BAG vom 28.01.2010 – 2 AZR 1008/08

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Die Klägerin arbeitet in einem ambulanten Pflegedienst als Sozialarbeiterin und betreute Patienten in deren Wohnung. Nach einer ersten Kündigung erhielt die Klägerin ein Angebot von einem Konkurrenzunternehmen des Arbeitgebers. Bestandteil des Angebots war es, dass die Klägerin ihre bisherigen Patienten zur Konkurrenz mitnehmen sollte. Einige Patienten der Klägerin hatten zwischenzeitlich beim Arbeitgeber ihren Betreuungsvertrag schon gekündigt. Daraufhin zog der Arbeitgeber mit Zustimmung der Klägerin die Kündigung des Arbeitsvertrages wieder zurück.

Später erhielt der Arbeitgeber Kenntnis, dass die Klägerin eine Patientin an das Konkurrenzunternehmen vermittelt hatte und kündigte daraufhin erneut – dieses Mal fristlos, hilfsweise ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist (zweite Kündigung). Danach erfuhr der Arbeitgeber, dass die Klägerin selbst einen Antrag auf Zulassung als Leistungsanbieter gestellt hatte und mit der Betreuerin dieser Patientin zwecks Weiterbetreuung Kontakt aufgenommen hatte. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin noch einmal fristlos, hilfsweise ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist (dritte Kündigung).

Bei der zweiten Kündigung warf der Arbeitgeber der Gekündigten vor, Kundendaten an ein Konkurrenzunternehmen weitergegeben und diesem Verträge vermittelt zu haben. Bei der dritten Kündigung bemängelte der Arbeitgeber, dass die Gekündigte ihre Selbständigkeit plante. Die Klägerin reichte gegen beide Kündigungen eine Klage ein.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied am 28.01.2010, dass zwar die zweite außerordentliche Kündigung nicht wirksam war, aber die hilfsweise ordentlich ausgesprochene zweite Kündigung. Unter Einbeziehung der Entscheidungen des BAG vom 26.6.2008 – 2 AZR 190/07 und der Grundsatzentscheidung vom 25.04.1991 – 2 AZR 624/90 gelten demnach folgende Grundsätze:

I. Konkurrenztätigkeit während des bestehenden Arbeitsverhältnisses

Ein Arbeitnehmer verletzt seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt. Solange ein Arbeitsverhältnis rechtlich besteht, ist es einem Arbeitnehmer daher grundsätzlich untersagt, irgendeine Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers auszuüben. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dritten keine Dienste und Leistungen anbieten. Verstößt er hiergegen, kann eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein.

Im obigen Fall des BAG wurde der Klägerin zum Verhängnis, dass sie noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses Kundendaten an die Konkurrenz weitergegeben hatte. Dies stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot eines Arbeitnehmers dar. Durch die Rücknahme der ersten Kündigung lief das Arbeitsverhältnis weiter, obwohl es zum Zeitpunkt der Weitergabe zunächst fristlos gekündigt war. Das BAG urteilte zudem, dass die Klägerin, hätte sie die vertragswidrige Konkurrenztätigkeit unterlassen, kein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs nach § 615 Satz 2 BGB begangen hätte, also grundlos zumutbare Arbeit abgelehnt hätte. Auf diese Argumentation hatte sich die Klägerin berufen. Allerdings war es dem Arbeitgeber laut BAG zuzumuten, die ordentliche Kündigungsfrist abzuwarten.

Abmahnung erforderlich?

In diesem Fall hielt das BAG eine vorherige Abmahnung nicht für erforderlich. Denn der Arbeitgeber durfte angesichts der von der Klägerin begangenen Pflichtverletzung annehmen, die Klägerin werde sich in einer vergleichbaren Situation auch künftig und auch nach der vorausgegangenen Androhung einer Kündigung nicht anders verhalten. Der Klägerin sei nach Ansicht des Gerichts die Rechtswidrigkeit ihres Handelns ohne Weiteres erkennbar gewesen. Selbst damit, dass der Arbeitgeber ihr Verhalten einmal hinnimmt, konnte die Klägerin nicht rechnen.

Was ist im laufenden Arbeitsverhältnis erlaubt?

Während des laufenden Arbeitsverhältnisses darf nach Ansicht des BAG ein Arbeitnehmer – sofern kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vertraglich vereinbart ist – schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten. Verboten ist es dem Arbeitnehmer aber, eine werbende Tätigkeit aufzunehmen, zum Beispiel, indem er Konkurrenzgeschäfte vermittelt oder Kunden aktiv anwirbt. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, fallen darunter aber nicht. Erwirbt oder gründet der Arbeitnehmer lediglich ein Konkurrenzunternehmen oder stellt er dafür einen behördlichen Antrag, dessen Genehmigung Voraussetzung einer späteren selbständigen Konkurrenztätigkeit ist, stellt das ein erlaubte Vorbereitungshandlung dar – zumindest solange dieses Unternehmen noch nicht werbend am Markt tätig wird.

