Frauen.Management.Report.2018. Hrsg. v. Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, 2018.

man standing in front of people sitting beside table with laptop computers
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The Mix that Matters. Innovation Through Diversity. Von Rocío Lorenzo u. a. Hrsg. v. The Boston Consulting Group, 2017.

Warum Vorbilder für Frauen wichtig sind. Von Theodor Schaarschmidt, 2016.

Charta der Vielfalt: VIELFALT ERKENNEN – Strategien für einen sensiblen Umgang mit unbewussten Vorurteilen.

Die Unternehmen im deutschsprachigen Raum sind noch weit entfernt von der Gleichstellung. Ob in Österreich, der Schweiz oder Deutschland, Frauen sind in allen drei Ländern immer noch die Ausnahme in Vorstandsetagen. In den 200 größten Unternehmen Österreichs sind laut „Frauen.

Management.Report.2018“ der Arbeiterkammer Wien von den 616 Geschäftsführungsposten gerade einmal 52 von Frauen besetzt. Bei den börsennotierten Unternehmen ist die männliche Dominanz noch deutlicher. Hier liegt der Männeranteil bei 95 Prozent. Und so dürfte es kaum überraschen, dass in 87 Prozent der Gesellschaften aktuell keine einzige Frau im Vorstand zu finden ist. Auch in der Schweiz sind die Vorstandsposten eine Männerdomäne. Hier stellt der „Schillingreport 2018“ eine Frauenquote von gerade einmal sieben Prozent fest. Die AllBright Stiftung kommt für Deutschland zu ähnlichen Ergebnissen. Nur etwa zwölf Prozent der Vorstandsposten der DAX-Unternehmen sind dort von Frauen besetzt. Kleinere und mittlere Börsenunternehmen sind mit lediglich fünf bis sechs Prozent noch weiter abgeschlagen.

 

Vorreiter USA, Schweden und Großbritannien

Vergleicht man diese Daten mit Ländern wie den USA, Schweden oder Großbritannien, wird schnell deutlich: Der deutschsprachige Raum hinkt im internationalen Vergleich hinterher. Während Frauen dort bereits bis zu ein Viertel der Vorstandsposten bekleiden, steht die DACH-Region auf dem Niveau von Ländern wie Indien und der Türkei.

Aber warum soll sich überhaupt etwas ändern? Der Wirtschaft im deutschsprachigen Raum geht es doch gut. Ja, das stimmt, und dennoch ist der Erfolg der Vergangenheit kein Garant für Erfolg in der Zukunft. Und wenn man Untersuchungen zum Thema Diversität glauben kann, dann ist Vielfalt ein wichtiger Schlüssel für Innovation und Unternehmenserfolg.

 

Innovation braucht Vielfalt

In ihrer Studie „The Mix That Matters“ zeigt die Boston Consulting Group (BCG) beispielsweise, dass Innovation und Diversität von Teams miteinander korrelieren. Das bedeutet, „wer innovativ sein möchte, muss Vielfalt fördern. Und zwar in allen Facetten. Ein vielfältiges Unternehmen ist eines, in dem Frauen und Männer zusammenkommen. Menschen unterschiedlicher Herkunft. Menschen, mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Lebens- und Ausbildungswegen“, so Carsten Kratz, Deutschland- und Österreich-Chef der BCG, in einem kürzlich erschienenen Bericht des Handelsblatts. Und so überrascht es nicht, dass selbst Unternehmens- und Strategieberatungen wie Boston Consulting oder EY mittlerweile jährlich den Anteil von Frauen in Führungspositionen erheben und diese Ergebnisse pressewirksam veröffentlichen. Auch immer mehr Investoren fragen kritisch nach, wenn es um Vielfalt in den Top-Etagen geht. So zum Beispiel BlackRock, der größte unabhängige Vermögensverwalter weltweit mit einem verwalteten Vermögen von über sechs Billionen US-Dollar. Im Februar berichtete das Finanzportal Bloomberg über ein Schreiben von BlackRock, in dem die Geschäftsführung alle Beteiligungen mit weniger als zwei Frauen im Vorstand auffordert, eine Erklärung für ihre geringe Diversität abzugeben. Denn, so BlackRock: „Unabhängig von der Branche, dem Standort oder der Größe eines Unternehmens sind wir der Ansicht, dass mangelnde Vielfalt im Vorstand die Fähigkeit des Unternehmens beeinträchtigt, wirksame strategische Entscheidungen zu treffen.“

 

Mit der Frauenquote zum Ziel?

