Das BAG schweigt bislang

Trotz der neuerlichen Verlängerung müssen viele Arbeitgeber, die bereits seit mehreren Monaten Kurzarbeit praktizieren, inzwischen feststellen, dass der krisenbedingte Auftragsrückgang nachhaltiger ist als erwartet. Zwar reduziert Kurzarbeit die Produktionskapazitäten, sie ist aber keineswegs zum „Nulltarif“ zu haben. Viele Unternehmen prüfen daher inzwischen, ob sie nicht doch betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Gewerkschaftsvertreter wollen dies verhindern und fordern offensiv, zuvor alle Möglichkeiten der Kurzarbeit auszuschöpfen. Ansonsten seien betriebsbedingte Kündigungen unwirksam.

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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die dabei relevante Frage, ob Kurzarbeit vor einer betriebsbedingten Kündigung Vorrang hat, mehrfach problematisiert, ohne sie abschließend zu beantworten. Die jüngste Entscheidung zu diesem Thema stammt bereits aus dem Jahr 1989. Nun bezog erstmals wieder ein Arbeitsgericht Stellung (ArbG Dessau-Roßlau, Urt. v. 18.6.2009 – 10 Ca 77/09). In Anlehnung an ein noch älteres Urteil des BAG aus dem Jahre 1964 (v. 25.6.1964 – 2 AZR 382/63, AP Nr. 14 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung) sah es eine betriebsbedingte Kündigung als sozial ungerechtfertigt an, da der Arbeitsbedarf nur vorübergehend zurückgegangen sei und das Unternehmen die Möglichkeit der Kurzarbeit nicht genutzt habe. Die Kündigung sei wegen Verstoß gegen das Ultima-Ratio-Prinzip unwirksam.

„Betriebliche Erfordernisse“ für die Kündigung

Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist eine ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, vgl. Checkliste 1. Personalbedarf und Personalbestand stimmen nicht mehr überein.

Checkliste 1

Prüfungsschritte betriebsbedingte Kündigung

  • dringende betriebliche Erfordernisse (inner- oder außerbetriebliche Umstände)
  • kausaler Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit
  • Fehlen von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten
  • Sozialauswahl

Nach der Rechtsprechung des BAG können dringende betriebliche Erfordernisse auf inner- oder außerbetrieblichen Gründen beruhen:

  • Bei innerbetrieblichen Gründen entschließt sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme (z. B. Arbeitsabläufe umzuorganisieren, Maschinen zu verkaufen), bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer dauerhaft entfällt. Diese gestaltende Unternehmerentscheidung überprüft das Gericht in einem Kündigungsschutzprozess nicht darauf, ob sie zweckmäßig oder notwendig ist, sondern nur auf Willkür.
  • Außerbetriebliche Gründe (z. B. Auftragsrückgang, Umsatzrückgang) wirken sich unmittelbar in bestimmten Bereichen des Unternehmens aus.

Bei außerbetrieblichen Gründen hat der Arbeitgeber zwei Möglichkeiten, den Personalbestand an den gesunkenen Personalbedarf anzupassen:

  • Er kann die außerbetrieblichen Umstände zum Anlass nehmen, eine innerbetriebliche gestaltende Unternehmerentscheidung zu treffen, in deren Folge der Arbeitsbedarf (in einem Teilbereich) wegfällt. So kann er bspw. aufgrund des Auftragsrückgangs eine Produktionsmaschine veräußern und die Zahl der Arbeitsplätze entsprechend verringern. Es handelt sich dann um eine Kündigung aus innerbetrieblichen Gründen.
  • Beruft sich der Arbeitgeber dagegen unmittelbar auf den außerbetrieblichen Umstand als Kündigungsgrund, ist er hieran gebunden (sog. selbstbindende Unternehmerentscheidung). In einem solchen Fall ist zu prüfen, ob der außerbetriebliche Grund vorliegt und tatsächlich dazu geführt hat, dass der Beschäftigungsbedarf für die gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist.

Beispiel

Verringert sich durch Auftragsrückgang unmittelbar die Arbeitsmenge, prüft das Arbeitsgericht, ob

  • ein Auftragsrückgang in dem behaupteten Umfang vorliegt und
  • in welchem Ausmaß er sich auf die Arbeitsmenge bestimmter Mitarbeiter auswirkt.

Dies muss der Arbeitgeber im Einzelnen darlegen.

