Wie charakterisieren Sie den Führungsstil in Ihrem Unternehmen?

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Foto von Mimi Thian

Bei Cisco haben wir erkannt, dass ein klassischer Führungsstil mit straffer Organisation nach dem Prinzip „Command & Control“ – also streng von oben nach unten – einfach nicht mehr funktioniert. Die Masse der Möglichkeiten in einem globalen Markt erfordert eine andere, neue Form der Unternehmensführung. Bei Cisco sprechen wir von „Collaboration“. Es geht dabei darum, die besten Mitarbeiter weltweit zusammen zu bringen, um eine Vielzahl von Themen voranzutreiben. Dazu bauen wir Teams nahezu unabhängig von der Organisationsstruktur und Hierarchie auf. Eine länder- und kulturenübergreifende Zusammenarbeit ist hierbei selbstverständlich. So würde ich heute den Gesamtführungsstil von Cisco beschreiben – unter dem Begriff Collaboration oder einfach offene und intensive Zusammenarbeit.

Heißt das, die Hierarchieebenen sind bei Ihnen flacher sind als in anderen Unternehmen?

Sie sind sicherlich flacher als in anderen Unternehmen, trotzdem haben wir natürlich auch einige Hierarchiestufen. Wichtig ist, dass man sich nicht hinter ihnen versteckt oder gar Entscheidungen durch Hierarchiestufen zwingend bestimmt.

Was ist gute Führung?

Gute Führung muss meiner Meinung nach visionär sein. Hinzukommen muss eine Strategie, mit der man sich vom Wettbewerber und vom Markt unterscheidet. Dann muss gute Führung die richtigen Menschen in die richtige Position bringen und ein Team aufbauen. Kernthema ist alles, was mit Leadership-Entwicklung zu tun hat – und mit Kommunikation. Das sind meiner Meinung nach die wirklich entscheidenden Themen: Vision, eine gefestigte Strategie, das richtige Team und Kommunikation. Das macht ein Unternehmen heute erfolgreich.

Kann man so etwas lernen oder muss man dazu geboren sein?

Charisma an sich wird überschätzt. Der Begriff kommt aus dem Griechischen und heißt „gottgegeben“ oder wie man so schön sagt: „Schwein gehabt!“ Es gibt viele Menschen die den IQ haben eine Strategie zu bauen. Wichtig ist aber auch der EQ, der es ermöglicht diese Strategie charismatisch und begeisternd an sein Team zu vermitteln. Ich glaube, dass Sie weitgehend lernen können, gut zu führen. Natürliche Talente haben es einfach nur ein bisschen leichter.

Werden Führungskräfte in Ihrem Unternehmen speziell geschult?

Führungskräfte wählen wir bei Cisco sehr bewusst aus. Das heißt, wenn wir Menschen von draußen einstellen oder Talente intern fördern, schauen wir genau auf diese Attribute, den EQ, IQ und die kommunikativen Fähigkeiten. Wir versuchen auch, die Programme, die wir haben, permanent weiterzuentwickeln und zu verbessern. Ich würde sagen, wir sind noch nicht Weltklasse darin, unsere Talente konsequent für diese Themen auszubauen, aber wir sind auf der Reise. In der Auswahl von Talenten sind wir heute schon sehr gut.

Sie selbst sind in eine gehobene Position vorgerückt. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Schritt für Schritt. Hinsichtlich Leadership oder Talententwicklung sind uns drei Themen wichtig. Erstens Ausbildung – denn manche Dinge können Sie einfach nur lernen. Zweitens Erfahrung, die ich persönlich in unterschiedlichen Kulturen gewonnen habe – zunächst in Deutschland, dann in der Schweiz, schließlich in ganz Europa, im mittleren Osten und in Afrika. Das dritte Element ist Exposure. Das bedeutet, dass wir manchmal ins kalte Wasser springen müssen. Es gilt diese drei Aspekte – Ausbildung, Erfahrung und Exposure – in Balance zu halten. Darauf basiert unser System, mit dem wir versuchen, Menschen weiterzuentwickeln. Bei mir funktioniert das glücklicherweise bis heute.

Cisco Deutschland belegt seit Jahren Spitzenplätze beim Wettbewerb „A Great Place to Work“. Was zeichnet die Firma neben einem besonderen Führungsstil noch aus?

