SCHLAGWORTE FÜR DIE LEKTÜRE:
Übergangsregelung Mindestlohn | Vereinbarkeit von Beruf und Familie | Kündigung bzgl. Außerdienstliches Verhalten | Werkvertrag | Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz
Erstmals wurde der Kongress durch den neuen Arbeitgeberpräsidenten Ingo Kramer eröffnet. Kramer begrüßte die nahezu 200 Geschäftsführer, Personalleiter, Anwälte, Verbandsjuristen sowie Referenten und ging danach auf die hinsichtlich des Koalitionsvertrags zu erwartenden Änderungen im Arbeits- und Sozialrecht umfassend ein. Dabei betonte er insbesondere die Notwendigkeit, die Rechtsänderungen so zu gestalten, dass negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt weit gehend ausgeschlossen werden. Dies gelte z. B. für die Notwendigkeit einer Übergangsregelung beim Mindestlohn und das Erfordernis von Ausnahmen für Personen mit Vermittlungshemmnissen, um negative Folgen für den Arbeitsmarkt zu vermeiden. Sehr begrüßte er die Einigung der Koalitionspartner, die Wiederherstellung der Tarifeinheit gesetzlich zu regeln. Die Tarifeinheit stärke und unterstütze die Tarifautonomie.
Die im Bereich der Allgemeinverbindlichkeit geplanten Änderungen seien überflüssig. Auch im Rahmen der Zeitarbeit und der Werkverträge bestehe kein gesetzlicher Regelungsbedarf. Viele Ziele des Koalitionsvertrags seien bereits heute geltendes Recht. Werkverträge seien ein unverzichtbares Element der Wertschöpfung in Deutschland, und die Zeitarbeit sei gerade für Beschäftigungslose von besonderer Bedeutung, um wieder in Beschäftigung zu gelangen.
Abschließend betonte der Arbeitgeberpräsident, wie wichtig für Unternehmen und Gesellschaft die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist. Unter dem Vorwand, dies fördern zu wollen, plane die Große Koalition vielfältige Änderungen im Bereich des Teilzeitrechts, bei der Elternzeit und anderen spezifischen Regelungen zur Verteilung der Arbeitszeit. Besonders kritisch sehe er das Vorhaben, einen befristeten Teilzeitanspruch zu schaffen.
Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer (Gleiss Lutz, Stuttgart) erläuterte anschließend die aktuellen Entwicklungen im Arbeitsrecht. Er wies auf das Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 20.6.2013 (11 Sa 159/12) hin. Diese Entscheidung zeige deutlich den restriktiven Umgang der Rechtsprechung mit der Frage, wann ein außerdienstliches Verhalten eine Kündigung rechtfertige. Ferner berichtete er über die erste Entscheidung zu § 14 Nr. 8 TzBfG, also der wirksamen Befristung aufgrund gerichtlichen Vergleichs. Das LAG Niedersachsen hatte sie bei einem schriftlichen Gerichtsvergleich bejaht (Urt. v. 5.11.2013 – 1 Sa 489/13). Diese gelte bei beiden in § 278 Abs. 6 ZPO vorgesehenen Formen (Vorschlag der Parteien/des Gerichts).
Der Werkvertrag als für die Arbeitswelt unverzichtbares und anerkanntes Instrument stand im folgenden Vortrag von Sibylle Talkenberg (Gesamtmetall, Berlin) im Fokus. Sie stellte dabei die Eckpunkte der politischen Diskussion dar. Zur Abgrenzung von der Zeitarbeit sei zunächst zwischen Werkverträgen, die außerhalb, und solchen, die auf dem Betriebsgelände durchgeführt werden, zu differenzieren. Zur genaueren Betrachtung der Werkverträge rief sie die von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien in Erinnerung.
Ministerialdirigentin Maria-Britta Loskamp (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) berichtete über das Arbeitsprogramm der neuen Bundesregierung im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts. In dem bereits angekündigten Tarifpaket sollten u. a. Änderungen im Bereich der Allgemeinverbindlichkeit, die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns sowie die Öffnung des Arbeitnehmerentsendegesetzes für alle Branchen enthalten sein. Darüber hinaus seien Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge ein Schwerpunkt der Diskussion. Durch Änderungen im Bereich der Werkverträge sollten rechtswidrige Vertragskonstruktionen zulasten der Arbeitnehmer ausgeschlossen werden. Bei der Abgrenzung zur Zeitarbeit sei im Wesentlichen auf zwei Aspekte abzustellen: die Unterscheidung nach Arbeitnehmerüberlassung mit und ohne Erlaubnis sowie die Differenzierung zwischen Selbständigkeit und Scheinselbstständigkeit.
