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Foto von Tyler Franta

ENTSCHEIDUNG

Das BAG hielt die Klageänderung für zulässig und erklärte, dass die Feststellungsklage – und nicht die Leistungsklage – die richtige Klageart ist. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer nicht aktiv freistellen. Vielmehr hat die Erklärung gem. § 3 Pflege ZG unmittelbar zur Folge, dass der Mitarbeiter während der ordnungsgemäß genommenen Pflegezeit keine Arbeitsleistung mehr zu erbringen hat.

Der Anspruch an sich bestand jedoch aus Sicht des BAG nicht. Für eine Pflegezeit nach § 3 Pflege ZG hat jeder Arbeitnehmer pro nahem Angehörigen maximal eine Zeit von sechs Monaten zur Verfügung, § 4 Pflege ZG. Durch die Erklärung, im Juni an fünf Tagen Pflegezeit für seine Mutter zu nehmen, übte der Kläger dieses Gestaltungsrecht aus. Es steht ihm nur einmal zu. Der Anspruch, seine Mutter gem. § 3 Pflege ZG zu pflegen, war damit verbraucht. Dabei ist es unerheblich, dass rechnerisch noch Zeit übrig ist. Das Gesetz eröffnet keine Möglichkeit, die Pflegezeit für den gleichen Angehörigen mehrfach in Anspruch zu nehmen.

Das BAG leitete dies insbesondere aus dem Regelungszusammenhang des Gesetzes ab: Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Pflege ZG kann ein Arbeitnehmer, der die sechs Monate Pflegezeit nicht voll ausschöpft, nur mit Zustimmung des Arbeitgebers die Zeit auf bis zu sechs Monate verlängern. Bestünde von vornherein die Möglichkeit, die Pflegezeit frei aufzuteilen, wäre die Regelung überflüssig.

 

Ausdrücklich offen ließ das BAG die Frage, ob der Beschäftigte gleich mit der ersten Erklärung die Pflegezeit auf mehrere Zeitabschnitte hätte aufteilen können. Auch äußerte es sich nicht dazu, ob sich der Anspruch auf das bestehende Arbeitsverhältnis beschränkt, oder ob er bei einem Wechsel des Arbeitgebers auch für diesen Angehörigen neu entsteht.

KONSEQUENZEN

Die Entscheidung ist nachvollziehbar und aus Arbeitgebersicht zu begrüßen. Sie sorgt dafür, dass Unternehmen eine gewisse Planungssicherheit behalten, was die Inanspruchnahme von Pflegezeit betrifft. Hätten die Arbeitnehmer die Möglichkeit, einseitig über sechs Monate zu verfügen und diese in beliebig viele kurze Abschnitte aufzuteilen, wäre eine Personalplanung nur schwer und mit erheblichen Belastungen möglich. Genau das wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des Pflegezeitgesetzes aber nicht erreichen.

Hinzu kommt, dass Arbeitnehmer ansonsten hierüber ihren Kündigungsschutz steuern könnten: § 5 Pflege ZG gesteht ihnen ab Antragstellung Sonderkündigungsschutz zu. Bei der Aufteilung in verschiedene Abschnitte ließen sich hierüber (und durch eine ausreichend lange Vorlaufzeit des Antrags) nicht unerhebliche Zeiträume abdecken. Ein Missbrauch wäre zumindest möglich.

 

Bezüglich der spannenden Fragen, die das Gericht ausdrücklich offengelassen hat, bleibt abzuwarten, bis die entsprechenden Konstellationen vor die Gerichte gelangen. Es ist insbesondere nicht auszuschließen, dass bei einem Arbeitgeberwechsel der Anspruch auf Pflegezeit neu erwächst. Ob es aber möglich sein wird, ihn auf mehrere Zeitabschnitte aufzuteilen, ist zu bezweifeln.

Praxistipp

Es bedarf keiner Zustimmung des Arbeitgebers, wenn die Voraussetzungen des § 3 Pflege ZG vorliegen: Ähnlich wie bei der Elternzeit, steht dem Arbeitnehmer ein Gestaltungsrecht zu. Allein durch die Erklärung kommt es zur Pflegezeit, nicht erst durch eine Bestätigung oder eine Freistellungserklärung des Arbeitgebers. Bei entsprechenden Mitteilungen ist aber zu prüfen, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Pflegezeit vorliegen:

› Bestehen eines Arbeitsverhältnisses,

› mehr als 15 beschäftigte Arbeitnehmer,

› naher Angehöriger,

› Pflegebedürftigkeit,

› Pflege in häuslicher Umgebung,

› noch keine vorherige Pflegezeit für diesen Angehörigen,

› Einhaltung der zehntägigen schriftlichen Ankündigungsfrist
  mit Festlegung des Zeitraumes und Umfangs der Freistellung,

› bei nur teilweiser Freistellung ist die gewünschte Verteilung
  der Arbeitszeit anzugeben sowie eine Vereinbarung abzuschließen.

Dem Wunsch des Arbeitnehmers ist zu entsprechen, wenn keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Hat der Mitarbeiter die Erklärung, für welchen Zeitraum er die Pflegezeit in Anspruch nimmt, einmal abgegeben, ist eine Verlängerung nur noch mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich. Diese ist noch in der laufenden Pflegezeit einzuholen und darf die sechs Monate insgesamt nicht überschreiten.

Daneben bleibt dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, in akuten Fällen eine kurzzeitige Pflegezeit zu nehmen, § 2 Pflege ZG. Sie unterliegt jedoch strengeren Voraussetzungen. Sie ist insbesondere nicht mehr möglich, wenn bereits Pflegebedürftigkeit bestand und sich die Situation nicht wesentlich geändert hat.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht · 5/13

PROBLEMPUNKT

Der Kläger arbeitet bei der Beklagten als Betriebsmittelkonstrukteur. Seine Mutter ist pflegebedürftig (Pflegestufe I). Im Februar 2009 teilte der Kläger seiner Arbeitgeberin mit, er werde gem. § 3 Pflege ZG Mitte Juni fünf Tage Pflegezeit in Anspruch nehmen. Die Voraussetzungen lagen vor.

Anfang Juni 2009 kündigte der Kläger dann an, er beanspruche im Dezember zwei weitere Tage Pflegezeit. Schließlich stehe ihm eine Pflegezeit von sechs Monaten zu, die er nicht zusammenhängend nehmen müsse. Dies lehnte die Arbeitgeberin ab. Das Pflegezeitgesetz räume nur eine einmalige, ununterbrochene Pflegezeit ein. Der Kläger klagte auf Freistellung für zwei Tage im Dezember 2009 bzw. hilfsweise auf die Feststellung, dass der Arbeitgeber ihn freizustellen hat. Arbeitsgericht und LAG wiesen die Klage ab. In der Revisionsinstanz änderte der Mitarbeiter die Klage und beantragte die Feststellung, dass ihm für die Pflege seiner Mutter noch Pflegezeit von sechs Monaten abzüglich fünf Tagen zusteht.