Das Landesarbeitsgericht Baden- Württemberg (Urteil vom 17.Juli 2008, Az.: 9 Sa 20/08) hat die Klage eines Arbeitnehmers zurückgewiesen, der sich gegen die Anordnung von Sonntagsarbeit wandte. Der Arbeitsvertrag des klagenden Mitarbeiters sieht die Leistung von Schichtarbeit vor, ohne jedoch konkrete Wochentage zu nennen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Revision des Klägers gerade zurückgewiesen (Urteil vom 15. September 2009, Az.: 9 AZR 757/08).

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Dieses jüngste Beispiel beweist einmal mehr: Moderne Arbeitsformen gehen mit einer stetigen Zunahme der Flexibilisierung von Arbeitszeitbedingungen einher. Diesen Anforderungen ist der Gesetzgeber bereits im Jahr 1994 gefolgt und hat mit einem Gesetz zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) reformiert. Das ArbZG soll Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gewährleisten und gleichzeitig den Interessen vieler Arbeitgeber Rechnung tragen, Arbeitszeit nach den betrieblichen Bedürfnissen zu gestalten.

Die Entwicklung geht mit einer Entfernung von der regelmäßigen Fünf- Tage-Woche einher. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Arbeitnehmer, auch außerhalb der Arbeitszeit verfügbar zu sein. Diskussionen in jüngerer Zeit machen deutlich, wie viel Konfliktstoff dieser Trend enthält – beispielsweise um die Verpflichtung zu Diensten an verkaufsoffenen Sonntagen, um die Grenzen der Erreichbarkeit via Mobiltelefon oder um die arbeitszeitrechtliche Behandlung von Reisezeiten. Ein Blick auf die grundlegenden Spielregeln im Arbeitszeit- und Arbeitsvertragsrecht wird also um so wichtiger für den Erhalt des Betriebsfriedens.

Ausnahmen ohne Ende

Im Grundsatz gilt die Sechs-Tage- Woche an den Werktagen Montag bis Samstag. Die Höchstarbeitszeit beträgt – ohne Pausen – acht Stunden an sechs Tagen, pro Woche also grundsätzlich 48 Stunden. Die tägliche Arbeitszeit darf aber auf bis zu zehn Stunden täglich beziehungsweise bis zu 60 Stunden pro Woche verlängert werden, wenn in einem Zeitraum von sechs Monaten durchschnittlich acht Stunden pro Tag nicht überschritten werden.

So sollen Arbeitsspitzen aufgefangen werden können. Überschreitet die wöchentliche Arbeitszeit bei einer Fünf-Tage-Woche die Höchstgrenze von 48 Stunden nicht, ist es auch möglich, regelmäßig an vier von fünf Tagen bis zu zehn Stunden sowie an einem Tag acht Stunden zu arbeiten. Bereitschaftsdienst, bei dem sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten muss, ist Arbeitszeit und auf die Arbeitszeithöchstgrenzen anzurechnen.

Dies hat der Gesetzgeber seit dem 1. Januar 2004 nach einer entsprechenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs klargestellt. Rufbereitschaft, hier kann der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort in der Regel frei wählen, gilt demgegenüber nach wie vor nicht als Arbeitszeit, solange ein Einsatz nicht erfolgt. Abweichungen von den Höchstarbeitszeitgrenzen sind möglich entweder durch Tarifvertrag oder aufgrund einer tariflichen Öffnungsklausel durch Betriebsvereinbarung sowie – selten – durch vertragliche Regelung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Anwendung einer Tarifregelung.

Sonntagsarbeit ist entsprechend dem im Grundgesetz vereinbarten Gebot der Sonntagsruhe nach dem ArbZG grundsätzlich unzulässig. Durch zahlreiche Ausnahmen trägt das Gesetz aber der Notwendigkeit der Sonntagsarbeit in vielen Branchen Rechnung. Die Sonntagsarbeit gewinnt an Bedeutung, nicht nur in den klassischen Bereichen Not- und Rettungsdienste, Feuerwehr, Krankenhäuser, Gastronomie oder Rundfunk- und Fernsehsendern sondern auch im restlichen Wirtschaftsleben. Darunter fällt beispielsweise die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Datennetzen und Rechnersystemen oder Reinigungs- und Wartungsarbeiten im Betrieb wie im Straßenbau, die nur außerhalb des normalen Arbeitsprozesses erfolgen können. Schichtbetriebe mit 24-stündiger Produktion benötigen ohnehin entsprechende Arbeitszeitregelungen.

