Gerade für jüngere Führungskraft ist es nicht immer einfach, ältere Mitarbeiter zu führen. Was würden Sie Vorgesetzten in einer solchen Konstellation ans Herz legen?

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Foto von Jess Bailey

Führungskräfte sollten immer berücksichtigen, welche Generation sie vor sich haben und welcher sie selbst angehören. Wenn sie sich diese Zugehörigkeiten bewusstmachen und sich die verschiedenen Haltungen und Stärken der Generationen vor Augen führen, können sie diese Unterschiede für Ihr Unternehmen fruchtbar machen.

Ich denke, dass wir uns im Personalmanagement in den letzten Jahren ein bisschen zu stark auf das Individuum fokussiert haben, um gute Rahmenbedingungen für seine Leistungsfähigkeit zu schaffen Das ist nicht schlecht, aber auch nicht optimal. Es gehört um einen Generationenansatz ergänzt. Wir müssen gleichzeitig begreifen, dass ein 20-Jähriger bestimmte Werte mit anderen seiner Altersgruppe teilt, was ihn von Angehörigen der Generation X oder den Babyboomern unterscheidet.


Führt ein Denken in Generationen nicht dazu, dass ich die Leute in Schubladen stecke?

Ja, die Gefahr ist groß, da gebe ich Ihnen Recht. Aber noch ungünstiger finde ich es, die Arbeitswelt in Jung und Alt einzuteilen. Denn das führt zu Frontstellungen. Eine Generationenzuordnung ist differenzierter. In der Regel haben wir drei bis vier Generationen in einem Unternehmen. Das hängt natürlich von der Branche ab. In einigen Technologie-Unternehmen finden Sie niemanden über 50. Ich habe mal eine Untersuchung über Microsoft gemacht – und zu diesem Zeitpunkt hatten sie noch nie jemanden in Rente geschickt. Aber das ist nicht repräsentativ für alle Unternehmen. Der Generationenansatz schafft Differenzierung. Aber natürlich ist es wichtig, das Individuum nicht aus dem Blick zu verlieren.


Wie unterscheiden sich die Generationen bezogen auf ihre Einstellung zur Arbeit?

Zu diesem Thema haben wir, die Forschungsgruppe Altern und Generationen an der Universität Wien, 2015 im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich 688 Personen befragt. Die Untersuchung fand vor allem in Dienstleistungsunternehmen statt. Dabei haben wir große Unterschiede bezogen auf die Einstellungen zur Arbeit und auch Konfliktpotenzial gefunden. So gibt es regelrechte Territorialauseinandersetzungen zwischen Alten und Jungen am Arbeitsplatz. Die Jungen wollen sich Territorien in Form von Räumen und Büros erkämpfen, die ihnen die Alten aber nicht ohne weiteres zugestehen. Umgekehrt sagen die Jungen, die Alten hätten keine Ahnung von Technologie. Da gibt es durchaus Zuschreibungen, die das Klima beeinflussen.

Bezogen auf die Werthaltungen zeigen sich ebenfalls einige Unterschiede, zum Beispiel bezogen auf einen Wert wie „Autonomie“. Den Babyboomern ist Autonomie wichtig, was die Generation Y überraschenderweise viel seltener von sich sagt. Laut unseren Studien wollen die Jüngeren durchaus angeleitet werden, während die Babyboomer Entscheidungsfreiheit und Sinn in der Arbeit suchen. Die Generation Y hingegen sucht Sinn bei den Freunden, in der Arbeit nur sehr beschränkt. Die Lebenseinstellungen sind hier anders.

Wir haben auch gefunden, dass die Babyboomer ein deutlich geringeres Interesse an Weiterbildung haben. Das führt dazu, dass viele zu früh aus dem Beruf aussteigen beziehungsweise wir nicht das erreichen, was aus meiner gerontologischen Perspektive das Ziel sein sollte: die Altersgrenzen aufzuheben. Ein Ende der Lebensarbeitszeit mit 65 oder 67 Jahren ist aus Sicht der Altersforschung gar nicht günstig, weil ein fixes Datum Separierungen schafft. Sofern es der Arbeitsmarkt hergibt, sollte man darauf verzichten.


Wie können Unternehmen mit der Generationenthematik besser umgehen?

Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen – eine Erkenntnis aus unserer Forschung: Ein Instrument des Personalmanagements sind die Mitarbeitergespräche, die in den meisten Unternehmen auf ein Jahr angelegt sind. Dieser Zeitraum ist für die Babyboomer günstig, aber überhaupt nicht für die Generation Y. Die Jüngeren denken nicht in Jahresrhythmen, sondern vielleicht in Drei-Monatsrhythmen, weil sie einen ganz anderen, schneller getakteten Zeithorizont haben. Unternehmen setzen damit für eine ganze Mitarbeitergeneration unter Umständen ganz falsche Anreize und Vorgaben. Letztendlich müssten sie alle Führungsinstrumente mit Blick auf die verschiedenen Generationen überdenken und stärker an die Erwartungen und Bedürfnisse der verschiedenen Altersgruppen anpassen. 


Wird das in der Praxis schon umgesetzt?