Praxistipp

Eine selbstbindende Unternehmerentscheidung empfiehlt sich im Regelfall nicht, da es für das Unternehmen mühsam und schwierig ist, in einem Kündigungsschutzprozess den Beschäftigungsfortfall hinreichend substantiiert darzulegen.

Verhältnismäßigkeit der Kündigung

Ob die zur Kündigung angeführten betrieblichen Erfordernisse dringend sind, ist anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen. Eine Beendigungskündigung ist äußerstes Mittel (Ultima-Ratio-Prinzip). Sie kommt erst in Betracht, wenn sie geeignet und erforderlich ist, betriebliche Beeinträchtigungen zu beseitigen. Grundsätzlich wird bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung noch auf einer dritten Stufe geprüft, ob die Maßnahme auch angemessen ist, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne.

Da das Gericht die unternehmerische Entscheidung, betriebsbedingt zu kündigen, jedoch nur eingeschränkt überprüfen darf, ist es auf die ersten beiden Stufen beschränkt. Es hat daher nur zu entscheiden, ob die Kündigung geeignet und erforderlich ist, die unternehmerische Entscheidung umzusetzen. Dabei muss es im Rahmen der Erforderlichkeit prüfen, ob es mildere Mittel gibt, die gleich geeignet sind, das vorgegebene unternehmerische Ziel zu erreichen (vgl. BAG, Urt. v. 27.9.2001– 2 AZR 246/00). Ist dies der Fall, ist die Kündigung unwirksam.

Einführung von Kurzarbeit

Bei der Einführung von Kurzarbeit ist die arbeitsrechtliche von der sozialrechtlichen Ebene zu unterscheiden:

  • Arbeitsrechtlich erfordert die Einführung von Kurzarbeit eine Legitimationsgrundlage. Der Arbeitgeber kann sie nicht einfach einseitig qua Weisungsrecht anordnen. Es kommen individual- und kollektivvertragliche Regelungen in Betracht. In der Praxis bildet häufig eine Betriebsvereinbarung die Grundlage.
  • Die sozialrechtliche Ebene der Kurzarbeit betrifft die Gewährung von Kurzarbeitergeld durch die Bundesagentur für Arbeit (BA). Die Checkliste 2 zeigt, welche Voraussetzungen hierfür vorliegen müssen. Wichtig ist vor allem, dass der Arbeitsmangel lediglich vorübergehender Natur ist. Unternehmen sollen Kurzarbeit nämlich nur einsetzen, wenn ein Ende des konjunkturellen Minderbedarfs an Arbeitsleistung in Sicht ist, nicht jedoch, wenn der Arbeitsbedarf unabsehbar oder gar dauerhaft gesunken ist.

Checkliste 2

Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld

  • erheblicher Arbeitsausfall aus wirtschaftlichen Gründen oder infolge eines unabwendbaren Ereignisses
  • Arbeitsausfall ist unvermeidbar und lediglich vorübergehend
  • Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen (mind. ein Arbeitnehmer)
  • Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen (z. B. ungekündigtes Arbeitsverhältnis)
  • schriftliche Anzeige des Arbeitsausfalls bei der Agentur für Arbeit

Innerbetriebliche gestaltende Unternehmerentscheidung

Die Frage, ob und in welchen Situationen der Arbeitgeber verpflichtet ist, vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung Kurzarbeit einzuführen, hängt entscheidend davon ab, aus welchen Gründen er Personal abbauen will und welche unternehmerische Entscheidung er getroffen hat. Dabei kann es nur um die Einführung sozialrechtlich geförderter Kurzarbeit gehen, da nur diese im Verhältnis zu einer betriebsbedingten Kündigung ein milderes Mittel sein kann.

Bei gestaltenden unternehmerischen Entscheidungen stellt Kurzarbeit kein milderes Mittel dar. Die Entscheidung selbst überprüft das Arbeitsgericht aufgrund der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit nicht. Allerdings kann es die Kündigung als Gestaltungsmittel zur Umsetzung der Unternehmerentscheidung auf mögliche Alternativen untersuchen. Kurzarbeit kommt dabei jedoch nicht in Betracht, da gestaltende unternehmerische Entscheidungen – unabhängig von der Entwicklung der ihnen zugrunde liegenden Umstände – den Beschäftigungsbedarf dauerhaft reduzieren (vgl. Bepler, AuR 1999, S. 219, 223).