In Anbetracht der zögerlichen Entwicklungen in vielen Unternehmen jedoch werden die Stimmen aus der Gesellschaft lauter, die eine gesetzliche Frauenquote für börsennotierte Unternehmen fordern. Viele sehen dies als einzige Möglichkeit in absehbarer Zeit zu einem ausgeglichenen Verhältnis von Frauen und Männern in Geschäftsführungspositionen zu kommen. Einige Unternehmen haben diese Forderung vorweggenommen und sich selbst Ziele gesetzt, um den Anteil von Frauen in Top-Positionen zu erhöhen. Darunter finden sich Unternehmen wie Ikea, SAP, die Vattenfall Group oder Deutsche Telekom.

Dass Ikea bereits das 50-Prozent-Ziel für alle Managementpositionen anpeilt, dürfte Schweden-Kenner nicht überraschen. „Gleichstellung, Gleichbehandlung und die Erhöhung des Frauenanteils in Managementpositionen gehören seit vielen Jahren zu den Kernthemen der globalen Unternehmensstrategie von IKEA“, heißt es auf der Webseite des Möbel-Giganten. Auch der Technologie-Anbieter SAP hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Die SAP SE hat aktuell einen Frauenanteil von 30 Prozent im Gesamtunternehmen. In den Führungsebenen liegt er bei einem Viertel und im Vorstand bei immerhin einem Fünftel. Und das Unternehmen visiert ein weiteres Ziel an. Bis 2022 soll der Vorstand zu 30 Prozent aus Frauen bestehen. Damit zeigt der Vorstandsvorsitzende Bill McDermott und seine Vorstandskollegen eine klare Richtung auf, wohin die Reise bei SAP gehen soll. Das Engagement trifft jedoch nicht nur auf Unterstützer. Es gibt auch Kritiker, die sich durch die Frauenquote benachteiligt und ihrerseits diskriminiert fühlen.

Und so ist die Frauenquote, ob betrieblich oder gesetzlich definiert, zwar ein möglicher Weg, um Frauen den Weg in die Top-Positionen zu ermöglichen. Viele Unternehmen würden aber auch weiterhin gerne auf ein verbindliches Instrument verzichten. Haftet doch jeder Frau, die unter einem solchen Reglement in Führung kommt, ebendieses Label an. Aber welche anderen Wege gibt es, in Unternehmen zu ausgewogeneren Zusammensetzungen von Leitungsteams kommen?

 

Teufelskreis weibliche Zurückhaltung

Schauen wir zunächst noch einmal auf den Status quo. Wer regelmäßig an Fachveranstaltungen teilnimmt, dem fällt früher oder später auf, dass für Podien und Impulsvorträge überwiegend Männer gebucht werden. Aber wieso gibt es so viele männliche Speaker? Und wieso stehen nicht mehr Expertinnen auf den Bühnen? Unsere Aufmerksamkeit geht in der Regel dorthin, wo sich etwas bewegt oder sichtbar wird. Das spricht nicht automatisch für Qualität – sondern erst einmal nur dafür, dass jemand präsent und aktiv ist. Viele Frauen sind, was das Teilen ihrer Expertise angeht, in der Regel zurückhaltender als Männer. Sie wollen sich nicht in den Mittelpunkt stellen, anderen aufdrängen oder mit ihrem Statement jemanden angreifen. Darüber hinaus gibt es vielfältige Untersuchungen darüber, dass Frauen ihre Kompetenzen eher unterschätzen, während Männer dazu neigen, die ihrigen zu überschätzen. Wenn also Experten gesucht sind, dann ist die Resonanz bei männlichen Speakern deutlich stärker als bei Frauen. Gleichzeitig werden die Männer durch ihre dauerhafte Präsenz viel öfter angesprochen als ihre weiblichen Pendants. Ein Teufelskreis also.

 

Tradierte Bewertungsmuster hinterfragen

Ein Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Verhalten lässt sich auch bei der Karriereplanung erkennen. Wenn es um Beförderungen geht, so berichtete Wilfried Porth, Personalvorstand der Daimler AG, bei einer Veranstaltung, würden Männer bereits zusagen, bevor das Angebot vollends formuliert sei. Frauen hingegen würden sich in der gleichen Situation Bedenkzeit erbitten. Das männliche Verhalten wird dabei als entscheidungsstark und selbstbewusst interpretiert, das weibliche hingegen als zögerlich. Aber wieso wird eine rasche Zusage, bei einer weitreichenden Entscheidung positiv bewertet? Man könnte sie, im Hinblick auf die Tragweite für das berufliche wie persönliche Umfeld, auch als egoistisch und ungestüm betrachten. Und das vermeintliche Zögern der Frau als reflektierte und verantwortungsvolle Entscheidungsfindung bewerten. Doch dafür bedarf es der Überprüfung gängiger Erklärungs- und Bewertungsmuster. Welche Verhaltensweisen werden eher Frauen, welche eher Männern zu geschrieben? Wie werden diese bewertet und wie könnten alternative Bewertungsansätze oder Erklärungsmuster aussehen? Hilfreich kann hier auch die Auseinandersetzung mit dem Phänomen des „Unconscious Bias“ sein. Es beschreibt unbewusste Wahrnehmungsverzerrungen oder auch blinde Flecke, die jeder Mensch im Laufe seines Lebens entwickelt und über Kategorien- und Musterbildung verankert. Mit sogenannten „Unconscious Bias Awareness Programmen“ sensibilisieren einige Unternehmen heute schon Führungskräfte und Mitarbeiter für geschlechtergerechtere Denkweisen.

