Die Frankfurter Strategie-Beratung Otto • Henning & Company und die Münchener Personalberatung Rat.Haus haben dafür in Kooperation mit der Universität Eichstätt Ingolstadt ein deutschlandweites HR-Forschungsprojekt durchgeführt. Über einen Zeitraum von sechs Monaten wurden mehr als 1.500 Personalmanager und Personalvorstände der größten deutschen Unternehmen aus Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistung, Handel, Industrie, Dienstleistungen, Rechts- und Unternehmensberatungen sowie Technologie befragt.

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Foto von Dylan Gillis

Auf strategischer und operativer Ebene messen die befragten Personalverantwortlichen im Jahr 2010 den Themen Effektivität und Optimierung der HR-Prozesse, Arbeitsabläufe und Organisation mit 62 Prozent die höchste Priorität bei. Die Führungskräfteentwicklung liegt demnach mit 55 Prozent auf den zweiten Platz der HR-Agenda, dicht gefolgt vom Thema Talentmanagement. Nach Meinung von 52 Prozent der Studienteilnehmer kann das moderne Personalmanagement die aktuellen Anforderungen nur meistern, wenn die HR-Organisation an der Geschäftsorganisation ausgerichtet ist.

HR auf Vorstandsebene etablieren

HR gehöre demnach in den Vorstand, so die Studienautoren. Dafür müssten Personaler sich jedoch eine wertorientierte Tonalität aneigenen und ihre Leistungen nachweisbar machen, um gemeinsame Ziele mit dem Vorstand definieren und erarbeiten zu können. Dass 68 Prozent der Unternehmen den Ergebnissen zufolge ihre Personalabteilungen dem Vorstandsbereich zuordnen, wertet die Untersuchung folglich als Schritt in die richtige Richtung.

Personalverantwortlich scheinen wertgenerierende Potentiale bereits zu erkennen – zumindest wenden sie laut Studie zunehmend das sogenannte Drei-Säulen-Modell an. Dabei werden überschüssige Ressourcen reduziert und das HR-Arbeitsaufkommen in drei Bereiche geteilt: Strategische Anforderungen der HR Business Partner, konzernweite Personalkonzepte oder Center of Competence sowie Administration von Personalstandards im Shared Service Center. Obwohl diese Optimierungspotentiale in vielen Personalabteilungen vorhanden seien, könnten HR-Verantwortliche jedoch häufig noch keine klaren Aussagen in Bezug auf den Wertbeitrag treffen, so die Untersuchung.

Das Dilemma der Personaler bestehe darin, dass ihr Unternehmerdenken oft zu schwach ausgeprägt sei und sie den Nachweis für ihren Wertschöpfungsbeitrag schuldig blieben. 69 Prozent der Befragten gaben an, dass sie Kennzahlen erheben. Doch mehrheitlich seien darunter nur in die Vergangenheit gerichtete Werte wie die Fluktuations- und Kündigungsrate sowie der durchschnittliche Personalaufwand. Personalkennzahlen, die die Leistungsfähigkeit des Personalwesens im wirtschaftlichen Sinne besser transparent machen könnten, beispielsweise die Wertschöpfung des Humankapitals, messen laut der Studie nur sechs bis zehn Prozent der Unternehmen.

HR ist kein Karriere-Sprungbrett

 

Diese Ergebnisse können auch erklären, warum nur fünf Prozent der Personaler ihr Ressort für attraktiv genug halten, um von dort aus eine unternehmensweite Karriere zu starten. Die Studienautoren sind davon überzeugt: Könnte die Personalabteilung die eigene Leistung nachweisen und damit im internen Ansehen auf die anderen Ressorts aufschließen, dürfte auch der Jobwechsel auf Top-Ebenen keine Ausnahme bleiben.