Wichtig

Wer sich wegen Auftragsrückgangs entscheidet, eine Produktionsmaschine zu veräußern, der beseitigt auf Dauer alle Arbeitsplätze, die an dieser Maschine hängen. Damit fehlt es an einer entscheidenden Voraussetzung der Kurzarbeit, nämlich dem vorübergehenden Arbeitsausfall.

Selbstbindende Entscheidung

Bei selbstbindenden Entscheidungen kann Kurzarbeit dagegen als milderes Mittel gegenüber einer betriebsbedingten Kündigung vorrangig sein. Ihnen liegt keine gestaltende Unternehmerentscheidung zu Grunde. Der Arbeitgeber organisiert und strukturiert nicht, sondern passt lediglich den Personalbestand in dem Umfang an den Personalbedarf an, wie außerbetriebliche Faktoren es erfordern. Der Arbeitsbedarf ist direkt und unmittelbar von der Entwicklung der außerbetrieblichen Umstände (z. B. der Auftragslage) abhängig.

Voraussetzung für den Vorrang der Kurzarbeit ist jedoch, dass es rechtlich und tatsächlich überhaupt möglich ist, sie unter Beachtung der technischen, organisatorischen, wirtschaftlichen Gegebenheiten im Betrieb einzuführen:

  • Ist der Arbeitsmangel dauerhaft, kann man den Arbeitgeber auch bei selbstbindenden Entscheidungen nicht auf Kurzarbeit verweisen, da die Gewährung des Kurzarbeitergelds einen nur vorübergehenden Arbeitsmangel erfordert.
  • Geht der Arbeitgeber hingegen selbst von einem nur vorübergehenden Arbeitsmangel aus, kann Kurzarbeit als milderes Mittel in Betracht kommen.

Ob nur ein vorübergehender oder ein dauerhafter Arbeitsmangel vorliegt, beurteilt sich für die betriebsbedingte Kündigung und die Kurzarbeit unterschiedlich:

  • Nach den sozialrechtlichen Bestimmungen zum Kurzarbeitergeld ist ein Arbeitsmangel noch vorübergehend, wenn innerhalb der maximalen Bezugsfrist von nunmehr 18 Monaten damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen wieder zur Vollarbeit übergehen kann.
  • Im Kündigungsrecht hingegen kann im Einzelfall bereits ein Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für fast neun Monate erheblich sein und eine Kündigung rechtfertigen (BAG, Urt. v. 27.4.1995 – 8 AZR 200/94, Rdnr. 39).

Insofern gibt es zwischen den beiden Instrumenten eine Schnittmenge, in denen beide dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, um einem gesunkenen Arbeitskräftebedarf zu begegnen. Dabei gehört die Prognose über die voraussichtliche Dauer des Arbeitsmangels nach richtiger Ansicht zum Kernbereich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Das Arbeitsgericht darf sie nur einer Willkür- und Missbrauchskontrolle unterziehen (vgl. etwa Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Aufl. 2007, § 1 KSchG Rdnr. 573; a. A. ErfK-Oetker, 10. Aufl. 2010, § 1 KSchG Rdnr. 288).

Wann wird die Frage des Vorrangs relevant?

Soweit der Arbeitgeber also bei selbstbindenden Entscheidungen nachvollziehbar darlegt, dass nach seiner Prognose der Arbeitsmangel länger als 18 Monate andauern wird, liegen die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld nicht vor. Ein Vorrang der Kurzarbeit kommt dann nicht in Betracht.

Geht er hingegen nach seiner eigenen Prognose davon aus, dass innerhalb von ca. zwölf bis 18 Monaten wieder mit einer Steigerung des Arbeitskräftebedarfs zu rechnen ist, kann bei selbstbindenden Entscheidungen die Einführung von Kurzarbeit als milderes Mittel Vorrang vor einer betriebsbedingten Kündigung haben. Nur in dieser Fallkonstellation wird die Frage, welches Verhältnis die beiden Instrumente zueinander haben, überhaupt entscheidungserheblich.

Dies kann insbesondere bei Arbeitsplatzabbau der Fall sein, der unmittelbar an einen durch die Wirtschaftskrise bedingten Auftragsrückgang anknüpft. Bei dieser Argumentation gibt der Arbeitgeber nämlich zu erkennen, dass er selbst nur von einem vorübergehenden Phänomen ausgeht. Diesem kann er aber mit dem Instrument der Kurzarbeit begegnen.