II. Konkurrenztätigkeit während eines Kündigungsrechtsstreits

Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich nachdem der Arbeitgeber eine (außerordentlichen) Kündigung ausgesprochen hat, die der Arbeitnehmer gerichtlich angreift, keine Konkurrenztätigkeit ausüben, auch wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden. Hierbei differenziert das BAG aber, ob dem Arbeitnehmer ein schuldhaftes, vorwerfbares Verhalten zur Last gelegt werden kann. Der Grad des Verschuldens sowie Art und Auswirkung der Konkurrenztätigkeit sind für die Interessenabwägung im Rahmen der Kündigung von Bedeutung, ebenso wie die Tatsache, wann der Arbeitnehmer die Konkurrenztätigkeit aufgenommen hat.

Das BAG macht hierbei folgende Unterscheidung:

Bloße Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen

In dem Fall, in dem der Arbeitnehmer während des Kündigungsrechtsstreits in ein bestehendes Konkurrenzunternehmen eintritt, ist nach Ansicht des BAG der Schuldvorwurf an den Arbeitnehmer auszuschließen oder zumindest zu mindern. Wenn der Arbeitnehmer am gekündigten Arbeitsverhältnis festhalten wolle, so das BAG, ginge es ihm ersichtlich nur um eine Übergangslösung, die der Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nicht entgegenstehe und für diesen keine anhaltende Konkurrenz bedeute. Das bedeutet, dass in diesem Fall tendenziell eine erneute Kündigung des Arbeitnehmers nicht wirksam sein wird.

Gründung eines eigenen Konkurrenzunternehmens

Gründet der Arbeitnehmer im Zeitraum während des Kündigungsrechtsstreits ein Konkurrenzunternehmen, dann beginne er damit eine regelmäßig auf Dauer angelegte Konkurrenztätigkeit und bekunde zugleich seine Absicht, künftig nicht mehr im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig werden zu wollen, so das BAG. Dann ist der Grad des Verschuldens höher. Ist der Arbeitnehmer aber auf einen weiteren Verdienst unbedingt angewiesen und ihm eine Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses außerhalb des Handelszweiges des bisherigen Arbeitgebers nicht möglich oder nicht zumutbar, kann der Verschuldensgrad wieder niedriger sein. Es kommt hier auf die jeweiligen Umstände an.

Praxistipp:

Konkurrenztätigkeit eines Arbeitnehmers ist nicht gleich Konkurrenztätigkeit. Der Einzelfall entscheidet, so dass pauschale Aussagen zu Konkurrenztätigkeiten nicht möglich sind. Von Bedeutung ist jedoch, wann der Arbeitnehmer die Konkurrenztätigkeit ausübt, um welche Art von Konkurrenztätigkeit es sich handelt und wie schwerwiegend sich diese auf das bestehende Arbeitsverhältnis auswirkt. Dabei ist die Abgrenzung zwischen erlaubter Vorbereitung einer späteren Selbständigkeit und unerlaubter Konkurrenz fließend, sowohl was die rechtliche Einordnung als auch was die tatsächliche Entwicklung angeht. In die Überlegung mit einfließen muss auch, ob eine Abmahnung entbehrlich ist.

Für Arbeitnehmer heißt das: äußerste Vorsicht bei Konkurrenztätigkeiten. Die Schwelle vom Erlaubten zum Verbotenen ist schnell überschritten und regelmäßig verstehen Arbeitgeber dabei kein Pardon. Arbeitnehmer die auf diesem Feld sorglos und treuwidrig agieren, erhalten blitzschnell – regelmäßig – eine fristlose Kündigung.

Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie allein schon aus taktischen Gründen im Fall einer Konkurrenztätigkeit handeln müssen, wenn sie sich vom Arbeitnehmer trennen wollen oder sich schon in Trennung befinden. Ist eine Kündigung noch nicht ausgesprochen und damit zu rechnen, dass der Arbeitnehmer damit begonnen hat, Konkurrenztätigkeiten zu entfalten, muss der Arbeitgeber gut überlegen, wann er kündigt. Da Konkurrenztätigkeiten im laufenden Arbeitsverhältnis schwerer wiegen als nach Ausspruch einer Kündigung muss der Arbeitgeber abwägen, ob er die Konkurrenztätigkeit schon ausreichend nachweisen kann. Ist das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt und der Arbeitnehmer konkurrierend tätig, sieht das BAG dies während eines laufenden Kündigungsrechtsstreit in der Tendenz als weniger gravierend an. Gleichwohl ist dem Arbeitgeber aus taktischen Gründen zu empfehlen, sofort zu reagieren und zu kündigen, um seine Position im Prozess zu stärken. Anstelle einer Kündigung oder parallel dazu kann er auch einen Auflösungsantrag in Betracht ziehen.

Weitere Informationen: www.bblaw.com