher Kündigungsfrist zum 31.12.2008. Er stützte die Kündigung außerdem darauf, dass der Mitarbeiter entgegen einem ausdrücklichen Verbot im Zeitraum vom 13.9.2007 bis 31.1.2008 35 private Telefonate während der Arbeitszeit geführt habe. Ein Aushang bestimmt, dass es außer in gewichtigen Fällen (Notfall, Unfall, Feuer, Todesfall in der Familie) allen Mitarbeitern generell untersagt ist, die Firmentelefone privat zu nutzen. Selbst in den im Aushang erwähnten besonderen Fällen ist vorher die Erlaubnis eines Vorgesetzten einzuholen.

Der klagende Mitarbeiter meinte, die Beklagte hätte ihn vor einer Kündigung zunächst abmahnen müssen. Er habe nicht gewusst, dass das Verbot, Privattelefonate zu führen, auch für leitende Angestellte gilt. Im Übrigen sei es im Unternehmen üblich gewesen, Werbegeschenke anzunehmen. Die Beklagte habe dies stets geduldet.

Das Arbeitsgericht hielt die fristlose Kündigung für unverhältnismäßig, die ordentliche dagegen für rechtmäßig.

Entscheidung

Die Berufung des Klägers war erfolglos. Das LAG erachtete die ordentliche Kündigung zum 31.8.2008 für rechtswirksam. Der Kläger hatte eine Vorbildfunktion inne. Trotzdem verstieß er in zweifacher Hinsicht gegen seine vertraglichen Pflichten: Zum einen handelte er dem Verbot zuwider, private Telefonate zu führen, wodurch er auch Arbeitszeit entzog (BAG, Urt. v. 5.12.2002 – 2 AZR 478/01, DB 2003, S. 1685). Zum anderen nahm er die Eintrittskarte für das Fußballspiel an.

Wer jedoch als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile entgegennimmt, die dazu bestimmt oder auch nur geeignet sind, ihn in seinem geschäftlichen Verhalten zugunsten Dritter zu beeinflussen, verstößt gegen das sog. Schmiergeldverbot und schadet den Interessen des Arbeitgebers. Hierin liegt regelmäßig ein Grund, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Dabei ist es grundsätzlich gleichgültig, ob es tatsächlich zu einer Handlung kam, die den Arbeitgeber schädigt. Es reicht vielmehr, dass der gewährte Vorteil allgemein die Gefahr begründet, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen (BAG, Urt. v. 21.6.2001 – 2 AZR 30/00, NZA 2002, S. 232).

Die VIP-Eintrittskarte für das Fußballspiel stellte einen erheblichen geldwerten Vorteil dar. Das Geschenk war objektiv geeignet, ein Wohlwollen des Klägers gegenüber dem schenkenden Unternehmen zu begründen oder zu verstärken. Die Annahme des Geschenks begründete deshalb die Gefahr, der Kläger werde nicht mehr ausschließlich die Interessen seiner Arbeitgeberin wahrnehmen, wenn er Aufträge an Personalvermittler vergibt. Dies musste dem Kläger auch bewusst sein.

Diese Pflichtverletzung rechtfertigt – zusammen mit den Verstößen gegen das Verbot von Privattelefonaten – auch ohne Abmahnung eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Im Streitfall fällt allerdings die gebotene Inte – ressenabwägung zugunsten des Klägers aus: Der Beklagten war es angesichts der langen Betriebszugehörigkeit des Mitarbeiters, seines Alters, seiner Arbeitsmarktchancen und Unterhaltspflichten sowie des Umstands, dass es vor diesen Pflichtverletzungen keine nennenswerten Beanstandungen gegeben hatte, zumutbar, ihn bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Außerdem kam es für die Firma zu keinen nachteiligen Entscheidungen.

Konsequenzen

Das Urteil zeigt die hohe Bedeutung, die Compliance heute hat. Geschenke, Einladungen und Kostenübernahmen können nicht nur ein strafrechtliches Risiko bergen (vgl. §§ 331 ff. Strafgesetzbuch), sondern auch ein arbeitsrechtliches – und zwar sowohl auf Seiten des „Gebers“ als auch des „Empfängers“. Schon Utz Claassen, der ehemalige EnBW Vorstandsvorsitzende, stolperte über die Einladung von Politikern und Beamten anlässlich der Fußball WM 2006, woraufhin die Staatsanwaltschaft ermittelte. Hier nun kostete die (verborgene) Annahme von Fußball-VIP Karten den Empfänger den Job.

Praxistipp

Unternehmen ist zu empfehlen, zu diesem Thema interne Regeln und Verfahren aufzustellen und offen an Mitarbeiter und ggf. auch Kunden, Lieferanten etc. zu kommunizieren. Problematisch sind stets die versteckten „Anfütterungen“, schwarze Kassen usw., die für Korruptionsvorgänge typisch sind – Offenlegung und Transparenz sind die geeigneten Gegenmittel. Mitarbeiter sollten alle Geschenke, Einladungen und Kostenübernahmen, die über einen geringen Wert hinausgehen und nicht allgemein üblich sind (z. B. normale Kugelschreiber, Kalender), entweder freundlich ablehnen oder aber ihren Vorgesetzten bzw. Compliance-Beauftragten unverzüglich informieren und dessen Entscheidung abwarten.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi – 1/10