two men in suit sitting on sofa
Foto von Austin Distel

ENTSCHEIDUNG

Das BAG schloss sich dem an. Unter Hinweis auf die Gebote der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit prüfte es den Zeugnisinhalt und bewertete ihn für zulässig. Es hob dabei deutlich hervor, dass es Sache des Arbeitgebers ist, das Zeugnis zu formulieren. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf einen bestimmten Wortlaut. Die Bewertung der angegriffenen Formulierung sowie der Aussagen im unmittelbaren Umfeld ergab keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Begriff „kennen gelernt“ eine verschlüsselte Bedeutung haben sollte. In dem Zusammenhang verwies das BAG auf eine Einzelentscheidung des LAG Hamm aus dem Jahre 2000, die die Wendung „kennen gelernt“ für grundsätzlich negativ hielt. Nach seiner Auffassung habe sich diese Einschätzung in der Praxis nicht durchgesetzt. Der Arbeitnehmer konnte auch – mit Ausnahme der Entscheidung des LAG Hamm – nichts Substanzielles dazu vortragen, warum er die Formulierung „kennen gelernt“ für eine verschlüsselte negative Äußerung hielt.

KONSEQUENZEN

Einmal mehr zeigt sich, wie heftig über einzelne Zeugnisformulierungen gestritten wird. Für Arbeitgeber, die keine unnötigen Rechtstreitigkeiten wünschen, gilt: Wer „übliche Zeugnisformulierungen“ verwendet, sollte dies stringent tun. Die Durchbrechung der üblichen „Zeugniscodes“ durch kreative Eigenschöpfungen bewerten Gerichte nämlich oft als negativ. Will der Arbeitgeber hingegen seine freie Entscheidung mit eigenen Worten ausdrücken, ist ihm dies unbenommen. Er muss allerdings im Zweifel mit einer Klage rechnen.

Praxistipp

Um unsägliche Zeugnisstreitigkeiten zu vermeiden, überlassen es viele Arbeitgeber mittlerweile den Arbeitnehmern, das Zeugnis zu formulieren. Das entwertet den Zeugniszweck vollkommen. Mitarbeiter müssen sich darüber im Klaren sein, dass potenzielle neue Arbeitgeber dann telefonisch beim Vorarbeitgeber nachfragen werden. Dabei erhalten sie üblicherweise wahrheitsgemäße und ungefilterte Bewertungen. Dieses Vorgehen hat allerdings auch eine Kehrseite. Mittlerweile gibt es eine Entscheidung des  Arbeitsgerichts Berlin, die die Rechtsprechung des BAG aufweichen will, wonach ein Arbeitnehmer stets darlegen und beweisen muss, warum er eine bessere Bewertung als ein „befriedigend“ haben möchte. Das Arbeitsgericht Berlin verweist darauf, dass sich – angeblich – 87 % der Zeugnisse im guten oder sehr guten Bereich bewegen. Daher muss nun der Arbeitgeber nachweisen, warum er einen Mitarbeiter schlechter bewertet. Das wäre der Todesstoß für ein „echtes“ Zeugnis und für das zweite Gebot der Zeugnisse – die Zeugniswahrheit.

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Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht · 5/13

PROBLEMPUNKT

Anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt ein Arbeitnehmer ein Schlusszeugnis, das auszugsweise wie folgt lautete: „Wir haben Herrn K. als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte. Herr K. war jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen. Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“  Der Kläger begehrte eine Änderung des Zeugnisses. Seinem Verständnis nach werde der Wortlaut „kennen gelernt“ so verstanden, dass er diese Fähigkeiten tatsächlich nicht hatte. Der Arbeitgeber lehnte dies ab. Die Vorinstanzen gaben ihm Recht.