Tradierte Denkmuster halten viele Frauen davon ab, ihre Expertise und Ideen zu teilen. Dies zeigt sich auch in meiner täglichen Arbeit für das virtuelle Frauennetzwerk „New Work Women“. Immer wieder berichten mir Frauen, dass sie sich ihrer anerzogenen Zurückhaltung bewusst wären, aber aktuell keinen Weg sehen, diese Zurückhaltung abzustreifen. „Ich möchte mich nicht in den Mittelpunkt stellen“, höre ich dann oft. Was hilft, diese Barriere zu durchbrechen, ist, das „Wofür“ zu benennen und damit aufzuzeigen, warum es wichtig ist, dass die jeweilige Frau ihre Kompetenzen und Ideen einbringt. Ich antworte deshalb immer auf die gleiche Weise: „Du stellst nicht dich in den Mittelpunkt, sondern beziehst Position für eine Sache und bereicherst andere mit deinen Ideen und deiner Expertise. Denn deine Erfahrungen und deine Kompetenzen kann kein anderer einbringen.“ Dieses Vorgehen benötigt direkte Ansprache und den Dialog darüber, welche Potenziale geschätzt und gesehen werden. Sei es durch eine Führungskraft, durch Kolleginnen und Kollegen oder durch Ansprechpartner im Personalwesen. Hier kann jeder Einzelne zu mehr Sichtbarkeit von Frauen und ihrer Ideen beitragen.

Dieses Engagement sollte jedoch nicht als „Frauenförderung“ missverstanden werden. Wenn es Unternehmen gelingt, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem alle Menschen ihre Ideen und Kompetenzen einbringen, extravertierte wie introvertierte, dann bedeutet das Unternehmensförderung pur. Voraussetzung eines solchen Arbeitsumfelds ist es, sich als Mensch wahr- und ernstgenommen zu fühlen und die Sicherheit zu haben, dass die Perspektiven aller erwünscht sind und als Bereicherung betrachtet werden. Die Bedeutung dieser „emotionalen Verlässlichkeit“ zeigte auch eine Arbeitsstudie bei Google. Ein zentrales Ergebnis dieser Untersuchung war, dass die Grundlage jedes erfolgreichen Teams „psychological safety“ sei. Hier sind insbesondere Führungskräfte und HR gefragt, ein Klima zu schaffen, dass diese „sicheren Räume“ für Mitarbeitende ermöglicht. Das beginnt, wie bei allen Kulturthemen, bei der Haltung der Beteiligten. Unterstützt werden kann ein solches Arbeitsumfeld durch die Initiierung von Freiwilligenteams, die bereichsübergreifende Projekte realisieren und in denen Mitarbeiter freiwillig und hierarchiefrei zusammenarbeiten.

 

Vorbilder stärken

Auch Vorbilder können das Erschließen weiblicher Potenziale unterstützen. Und das bedeutet in diesem Fall weibliche Vorbilder. Sie stimulieren bei Frauen nicht nur das Zutrauen zu den eigenen Fähigkeiten, sondern auch die faktische Leistung. Das zeigt eine Untersuchung von Penelope Lockwood von der University of Toronto. An der Harvard University wurde zu diesem Phänomen ebenfalls geforscht. Dort stellten Wissenschaftler fest, dass bei einem Mathematiktest die Ergebnisse der Frauen besser ausfielen und gleichauf mit denen ihrer männlichen Kommilitonen lagen, wenn der Test von einer Versuchsleiterin durchgeführt wurde. War der Versuchsleiter ein Mann, sah das Ergebnis der Frauen hingegen signifikant schlechter aus.

