Kehren wir zurück zur Ausgangslage
– was ist passiert? Mitarbeiter haben
sich am Arbeitsplatz strafbar gemacht:
Manipulation, Diebstahl, Veruntreuung,
Betrug haben im Einzelfall nur
geringe materielle Schäden verursacht,
stellen aber zweifellos Unrechtshandlungen
dar. Ob sich Staatsanwaltschaften
oder Gerichte in diesen Fällen tatsächlich
mit Strafanträgen beschäftigt
hätten, lassen wir erst einmal außen
vor. Die Arbeitgeber jedenfalls haben
arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen
– und gekündigt.

man in black jacket sitting on chair
Foto von Zaiqiao Ye

Dem öffentlichen Druck folgend hat
der eine oder andere Arbeitgeber
jedoch seine Kündigung zurückgezogen.
Viele Delikte werden also gegenwärtig
nicht konsequent geahndet.
Die Folge: Die Hemmschwelle zur
Unrechtshandlung sinkt weiter, für
die Täter entsteht kaum ein Risiko.
Bagatell-Delikte hin – Bagatell-Delikte
her. Das Strafgesetzbuch spricht
eine eindeutige Sprache: Diebstahl
ist Diebstahl. Das gleiche gilt für
Unterschlagung, Veruntreuung und
ähnliche Delikte. Wer will hier welche
Grenze ziehen und zu welchen
Reaktionen auf der Täterseite führt
das? Wir hören gelegentlich die Klagen,
dass ein Unrechtsbewusstsein
heute so gut wie nicht mehr vorhanden
sei. Lug und Trug nehmen zu. Es
kommt nicht von ungefähr, dass am
Arbeitsplatz vermehrt Sicherheitsvorsorge
gepredigt wird. Wir verschließen
unseren Schreibtisch, lassen die
Handtasche mit der Geldbörse nicht
mehr offen stehen, bei Verlassen des
Büros drehen wir den Schlüssel um
… und dennoch sind Täter aktiv. Täglich,
mehr und mehr.

Schauen wir einmal zurück in die Entwicklung
der Menschheit und ihrer
Kriminalität. Haben sich mutmaßlich
die Neandertaler mit der Keule gegen
die Verletzung ihrer Rechte gewehrt,
wurden vor mehr als 2000 Jahren die
Zehn Gebote für den Umgang miteinander
erlassen. In der humanen und
zivilisierten Arbeitswelt wurden nach
und nach außer Pförtnern auch Werkschutz,
Revisions-, Rechtsabteilung
und Compliance Officers installiert,
um dem Phänomen Kriminalität am
Tatort Arbeitsplatz zu begegnen.

Die Kriminalstatistik zeigt über viele
Jahre trotz allem steigende Schäden.
Arbeitgeber geben eine Menge Geld
dafür aus, dass diese nicht auftreten.
KonTraG, das Gesetz zur Kontrolle
und Transparenz im Unternehmensbereich,
und weitere gesetzliche Vorschriften
zwingen die Unternehmensverantwortlichen
dazu, Maßnahmen
zur Vermeidung von Manager- und
Mitarbeiterkriminalität einzuleiten.
Die persönliche Haftung für die Verantwortlichen
im Schadensfall wird
von den Gerichten eingefordert oder
im Vorfeld der gerichtlichen Auseinandersetzung
praktiziert (Beispiel
Siemens).

Vor einer Verwischung der Grenzen
von Strafbarkeit zugunsten angeblicher
Bagatell-Delikte möchte ich
ausdrücklich warnen. Die alte Lebenserfahrung
besagt, wenn ich den
kleinen Finger reiche, wird die ganze
Hand genommen. Und genau dies
ist erlebte Praxis im Detektivalltag
bei der Aufklärung von Managerund
Mitarbeiterkriminalität. Was im
Handel der Ladendiebstahl, ist bei
Bewerbungen die Lüge. Nach aktuellen
Untersuchungen soll etwa jede
dritte Bewerbung nicht vollständig
wahrheitsgemäß sein.

Hier allerdings muss ich als Hardliner
gegen Kriminalität durchaus
eingestehen, mit zweierlei Maß zu
messen. Denn Bewerbung kommt
von Werbung. Deshalb plädiere ich
für die Hinnahme von leichter Schönfärberei.
Das halte ich für vertretbar,
ist aber verbunden mit der direkten
Verpflichtung der Verantwortlichen
am Arbeitsplatz, dem neuen Mitarbeiter
erhöhte Aufmerksamkeit entgegenzubringen.
Es gilt das Motto:
„Vertrauen ist gut, ohne Kontrolle
geht es nicht!“

Quelle: PERSONAL – Heft 04/2010