Praxistipp

Um einer solchen Konstellation von vornherein aus dem Weg zu gehen, sollte ein zur Kündigung entschlossener Arbeitgeber stets prüfen, ob er nicht unter Berücksichtigung der außerbetrieblichen Umstände eine gestaltende Unternehmerentscheidung treffen kann.

Kurzarbeit als milderes Mittel

Im Kern betrifft die Frage nach dem Vorrang der Kurzarbeit den Punkt, ob die Kündigung erforderlich ist. Das ist sie, wenn es kein milderes, gleich geeignetes Mittel gibt. Unbestritten ist, dass Kurzarbeit gegenüber der Kündigung ein milderes Mittel darstellt. Problematisch ist jedoch, wann sie auch gleich geeignet ist, den Personalbestand an den Personalbedarf anzupassen.

Kurzarbeit ist nur dann gleich geeignet, wenn sie im Vergleich zur Beendigungskündigung gleich wirksam ist, um das unternehmerische Ziel zu erreichen. Dies wird bei einer selbstbindenden Entscheidung und nur vorübergehendem Arbeitsmangel i. d. R. der Fall sein. Es ist aber nicht auszuschließen, dass technische oder organisatorische Gegebenheiten des Betriebs einer Geeignetheit der Kurzarbeit entgegenstehen. Die sog. Remanenzkosten der Kurzarbeit (z. B. Sozialversicherungsbeiträge, Urlaubs- und Feiertagsvergütung) sind unseres Erachtens jedoch kein entsprechender Gesichtspunkt.

Über die Geeignetheit der Kurzarbeit muss zunächst der Arbeitgeber entscheiden. Ob die Arbeitsgerichte dann seine Einschätzung voll überprüfen dürfen, ist in der Literatur umstritten:

  • Ein Teil meint, auch die Einschätzung, ob die Einführung von Kurzarbeit im Betrieb möglich und gleich geeignet ist, gehöre zur unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Die Gerichte könnten sie daher nur eingeschränkt kontrollieren (vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 737). Lediglich wenn das Unternehmen willkürlich oder missbräuchlich die Alternative Kurzarbeit außer Acht lässt, kann ihm das vorgehalten werden.
  • Der wohl überwiegende Teil hält hingegen die Einschätzung über die Eignung der Kurzarbeit als Alternative für voll gerichtlich überprüfbar. Soweit das Gericht die Einführung als möglich und gleich geeignet ansieht, sei dies ein milderes Mittel im Rahmen der Erforderlichkeit der Kündigung (vgl. Stahlhacke/Preis, KSchR, 9. Auflage 2005, § 2 Rdnr. 1021). Dieser Auffassung hat sich auch das ArbG Dessau-Roßlau angeschlossen.

Der Faktor Betriebsrat

Für das Verhältnis von Kurzarbeit zu betriebsbedingter Kündigung kann auch das Verhalten des Betriebsrats von Bedeutung sein. Das BAG hat in einem Urteil vom 11.9.1986 (2 AZR 564/85) festgestellt, dass es dem Arbeitgeber zumindest dann nicht zuzumuten ist, Kurzarbeit einzuführen, wenn schon der Betriebsrat von seinem Initiativrecht hierzu keinen Gebrauch gemacht hat oder ihr sogar ablehnend gegenübersteht. Ein Vorrang der Kurzarbeit kommt in diesem Fall nicht in Betracht.

Fordert die Arbeitnehmervertretung jedoch den Arbeitgeber auf, Kurzarbeit einzuführen, oder ist kein solches Gremium vorhanden, kann dieser Kurzarbeit als mögliches milderes Mittel nicht mit der Begründung ablehnen, es fehle an einer Initiative des Betriebsrats.

Kurzarbeit als Sperre für betriebsbedingte Kündigungen?

Viele Arbeitgeber praktizieren derzeit Kurzarbeit. Aufgrund der hohen Remanenzkosten und der Nachhaltigkeit von Auftragsrückgängen erwägen sie, betriebsbedingt zu kündigen. Dabei stellt sich die Frage, ob bereits praktizierte Kurzarbeit betriebsbedingte Kündigungen einschränkt oder gar sperrt. Schließlich ist das Unternehmen, als es das Kurzarbeitergeld beantragt hat, noch von einem vorübergehenden Arbeitsmangel ausgegangen.

