Der Arbeitsmarkt ist weiterhin angespannt und viele Unternehmen spüren deutlich, wie schwierig es geworden ist, passende Fachkräfte zu finden. Gleichzeitig verändert sich die Zusammensetzung der Belegschaften, technologische Entwicklungen beschleunigen Arbeitsprozesse und Beschäftigte erwarten mehr Flexibilität und eine Kultur, die moderne Zusammenarbeit unterstützt. Vor diesem Hintergrund rückt 2026 als Jahr in den Blick, in dem sich zentrale Entwicklungen weiter verdichten könnten.
Fachkräftemangel bleibt bestimmender Faktor
Das IAB-Arbeitsmarktbarometer lag im November 2025 bei 100,4 Punkten und signalisiert weiterhin enge Marktverhältnisse. Eine spürbare Entlastung erwarten viele nicht. Michael Eger, Consulting Leader Talent Attraction, Recruiting & Retention Europe & UK bei Mercer, bringt es auf den Punkt: „Zunächst mal sehen wir für 2026 noch keine Erholung am Arbeitsmarkt“. Unternehmen sind daher gefordert, Wege zu finden, interne Potenziale besser zu nutzen und sich extern klarer zu positionieren.
Drei Schwerpunkte werden dabei besonders relevant: Upskilling, Employer Branding und digitale Sichtbarkeit. Eger sieht den größten Hebel darin, interne Fähigkeiten strukturiert zu entwickeln. So gewinnen „interne Arbeitsmärkte und Skill-Management“ seiner Einschätzung nach erheblich an Bedeutung, weil sie helfen, „interne Potentiale zu heben“. Gleichzeitig müssten Recruiting-Instrumente „flexibler und gezielter“ werden, um auf die Dynamik des Marktes reagieren zu können.
Für Jannis Tsalikis, Personalleiter (HR Director DE/AT/CN) bei Teufel bleibt Employer Branding einer der entscheidenden Bausteine, um in einem engen Markt sichtbar zu bleiben. „Unternehmen müssen zeigen, dass sie die Erwartungen ihrer Mitarbeitenden ernst nehmen: faire Gehälter, flexible Arbeitsmodelle, klare Karriereperspektiven und psychologische Sicherheit.“
Robindro Ullah, Managing Director bei Trendence, sieht zudem die digitale Präsenz von Arbeitgebern als zunehmend zentralen Faktor. „In 2026 wird alles um die generelle Sichtbarkeit im Internet gehen“, erklärt er. „Diese Sichtbarkeit […] bekommt mit dem in 2026 geplanten GoLive der OpenAI Hering Plattform eine neue Dimension, die das Thema beschleunigt“. Laut Trendence HR Monitor nutzt bereits fast jede oder jeder Zweite KI-Tools, bei Stellenanzeigen.

Quelle: Trendence HR Monitor, 2.500 befragte Akademiker_innen, Okt 2025
Mit Blick auf 2026 wird deutlich, dass dem Fachkräftemangel nur mit einer durchdachten Strategie begegnet werden kann, die intern wie extern greift. Interne Entwicklung, ein glaubwürdiges Arbeitgeberversprechen und eine starke digitale Präsenz werden zu wichtigen Bausteinen, um sich in einem engen Markt gut zu positionieren.
Flexibilisierung etabliert sich als neuer Standard
Flexible Arbeitsmodelle gehören bereits heute zum Alltag vieler Beschäftigter. Die Teilzeitquote erreichte im zweiten Quartal 2025 einen neuen Höchstwert von 40,1 Prozent (IAB). Arbeitszeiten verändern sich, hybride Modelle sind weit verbreitet und klassische Vollzeitmodelle verlieren an Selbstverständlichkeit.
In der Praxis ist Flexibilisierung jedoch weit weniger einheitlich, als es manchmal klingt. Tsalikis betont: „Flexibilisierung wird häufig zu pauschal diskutiert als gäbe es eine universelle Lösung für alle Berufe und betrieblichen Rahmenbedingungen. In der Praxis ist sie immer individuell zu gestalten“. Ullah sieht Unterschiede je nach Tätigkeitsfeld: Im akademischen Bereich gehe Flexibilisierung eher in Richtung Vertragsarten, während im handwerklichen Bereich vor allem Arbeitszeiten und Schichtsysteme neu gedacht werden.
Auch in Bereichen ohne Home-Office entstehen neue Möglichkeiten. Eger sagt, dass in Branchen wie Pflege oder Einzelhandel „mehr Kreativität bei Schichtmodellen, Arbeitsplanung, räumlicher Flexibilität zwischen Einsatzorten“ entstehen wird.