Doch das Image der Personalabteilungen liege ebenso wie deren Selbstverständnis noch weit hinter den Möglichkeiten zurück. Weniger als die Hälfte der Befragten (44 Prozent) sehen sich gegenwärtig als Mitgestalter des Unternehmenserfolgs. Dieses Ergebnis erklärten sich 86 Prozent der Studienteilnehmer durch die fortwährende Dienstleistungsmentalität ihres Ressorts. 40 Prozent sind der Auffassung, dass der Anteil administrativer Tätigkeiten am Gesamtarbeitsaufkommen der HR-Aufgaben zu hoch sei, um die Potenziale voll auszuschöpfen. Vor diesem Hintergrund sind auch mehr als die Hälfte der Personalleiter (56 Prozent) überzeugt, dass ihnen jeglicher Einfluss auf die Strategie und damit auf den langfristigen Erfolg des Unternehmens verwehrt ist.

Die Studienmacher fordern angesichts dieses Ergebnisses ein Umdenken: Personalmanagement benötige in Zeiten des demografischen Wandels und anhaltenden Kostendrucks größere Handlungsspielräume und die volle Aufmerksamkeit des Top-Managements. Das belegten sowohl die Stimmen der Befragten als auch die ökonomische Empirie.

Talentmanagement kann Positionierung von HR stärken

Eine konkrete Chance zum Wandel des HR-Bereichs als strategischer Partner könnte das Talentmanagement sein: 38 Prozent der Studienteilnehmer setzen dieses Instrument bereits auf Vorstands- und Geschäftsleitungsebene gemeinsam mit dem HR- und Linienmanagement um. Für mehr als die Hälfte der Befragten steht das Talentmanagement auf der Prioritätenliste ganz oben. Die aktuelle Dominanz des Themas Talentmanagement führen die Studienautoren darauf zurück, dass sich der HR-Bereich wünsche, einen eigenständigen Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten. Zumindest glauben 70 Prozent der befragten Personaler, dass die Leistung des Unternehmens durch ein effizientes Talentmanagement gesteigert werden könne.

Dennoch betrachteten sie die vier Säulen des Talentmanagements – Vergütung, Beförderung, Weiterbildung und Aufmerksamkeit der Vorstandsetage – nur selten in vollem Umfang und Zusammenhang. Dies könne dazu führen, dass sich die hohe bis sehr hohe Risiko-Einschätzung von 36 Prozent der Befragten realisiere: Unternehmen könnten dadurch noch nicht identifizierte, aufstiegsinteressierte Talente und damit wertschaffende Ressourcen an den Wettbewerb verlieren.

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist der Fachkräftemangel eines der relevantesten Zukunftsthemen für Personalverantwortliche. Dementsprechend steigen die Anforderungen, um die qualifizierte Stammbelegschaft zu halten und talentierte Nachwuchskräfte zu gewinnen. Dass Talente eine attraktive und herausfordernde Tätigkeit suchen, glauben zumindest 83 Prozent der befragten Personaler. 71 Prozent der Studienteilnehmer sehen in Karriereperspektiven und 64 Prozent im Arbeitgeberimage eine Schlüsselrolle in der Personalbeschaffung.

Dennoch gibt es in jedem vierten Unternehmen keine Talentmanagement-Strategie, in dreizehn Prozent der Fälle wird sie nicht wahrgenommen und bei 35 Prozent der Firmen ist sie geheime Kommandosache. Daraus folgern die Macher des HR Benchmarking Report 2010/11, dass im Talentmanagement ein enormes Potential schlummere.

Breite Datenbasis zeigt Aufgabenfelder mit Zukunft

Die im Gabal Verlag erschienene Report geht auf 190 Seiten vor allem auf fünf Kernthemen ein:

1. Aktuelle Entwicklungen von HR

2. Organisation des Personalressorts

3. Personalkennzahlen

4. Talentmanagement

5. Trends für die kommenden Jahre

Insbesondere die breite Datenbasis von 1.500 Befragten macht die Untersuchung zu einer wichtigen Grundlage für die strategische Ausrichtung von HR-Abteilungen. Mehr Wertschöpfung fordern die Akteure der HR-Szene schon lange. Es ist Zeit, zu handeln. Die vorliegende Studie zeigt die Möglichkeiten dazu auf.

Der HR Benchmarking Report 2010/11 ist im Gabal-Verlag erschienen. Interessierte können sie unter der ISBN-Nummer 978-3-7664-9718-5 zum Preis von 495 Euro per Email unter studie@oh-c.com oder telefonisch unter der Nummer 069 – 509 279 0 bestellen.