Diese Auszeichnung gebührt der einzigartigen Mischung von Menschen bei Cisco, die Lust haben, Dinge zu bewegen und auch die Lust, sich dafür überdurchschnittlich einzusetzen. Das hat nichts mit Friede, Freude, Eierkuchen zu tun, das kann auch robuste Diskussionen mit sich bringen. Aber alle glauben fest an eine Kultur, in der man Respekt voreinander hat, in der man Vertrauen ineinander hat, in der man vor nichts Angst hat und in der man auch Spaß hat. Diese Kultur versuchen wir als Mannschaft einfach extrem intensiv zu leben. Das ist es, was uns auszeichnet – und dass wir dabei ehrlich und aufrichtig sind, und zwar auf allen Ebenen; vom Mitarbeiter über den Vertriebsleiter und technischen Leiter bis hin zur Geschäftsführung.

Warum beteiligen Sie sich an Arbeitgeber-Wettbewerben?
Klar, jeder hält gerne einen Pokal in der Hand …

Der interessiert uns eigentlich gar nicht. Es ist auch nicht der Wettbewerb an sich, der uns interessiert. Er hat allerdings den Effekt, dass wir eine Menge Mitarbeiter gewonnen haben; tolle Mitarbeiter, die zu uns gekommen sind, weil sie unsere Technologie faszinierend finden – und dann noch kombiniert mit der Auszeichnung „Bester Arbeitgeber Deutschlands“. Das strahlt nach außen, auch zu den Kunden. Das Entscheidende ist jedoch, dass wir uns messen, dass wir den Anspruch haben, im Sinne unserer Mitarbeiter und Kunden besser zu sein als andere. Gerade in der deutschsprachigen Kultur, in der viele Menschen Angst davor haben, ist es sehr gut, sich messbar zu machen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir auf diese Weise bewusst offensiv mit Themen umgehen.

Es geht also darum, die Entwicklung immer weiter voranzutreiben …

Genau. Wir wollen keinen Stillstand zulassen, sondern uns ständig fragen, wie wir besser werden können.

Bemerkt Cisco den wachsenden Fachkräftemangel?

Den bemerken wir heute bei uns selbst nur bedingt. Ich will nicht sagen, dass wir uns Mitarbeiter aussuchen können, das wäre vermessen und falsch. Ich glaube aber, dass wir bei diesem Problem eher zu den Gewinnern gehören, weil qualifizierte Bewerber von der Stärke und dem Portfolio der Firma in Kombination mit ihrer Kultur angezogen werden.

Sie halten Ihren Vortrag auf einer Personalmesse. Verstehen Sie sich selbst als Personalmanager?

In der Konsequenz ist das Personalmanagement das alles entscheidende. Denn nur, wenn wir auf Mitarbeiter zählen können, die nicht einfach einen Acht-Stunden-Tag hinter sich bringen wollen, können wir erfolgreich sein. Und nur dann, wenn wir den Mitarbeitern auch ein Umfeld generieren, was inspirierend ist, was aber auch fordernd ist und fördernd, können wir unsere Ziele erreichen. Vielleicht bin ich tatsächlich eher Personalmanager als Geschäftsführer. Aber natürlich liegt bei mir die Geschäftsverantwortung, das heißt die Vertriebsverantwortung, die Zahlenverantwortung für unser operatives Geschäft. Und natürlich haben wir einen Human Resource Bereich bei uns. Aber Personalmanagement liegt in der Verantwortung eines jeden.

Arbeiten Sie viel mit der HR-Abteilung zusammen?

Da geht es bei uns sehr untypisch zu. Wir haben eine extrem kleine Personalabteilung. Für unsere 850 Mitarbeiter in Deutschland sind es nur drei oder vier Mitarbeiter. Das lässt sich mit unseren Ansprüchen vereinen, weil wir die Technologie konsequent nutzen. Wir haben Funktionen, die im Shared Service Center abgebildet sind. Und wo andere Unternehmen große Stabsbereiche unterhalten, machen unsere Mitarbeiter heute Self Service. Doch wenn es darum geht, das Leadership-Team weiter zu entwickeln oder sicher zu stellen, dass wir uns nicht auf „Great Place to be“ ausruhen, ist der Personalleiter einer meiner wichtigsten Business Partner – gar keine Frage. Der HR-Leiter Deutschland ist in jedem Management-Meeting dabei, das ist fester Bestandteil unserer Zusammenarbeit.

Interview: Petra Jauch