Nun fehlt nur noch, dass Unternehmen per Losverfahren über die Einstellung neuer Mitarbeiter entscheiden müssen…

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Foto von bruce mars

In Frankreich haben sich aktuell 50 Unternehmen dazu bereit erklärt, in den kommenden Monaten eingehende Bewerbungen über ein Formular entgegen zu nehmen, aus dem weder der Name noch die Adresse des Bewerbers hervorgeht.

Ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 13. November startet nicht zu Unrecht mit der Formulierung “Es klingt fast wie ein Scherz”…

Auch wenn die anonyme Bewerbung in den U.S.A. schon zum Standardverfahren gehört, erklärt sich mir beim besten Willen nicht, warum nun auch wir Europäer dieses völlig ungeeignete Vorgehensmodell für die Suche und Auswahl von Mitarbeitern einführen sollen.

Die Befürworter der anonymen Bewerbung, zu denen nun auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gehört, rühmen das Verfahren wegen einer vermeintlichen Erhöhung der Chancengleichheit. Zudem soll die Gefahr einer möglichen Diskriminierung im Bewerbungsverfahren ausgeschlossen werden.

In amerikanischen Lebensläufen bleiben somit Angaben zum Alter, zur Herkunft, zur Religion oder auch zum Familienstand unerwähnt. Selbst ein Foto ist in den Bewerbungsunterlagen nicht erwünscht. Unternehmen in den U.S.A. verzichten auf all diese Informationen, da die Gefahr besteht, dass abgelehnte Bewerber sich mittels kostenintensiver Klagen gegen eine unterstellte Diskriminierung zur Wehr setzen.

Unternehmen verfolgen jedoch gar nicht das Ziel, Bewerber zu diskriminieren, sondern sie wollen sich lediglich für den aus ihrer Sicht geeigneten Kandidaten entscheiden. Um diesen Entscheidungsprozess sorgfältig und verantwortungsbewusst – übrigens auch im Interesse des Bewerbers – durchführen zu können, ist es allerdings notwendig, dass dafür die Informationen vorliegen, die man für die Entscheidungsfindung benötigt.

Eine Bewerbung stellt die Visitenkarte des Bewerbers dar und dokumentiert schon bei der ersten Kontaktaufnahme, wie ernsthaft und sorgfältig sich der Kandidat mit dem Unternehmen, der freien Position und seiner möglichen Rolle in diesem Zusammenhang auseinandergesetzt hat. Und dazu gehört aus meiner Sicht auch das Foto als wichtiges Element in den Unterlagen, damit man sich – im wahrsten Sinne des Wortes – ein “Bild” vom künftigen Mitarbeiter machen kann.

Bleibt dies alles verborgen und reduziert sich die Bewerbung auf das Ausfüllen eines anonymen Antragsformulars, so kann keine vernünftige Vorentscheidung über die Einladung von Bewerbern mehr erfolgen.

Und sind wir doch einmal ehrlich:

Wer glaubt denn wirklich daran, dass am Ende ein Kandidat oder eine Bewerberin das Rennen machen, auch wenn trotz vorhandener fachlicher Qualifikation die Eignung nicht gegeben ist, weil persönliche Aspekte gegen die Einstellung sprechen.

Was wird also tatsächlich erreicht, wenn Bewerber in ihren Unterlagen auf wesentliche Angaben verzichten?

Nichts! Denn kein Unternehmen wird sich deshalb für jemanden entscheiden, der nicht passt!

Der Bewerbungsprozess wird nur unnötig in die Länge gezogen und die Unternehmen führen Interviews mit Bewerbern, die sie sich sonst möglicherweise hätten sparen können.

Die einzigen Effekte, welche mit der Einführung dieses Verfahrens verbunden sein werden, sind

■eine Verteuerung der Arbeitsabläufe in Personalabteilungen von Unternehmen
■die Verlangsamung des Rekrutierungsprozesses neuer Mitarbeiter und
■die Entwicklung neuer “kreativer Ideen” zur Umgehung genau dessen, was mit dieser Form der Bewerbung erreicht werden soll…

… nämlich Chancengleichheit und Objektivität.

Es hat aber nichts mit Chancengleichheit zu tun, wenn unternehmerische Entscheidungen – und dazu gehört die sorgsame Vorauswahl von Bewerbern – nach dem Zufallsprinzip erfolgen sollen.

Ich hoffe sehr, dass wir in diesem Punkt unsere eigenen Traditionen bewahren und der Individualität und Professionalität Vorrang geben vor Gleichmacherei und Bürokratie!

Oder gar vor einer Einstellungsentscheidung im Losverfahren…

Detlev Weise 18.11.2009 www.jobklinik.de