Insgesamt sehen wir in Unternehmen Diversität sehr unwillig umgesetzt. Es kommt sehr selten vor, dass man einen Unternehmensleiter findet, der sich gerne mit diesem Thema befasst. Aber wenn Diversity Management in einem Unternehmen wirklich Fuß fasst und die Organisationen ihre Heterogenität nach außen darstellen können, haben sie die Möglichkeit, mehr Bewerbergruppen anzuziehen. Außerdem wirkt sich Diversity meist positiv auf das Betriebsklima und den Verbleib älterer Mitarbeiter in der Organisation aus.

Interview: Bettina Geuenich

Herr Professor Kolland, Sie verfolgen das Thema Arbeit und Alter schon seit vielen Jahren. Was hat sich in dieser Zeit verändert?

Auf der Ebene der Einstellungen sehe ich gegenüber den 1980er- und 1990er-Jahren schon deutliche Veränderungen. Ganz allmählich wandelt sich die Haltung, dass der Ruhestand die Option schlechthin für das spätere Leben ist, und die Menschen beginnen, sich Alternativen vorstellen zu können – zum Beispiel eine Teilzeitbeschäftigung, bei der sie möglicherweise weitgehend selbstbestimmt arbeiten können. Vor 20 Jahren hat fast niemand solche Überlegungen angestellt. In den 1990er-Jahren fingen einige Mitarbeiter schon um die 40 an, sich genau auszurechnen, wann sie in Rente gehen können. Diese Einstellung finden Sie heute kaum noch. In der Realität hat sich dieser Einstellungswandel aber noch nicht so stark niedergeschlagen. Das hat viele Gründe, unter anderem hat das mit dem Arbeitsmarkt zu tun, aber auch damit, dass nach wie vor defizitäre Vorstellungen vom Altern vorherrschen.


Können Sie ein Beispiel geben?

Nehmen wir den Sport: Heute in der Früh habe ich einen Bericht über die Ergebnisse der Handball-Europameisterschaft gelesen – und da stand, eine „Rentnertruppe“ hätte die Meisterschaft gewonnen. Was ist das für eine Zuschreibung? Das Alter der Spieler ist doch völlig unwichtig. Entscheidend ist, dass sie eine gute Leistung erbracht haben. Am Ende des Berichts wurden die Mannschaft dann auch gleich abgeschrieben. Dort war zu lesen, dass die Spanier jetzt am Höhepunkt ihrer Karriere angelangt seien. Das wäre dann wohl auch ihre letzte Leistung gewesen. Da bin ich als Gerontologe schon einigermaßen irritiert. So viel hat sich offensichtlich noch nicht verändert in unserer Gesellschaft.


Was ist falsch an der Einstellung, dass unsere Leistungen mit dem Alter abnehmen?

Laut der Forschung ändern sich die Fähigkeiten, die das Individuum hat, mit dem Alter nicht einheitlich in eine Richtung. Wir besitzen eine Vielzahl von unterschiedlichen Fähigkeiten. Meistens wird unterstellt, dass diese mit dem Alter abnehmen. Das stimmt auch, wenn ich bestimmte kognitive Leistungen herausgreife, vor allem jene, die mit Reaktionsgeschwindigkeit zu tun haben. Sie nimmt schon mit ungefähr 30 Jahren ab. Aber es gehört zu den Fähigkeiten des Menschen, diesen Verlust durch andere kognitive Leistungen zu kompensieren. Daher bleibt unsere geistige Leistungsfähigkeit in Summe stabil – und je nach Umwelt steigt sie sogar weiter an.

Wenn ich hingegen immer weniger Leistungen einfordere, nimmt auch unsere Leistungsfähigkeit ab. Das sehen wir sehr häufig in der Arbeitspraxis. Da geht die Führungskraft lieber auf die jüngeren Mitarbeiter zu, wenn ein neues Projekt ansteht. Bei dem Älteren heißt es dann, sie brauchen länger für die Aufgabe oder müssten umständlich überredet werden, sie zu übernehmen. Das will die Führungskraft nicht – und am Ende stellt sie fest, dass die Leistungsfähigkeit der Älteren tatsächlich sinkt. Was aber fehlt, ist ein leistungsförderliches Umfeld.


Was zeichnet ein leistungsförderliches Umfeld aus?

Günstig ist, wenn Unternehmen in Generationen denken. Sie sollten nicht den Fehler begehen, gleichaltrige Gruppen unter sich zu lassen und gemeinsam in Kohorten altern zu lassen. Es ist immer besser, eine Generationenbalance beziehungsweise eine Heterogenität der Generationen anzustreben. Diversität ist ein Gebot der Stunde. Je diverser Sie die Arbeitsumgebungen gestalten, desto mehr stimulieren Sie die Menschen. Das ist nicht immer einfach. Denn Diversität führt auch zu Widerstand und zu Schwierigkeiten. Die Konflikte, die da entstehen, muss ich als Führungskraft proaktiv angehen und bearbeiten. Von den direkten Vorgesetzten hängt sehr stark ab, wie lange Mitarbeiter im Unternehmen bleiben, wie intensiv sie sich weiter bilden und etwas für ihre Gesundheit tun.