In seinem lesenswerten Kommentar vom 25.10.07 “Fühlst du noch, oder denkst du schon?” beschäftigt sich FTD-Redakteur Peter Ehrlich damit, dass Politik Stimmungen nicht ignorieren darf. Man sollte Gefühlen nachgeben, vor allem aber klug damit umgehen… Es geht um die Frage, ob das ALG I verlängert werden soll. Blitzgescheit legt er dar, dass die Arbeitslosenversicherung nur wie eine Kranken- oder Haftpflichtversicherung funktioniere, und nicht wie eine Rentenversicherung. Wer also länger einzahlt, hat eben kein (!) Recht auf mehr Leistung. Leider denkt das Volk aber anders…, man solle nicht auf deren Gefühlen herum trampeln…
Dass das mit den “Gefühlen” so eine Sache sei, nimmt er dann – jenseits einer seriösen Definition dessen, wo von er spricht – einmal als Tatsache hin. Und erläutert dies dann an einem schönen Beispiel http://www.ftd.de/meinung/leitartikel/:Kolumne%20Peter%20Ehrlich%20F%FChlst/269793.html:
“Was gefühlte Wirklichkeit real bewirken kann, zeigt das Thema Inflation. Machen Sie eine Umfrage unter den nächsten drei Menschen, die Ihnen begegnen. Wenn die nicht gerade Statistiker sind, werden sie die Inflation deutlich höher schätzen, als sie ist. Udo Ludwig vom IWH Halle hat bei der Vorstellung des Herbstgutachtens der Wirtschaftsforschungsinstitute darauf verwiesen, dass die Bürger sich vor allem an Preisen orientieren, die sie häufig vergleichen. Wenn also Milch, Butter und Benzin teurer werden, wirkt sich das auf die Wahrnehmung der Preissteigerung stark aus, egal ob andere Produkte billiger werden.”
Was für ein schönes Beispiel für eine Verfügbarkeitsheuristik! Hierfür hat Daniel Kahneman 2002 den Wirtschaftsnobelpreis erhalten. Er zeigt, zusammen mit dem längst verstorbenen Amos Tversky, dass das menschliche Entscheidungsverhalten vor allem durch einfache Entscheidungsregeln gekennzeichnet ist. In diesem Falle lautet sie: Achte besonders auf die Dinge, die Dir als erstes einfallen! Es hat schon seine Gründe, dass Dir eher diese als andere Dinge einfallen (The ease of retrieval). – Das ist sehr ökonomisch! Doch für Ökonomen, die immer noch dem Modell des Homo Oeconomicus (Prototyp: Mr. Spock) anhängen, klingt das schräg. Doch daran werden sie sich wohl gewöhnen müssen…
Auch bei Personalauswahl, -entwicklung und -beurteilungen spielen Heuristiken eine enorme Rolle (bspw. bei Employer Branding). Wollen wir nicht mal ein paar sammeln?
Grüße!
Thomas Webers

An open empty notebook on a white desk next to an iPhone and a MacBook
Foto von JESHOOTS.COM