Ein Update zum AGG stellte Prof. Dr. Gregor Thüsing (Universität Bonn) vor. Er hob die Entscheidung „Kücükdeveci“ des EuGH (Urt. v. 19.1.2010 – C-555/07) hervor. Diese führe zur Unwirksamkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB. Des Weiteren wies er auf ein Urteil des EuGH vom 7.6.2012 (C-132/11, „Tyrolean Airways“) hin. In dieser hatte der EuGH die Anknüpfung an die Betriebstreue anstelle des Alters zu Recht als legitim erachtet.
Parallel dazu leitete Dr. Roland Gastell (BMH Bräutigam & Partner, Berlin) ein Fachanwaltsforum unter dem Titel „Druckmittel Beschäftigungsanspruch“. Unter der Moderation von Roland Wolf (BDA, Berlin) fand im Anschluss eine Podiumsdiskussion statt. Als Teilnehmer waren auf dem Podium Sebastian Lazay (Vizepräsident BAP, Berlin), Prof. Dr. Jens Schubert (ver.di-Bundesvorstand, Berlin), Maria-Britta Loskamp und Sybille Talkenberg vertreten. Es kam eine lebhafte Diskussion über flexible Beschäftigung und insbesondere zu Fragen der Zeitarbeit und möglichen Regelungen auf.
Der zweite Tag des Kongresses wurde mit einem Überblick zur neuesten Entwicklung durch den Vorsitzenden des „Urlaubs-Senats“ (9. Senat) des BAG, Dr. Gernot Brühler, eingeläutet. Er betonte dabei die Rolle des EuGH als Taktgeber auch für das deutsche Urlaubsrecht. Ausführlich besprach Dr. Brühler dabei das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Brandes“ (v. 13.6.2013 – C-415/12) zur Frage, inwieweit der Urlaubsanspruch beim Übergang von einer Voll- in eine Teilzeitbeschäftigung angepasst werden kann. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, wie sehr die Rechtsprechung des EuGH die Rechtsanwendung vor erhebliche praktische Probleme stellt. Der Beitrag von Prof. Dr. Björn Gaul (CMS Hasche Sigle, Köln) behandelte umfassend Fragen zum Kündigungsschutzrecht, beginnend mit den Auswirkungen des „Emmely“-Urteils des BAG (v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09) auf die Abmahnung bis zu praktischen Hinweisen zur Altersgruppenbildung im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung. Gaul schloss seinen Vortrag mit den Besonderheiten der betriebsbedingten Kündigung im Rahmen eines Betriebsübergangs ab.
Prof. Dr.-Ing. Sascha Stowasser (Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, Düsseldorf) betonte in seinem Vortrag „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“, dass es hier Handlungsbedarf für die Betriebe gebe. Dies gelte vor allem vor dem Hintergrund der Änderung des § 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG, der nunmehr die Gefährdungsbeurteilung auch unter dem Aspekt der psychischen Belastung besonders erfordere. Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie sei ein wirksames Instrument, um auf die aktuellen Anforderungen hinsichtlich psychischer Belastungen reagieren zu können. Gleichzeitig stellte Stowasser infrage, ob eine Anti-Stress-Verordnung erforderlich ist.
Der Kongress schloss mit dem umfassenden Vortrag von Dr. Barbara Reinhard (Kliemt & Vollstädt, Frankfurt) zur Vertragsgestaltung, insbesondere unter dem Aspekt der neueren Rechtsprechung des BAG zum Widerrufsvorbehalt.
Moderator Volker Hassel (AuA, Berlin) verabschiedete die Teilnehmer und lud gleichzeitig zum nächsten Kongress am 24. und 25. Februar 2015 nach Berlin (Marriott am Potsdamer Platz) ein.
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Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht | Ausgabe 4 – 2014