Sich dieser Mechanismen bewusst zu werden, auf organisationaler wie auf persönlicher Ebene, ist unverzichtbar, wenn Unternehmen in Zukunft ausgeglichenere Zusammensetzungen in Führungsebenen anstreben. Es bedarf einer kritischen Reflexion derjenigen Glaubenssätze, die zu einer Verzerrung der Einschätzung weiblicher Kompetenzen und Verhaltensweisen führen. Hier kann insbesondere die interne wie externe Kommunikation einen großen Beitrag leisten, indem sie explizit bei der Berichterstattung auf ein ausgeglichenes Verhältnis von weiblichen und männlichen Protagonisten achtet. Aber auch bei der Benennung und Entsendung von Expertinnen und Experten zu bereichsübergreifenden Meetings oder externen Veranstaltungen sollte dieser Aspekt Berücksichtigung finden. Wer hier „Kompetenz“ statt „Position“ als Auswahlkriterium wählt, wird in der Regel auch immer öfter geeignete Kandidatinnen für eine Entsendung finden und damit nicht nur die ausgewählte Mitarbeiterin stärken, sondern auch wichtige Signale an alle anderen Frauen in ihrem Umfeld senden.

Mit dem Instrument der Vorbildfunktion arbeitet die Deutsche Bahn sehr erfolgreich im Recruiting. In ihrer Kampagne „Willkommen. Du passt zu uns!“ zeigt das Unternehmen junge Frauen in typischen Männerdomänen. Auf dem Youtube-Kanal der Deutschen Bahn stellen Dana, die angehende Fahrdienstleiterin, Jessica, die überzeugte Triebfahrzeugelektronikerin oder Jorjet, die zielstrebige Projektingenieurin ihren jeweiligen Beruf vor. Sie zeigen auf, dass bei der Deutschen Bahn Frauen auch in vermeintlich typischen Männerberufen mit großem Engagement ihrer Arbeit nachgehen und dabei ihre Frau stehen können.

 

Netzwerke aufbauen

Auch Frauennetzwerke sind ein wirkungsvolles Instrument, um Vorbilder erlebbar zu machen. Egal ob extern oder intern: Regelmäßiger Austausch öffnet den Möglichkeitsraum für alle Beteiligten. Hierdurch erfahren Frauen, welche Wege andere Frauen bereits gegangen sind, oder sie werden Mitgestalterinnen und Wegbegleiterinnen der persönlichen Entwicklung anderer. Dies schafft Rückhalt und macht Mut für den eigenen Weg.

Dieses Potenzial haben in den letzten Jahren einige Unternehmen erkannt und unternehmensinterne Frauennetzwerke gegründet oder sich an der Gründung von Frauennetzwerken beteiligt. Doch wie etabliert man erfolgreich ein Netzwerk? Ana Simic, Leiterin Service & Social Media bei A1 rät auf dem Unternehmensblog Folgendes: „… sich von Anfang an Gleichgesinnte suchen, klein beginnen, stetig wachsen und nicht müde werden, von seinem Vorhaben zu erzählen. Vergesst auch nicht, die Türen für Neuankömmlinge offen zu lassen und diese herzlich zu begrüßen.“ Für kleinere Unternehmen bietet es sich an, statt der Gründung eines eigenen Netzwerkes Mitarbeiterinnen für das Netzwerken zu gewinnen und ihnen den Beitritt in ein Netzwerk ans Herz zu legen.

Frauennetzwerke sind jedoch kein Allheilmittel. Engagierten Unternehmen wie auch Teilnehmerinnen sollte bewusst sein, dass ein Frauennetzwerk nicht der ausschließliche Referenzpunkt für den Ausbau des persönlichen Netzwerks bleiben darf. Es braucht eine Vielfalt an Kontakten. Hier bieten Enterprise Social Networks, externe Social-Media-Kanäle oder hierarchieübergreifende und interaktive Veranstaltungsformate wie Meet-ups und Barcamps breitgefächerte Interaktionsmöglichkeiten. Diese gemeinsamen Interaktionsräume sind die Voraussetzung dafür, dass Frauen und Männer in Zukunft Herausforderungen verstärkt gemeinsam angehen und dabei ihre unterschiedlichen Kompetenzen einbringen und zu schätzen lernen. Unternehmen sollte dabei bewusst sein: Netzwerken ist Arbeit. Denn es bereichert den eigenen Erfahrungshorizont und bietet vielfältige Impulse für die eigene Arbeit wie auch die persönliche Entwicklung. Aspekte, die jedem Unternehmen, das die eigene Zukunftsfähigkeit stärken möchte, ein Anliegen sein sollten.

 

Fazit

Wenn Unternehmen sich das Ziel setzen, mehr Frauen in Führung zu etablieren, dann erfordert dies ein breites Engagement auf mehreren Ebenen. Es braucht das konsequente Commitment der obersten Ebene. Es bedarf des Engagements all jener, für die Vielfalt in Teams der Schlüssel zu innovativen und nachhaltigen Lösungen ist. Und es erfordert den Mut von Frauen, die eigene Komfortzone zu verlassen und die eigene Expertise und Kompetenzen mit anderen zu teilen, im Sinne des Unternehmens und der Kollegen sowie der eigenen, persönlichen Entwicklung.