Gleichzeitig braucht Flexibilität verlässliche Strukturen. „Flexibilität ist kein grenzenloses Prinzip“, sagt Tsalikis. Sie müsse an Regeln gebunden sein, damit Teams arbeitsfähig bleiben. Eger ergänzt, dass sich auch die Rolle von Büros weiter verändert. „Aus ‚Ställen‘ werden ‚Küchen‘ – will heißen, wir kommen nicht mehr zum Abarbeiten ins Büro, sondern um uns zu treffen, um Kultur zu leben und zu erleben.“
HR Tech und KI rücken weiter ins Zentrum der HR-Arbeit
Digitalisierung und KI verändern die Anforderungen an Rollen und Kompetenzen. Gleichzeitig zeigt der Arbeitsmarktbericht des IAB, dass viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, Mitarbeitende mit passenden Qualifikationen zu finden. Dadurch gewinnt strategisches Skill Management an Bedeutung. KI kann viele Prozesse unterstützen, entfaltet ihren Nutzen jedoch erst, wenn klar ist, welche Ziele verfolgt werden und wo Technologie sinnvoll eingesetzt werden kann.
Tsalikis beschreibt eine deutliche Kluft zwischen Anspruch und tatsächlicher Umsetzung: „fast alle werben damit, dass ‚viel KI drinsteckt‘ und dadurch enorme Erleichterung entsteht. Die Realität ist oft eine andere“. Für ihn liegt das Potenzial vor allem in standardisierten und datenbasierten Bereichen wie Recruiting, Vorauswahl und Onboarding.
Ullah sieht das „größte Potential in der Fort- & Weiterbildung“, warnt jedoch vor unkritischen Entscheidungen. „Auswahlentscheidungen der KI in welcher Stufe auch immer zu überlassen, sollte nach wie vor sehr vorsichtig bzw. gar nicht überlassen werden.“
Eger betont, wie notwendig klare Leitlinien werden. „Viel wichtiger finde ich, dass sich Unternehmen Gedanken machen, wo sie bewusst auch weiterhin auf Menschen setzen wollen und wie die Interaktion zwischen Mensch und Machine aussehen wird.“
Demografie fordert langfristiges Denken
Der demografische Wandel wird in den kommenden Jahren zunehmend spürbar werden. Viele Organisationen sind darauf noch nicht vorbereitet. „Das Thema ist aktuell zumindest in Deutschland noch nicht komplett angekommen“, sagt Eger. Besonders kritisch sei, welche Kompetenzen verloren gehen, wenn erfahrene Mitarbeitende ausscheiden. „Wichtig ist, aus meiner Sicht, dass Unternehmen verstehen, welche Skills ihnen mit dem Austritt von erfahrenen Mitarbeitenden wegbrechen“.
Ullah beobachtet eine weitere Herausforderung. „Aktuell sehen wir viele Unternehmen, die sukzessive aus diversen Gründen die Nachwuchspipeline abschneiden. Sei es aus Kostendruck oder auch aus angeblicher KI-Automatisierung.“ Für Tsalikis ist klar: „Wer das verschläft, gefährdet die Zukunft seines Betriebs.“
Bei Teufel setzt man deswegen auf Lernstrukturen und Wissensaustausch über eine KI-gestützte Lernplattform. Tsalikis erklärt, dass diese „kollaboratives Lernen erleichtern“ und „den Wissenstransfer zwischen Teams fördern“ soll. Ergänzend entstehen „flexible Karrierepfade, die nicht nur jungen Talenten, sondern auch erfahrenen Mitarbeitenden Perspektiven bieten“.
New Work Kultur verlangt neue Führung
Moderne Arbeitswelten entstehen nicht allein durch flexible Modelle, sondern vor allem durch veränderte Führung. Für Ullah braucht erfolgreiche Führung heute Empathie, strategisches Denken und KI-Kompetenz, „insbesondere in Vorbereitung auf das Führen von Hybriden Teams (Mensch/Maschine)“.
Eger sieht ähnliche Anforderungen. „Remote bzw. hybride Führung mit guten Kommunikationsfähigkeiten halte ich immer noch für wichtig, zweitens ein digitales Gespür samt Lust auf Auseinandersetzung mit KI-Aspekten sowie last but not least aktive Veränderungsfähigkeit.“
Tsalikis verweist darauf, dass New Work Ergebnisse liefern muss: „New Work darf kein romantisches Ideal bleiben es muss sich auch in harten Zahlen beweisen.“ Gleichzeitig müsse moderne Zusammenarbeit Freiräume bieten und klare Ziele setzen.
Eger beschreibt die aktuelle Situation so: „Es war vermutlich nie spannender, People Manager zu sein – aber auch nie schwieriger.“
Fazit
2026 wird zu einem Jahr, in dem strategisches Handeln in HR an Bedeutung gewinnt. Engere Arbeitsmärkte, veränderte Erwartungen, technologische Entwicklungen und demografische Verschiebungen greifen ineinander. Organisationen, die ihre Kompetenzen stärken, Zusammenarbeit bewusst gestalten und Technologien mit klaren Leitlinien einsetzen, schaffen die Grundlage für Arbeitswelten, die Mitarbeitende unterstützen und das Unternehmen langfristig stabilisieren.