Früher sah das BAG betriebsbedingte Kündigungen nach Einführung von Kurzarbeit nur als gerechtfertigt an, wenn über die Umstände hinaus, die die Kurzarbeit begründet haben, weiter gehende inner- oder außerbetriebliche Gründe vorlagen, die die Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne Arbeitnehmer dauerhaft entfallen ließen. Diese Rechtsprechung hat es jedoch teilweise aufgegeben (Urt. v. 26.6.1997 – 2 AZR 494/96). Aus den sozialrechtlichen Vorschriften ist nicht mehr der Schluss zu ziehen, dass die Gewährung von Kurzarbeitergeld auch aus arbeitsrechtlicher Sicht zwingt, einen vorübergehenden Arbeitsmangel anzunehmen. Sie indiziert zwar, dass der Arbeitgeber von einem nur vorübergehenden Arbeitsmangel ausgegangen ist. Dieses Indiz kann er nun aber entkräften.

Wichtig

Auch wenn die Mitarbeiter kurzarbeiten und dafür Kurzarbeitergeld erhalten, sind betriebsbedingte Kündigungen also nicht generell ausgeschlossen. Trifft der Arbeitgeber während der Kurzarbeit eine gestaltende unternehmerische Entscheidung, die dazu führt, dass Arbeitsplätze dauerhaft wegfallen, liegt stets ein neuer, die Kündigung rechtfertigender Umstand vor.

Kündigung während der Kurzarbeit

Entschließt sich der Arbeitgeber in einem Betrieb mit Kurzarbeit Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen, erklärt er konkludent, dass aus dem zunächst als vorübergehend eingeschätzten Arbeitsmangel ein dauerhafter geworden ist. Daher entfallen mit Ausspruch der Kündigung die Voraussetzungen für die Gewährung des Kurzarbeitergelds. Dies führt dazu, dass der volle Lohnanspruch des zunächst kurzarbeitenden und dann gekündigten Arbeitnehmers wieder auflebt und das Unternehmen ihn bis zum Ende der Kündigungsfrist bezahlen muss.

Praxistipp

Das Wiederaufleben des vollen Lohnanspruchs kann aufgrund langer Kündigungsfristen zu erheblichen Kosten führen. Diese sollte der Arbeitgeber bei seiner Kündigungsentscheidung bedenken.

Unternehmen brauchen nicht befürchten, Kurzarbeitergeld zurückzahlen zu müssen, das die BA für den Zeitraum der Kurzarbeit bereits vorbehaltlos gewährt hat. Erst mit Ausspruch der Kündigung entfallen die Voraussetzungen des Kurzarbeitergelds. Der Arbeitgeber sollte allerdings die zuständige Agentur für Arbeit unverzüglich informieren.

Fazit

Die sozialrechtlich geförderte Kurzarbeit kann im Verhältnis zur betriebsbedingten Kündigung ein milderes Mittel sein. Dies gilt jedoch nur, sofern beide Instrumente geeignet sind, einem Arbeitskräfteüberhang zu begeg – nen. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber eine gestaltende unternehmerische Entscheidung trifft, durch die Arbeitsplätze dauerhaft wegfallen.

Kurzarbeit kommt ebenfalls nicht in Betracht, wenn das Unternehmen zwar wegen eines außerbetrieblichen Umstands (bspw. Auftragsrückgang) eine selbstbindende Entscheidung trifft, Personal abzubauen, aber im Rahmen einer nachvollziehbaren Prognose davon ausgeht, dass der Arbeitskräfteüberhang länger als 18 Monate andauern wird.

Dagegen ist Kurzarbeit als milderes Mittel vorrangig, sofern es selbst nur von einem vorübergehenden Arbeitsmangel ausgeht, der innerhalb von 18 Monaten vorbei ist, und diesen unmittelbar zum Anlass für seine Kündigungsentscheidung nimmt. In diesem Fall verstößt die betriebsbedingte Kündigung gegen das Ultima-Ratio-Prinzip und ist unwirksam.

Während der Kurzarbeitsphase sind betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen, es besteht aber eine erhöhte Darlegungslast. Mit Ausspruch der Kündigung entfällt der Anspruch auf Kurzarbeitergeld und der volle Lohnanspruch lebt wieder auf.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi – 1/10