Arbeitgeber müssen jedoch immer sicherstellen, dass nur diejenigen Personen zur Sonntagsarbeit eingeteilt werden, die dafür unabdingbar sind. So ist es beispielsweise nicht nötig, den Personalreferent in einem Drei- Schicht-Produktionsbetrieb sonntags einzusetzen.

Interessen abwägen

Bei der Anordnung von Sonntagsoder Feiertagsarbeit können sich Arbeitgeber auf ihr Direktionsrecht aus § 106 Gewerbeordnung (GewO) berufen, wonach sie Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen können. Voraussetzung ist jedoch, dass die Sonntagsarbeit nach dem ArbZG zulässig ist und der Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung, ein anwendbarer Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften keine anderweitigen Regelungen enthalten.

Sprechen familiäre Interessen des Arbeitnehmers gegen einen Einsatz an Sonntagen, etwa wenn dies der einzige gemeinsame Ruhetag mit dem samstags werktätigen Partner ist, so müssen diese gegen die Arbeitgeberinteressen abgewogen werden.

Entsprechend kann eine Verkäuferin zur Arbeit an verkaufsoffenen Sonntagen verpflichtet werden, wenn ihr Arbeitsvertrag dies nicht ausdrücklich ausschließt. Zur Vermeidung von Konflikten sollten Arbeitgeber im Vorfeld auf eindeutige Regelungen in Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen achten, um rechtliche Grauzonen zu umgehen.

Grundsätzlich bedarf die Anordnung von Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft einer arbeits- oder tarifvertraglichen Grundlage oder einer entsprechenden Regelung in einer Betriebsvereinbarung. Ob der Arbeitsvertrag die Verpflichtung zur Rufbereitschaft mit einschließt und mit der regelmäßigen Vergütung mit abgegolten ist, kann sich aber auch durch Auslegung des Vertrags unter Berücksichtigung des typischen Bildes der Tätigkeit ergeben.

So wird von gut verdienenden außertariflichen Angestellten (AT-Angestellten) in Managementpositionen regelmäßig eine Verfügbarkeit via Telefon oder Internet über die betriebsüblichen Arbeitszeiten hinaus – und damit Rufbereitschaft – erwartet, um im Bedarfsfall die Arbeit aufnehmen zu können. Eine zusätzliche Vergütung ist regelmäßig nicht vorgesehen. Typischerweise ist im Arbeitsvertrag eine Klausel enthalten, wonach auch Arbeitszeiten über die betriebsüblichen Arbeitszeiten hinaus durch die monatliche Gesamtvergütung mit abgegolten ist. Unabhängig hiervon sind aber die Grenzen des ArbZG zu beachten.

Grauzonen vermeiden

Eine dauerhafte 24-Stunden-Verfügbarkeit sprengt allerdings auch bei diesen Arbeitnehmergruppen die Grenzen des billigen Ermessens und kann nicht erwartet werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen werden Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft häufig auf der Basis von Tarifverträgen geregelt und mit Pauschalen zusätzlich zur Vergütung für die regelmäßige Arbeitszeit abgegolten. Wird die Arbeitsleistung während des Dienstes abgefordert, ist diese als Vollarbeit zu vergüten.

Ein besonders kniffeliges Thema sind Dienstreisen. Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass die Wegezeiten im Rahmen einer Dienstreise jedenfalls dann keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes darstellen, wenn die Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt wird und der Arbeitnehmer während der Reise keine Arbeitsleistung wie etwa die Vorbereitung von Terminen erledigen muss (BAG, Urteil vom 11.Juli 2006, Az.: 9 AZR 519/05). Die Reisezeit ist weder auf die gesetzlichen Höchstarbeitszeitgrenzen anzurechnen, noch ist sie, wenn dies nicht anders vereinbart ist, gesondert zu vergüten, soweit die Reisezeit außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegt. Anders ist dies, wenn die Wegezeit notwendiger Teil der Arbeitsleistung ist – wie etwa die Fahrzeit zum Kunden bei einem Außendienstler (BAG, Urteil vom 22. April 2009, Az.: 5 AZR 292/08).

Die geltende Rechtslage gibt Arbeitgebern insgesamt durchaus Spielräume bei der zeitlichen Gestaltung von Arbeitsbedingungen. Um rechtliche Grauzonen zu vermeiden sollte auf klare innerbetriebliche Regelungen geachtet werden.

Quelle: PERSONAL – Heft 11/2009