LAG Hessen Urt. v. 10.09.2008 – 6 Sa 384/08

two women near tables
Foto von Blake Wisz

(ArbG Frankfurt Urt. v. 11.12.2007 – 18/5 Ca 5068/07)

Der Arbeitnehmer, welchem die Kündigung überreicht wurde, war in einem Kaufhaus beschäftigt. Dort wurden Konzertkarten mit so genannten Payback-Sondercoupons im Wert von 500-Payback-Punkten (entspricht 5 Euro) verkauft, die der Kunde seiner Payback-Karte einmalig gutschreiben lassen konnte. Eine Mehrfacheinlösung war technisch allerdings nicht ausgeschlossen. Die Revisionsabteilung des Arbeitgebers stellte fest, dass einige Mitarbeiter, darunter auch der Kläger, auf ihren eigenen Payback-Karten oder denen von Familienangehörigen den Sondercoupon bis zu 50 Mal verbucht hatten. Nach Anhörung der betroffenen Arbeitnehmer sprach der Arbeitgeber dem Kläger eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Elf weitere Mitarbeiter, die ebenfalls den Sondercoupon mehrfach eingelöst hatten, erhielten lediglich eine Abmahnung.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) erklärten die ausgesprochene Kündigung für unwirksam. Die Begründung: Die Entlassung verstoße gegen den so genannten Ultima-ratio-Grundsatz, nach dem Unternehmen eine Kündigung nur als letztes Mittel in Betracht ziehen dürfen. Das LAG führte aus, dass der Arbeitgeber vor Kündigungsausspruch zunächst hätte abmahnen müssen, da er durch die bloße Abmahnung anderer Mitarbeiter selbst zu erkennen gegeben habe, dass die unterstellte Pflichtverletzung der gekündigten Mitarbeiter nicht so schwerwiegend sei, dass das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden könne.

Das LAG stellte weiter dar, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Beurteilung einer Kündigung zwar nicht unmittelbar anzuwenden ist, weil er mit dem Gebot der umfassenden Abwägung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls – wie er für eine Kündigung erforderlich ist – nur beschränkt zu vereinbaren ist. Das Gericht machte aber auch darauf aufmerksam, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz mittelbare Wirkungen erzielen kann. Eine umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls schließt also nicht aus, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz greift und als maßgeblicher Gesichtspunkt einzubeziehen ist. Daher müssen Arbeitgeber, die bei gleicher Ausgangslage nach einer bestimmten Regel verfahren, darlegen, weshalb sie in einzelnen Fällen von dieser Regel abweichen.

Für den im Streitfall vorliegenden Prämienbetrug gelang es dem Unternehmen nicht, Umstände vorzutragen, die die Ungleichbehandlung hätten rechtfertigen können. Insbesondere konnte der Arbeitgeber keine sachlichen Differenzierungsgründe dafür nennen, warum er einzelnen Arbeitnehmern kündigte und andere nur verwarnte.

Fazit:

Signalisiert der Arbeitgeber, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten ist und mit einer Wiederherstellung des Vertrauens zu rechnen ist, indem er einigen Arbeitnehmern lediglich eine Abmahnung erteilt, kann er bei gleichem Regelverstoß ohne sachliches Differenzierungskriterium nicht gegenüber anderen Arbeitnehmern eine Kündigung aussprechen. Entweder hat er gegenüber allen Arbeitnehmern die gleiche zulässige Sanktion zu wählen oder er muss einen sachlichen Differenzierungsgrund vorbringen. Ein solcher könnte beispielsweise vorliegen, wenn die Mitarbeiter in verschiedenen Bereichen tätig sind.