Herr Panse, Sie haben in einem Ihrer Bücher geschrieben: „Wenn es stimmt, dass glückliche Kühe mehr und bessere Milch geben, dann liefern auch glückliche Mitarbeiter mehr und bessere Leistungen.“ Viele Mitarbeiter scheinen an ihrem Arbeitsplatz aber unzufrieden zu sein. Was machen die Unternehmen falsch?

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Foto von Headway

Um im Bild zu bleiben: Viele Unternehmen geben ihren unglücklichen Kühen einfach nicht das entsprechende Futter oder ausreichend Streicheleinheiten. Das meine ich ganz ernst: Der größte Fehler, den Unternehmen machen können, liegt darin, ihre Mitarbeiter nur mangelhaft wertzuschätzen und kaum Anerkennung zu geben. Und wenn Mitarbeiter diese nicht bekommen, gehen sie leider allzu oft in die innere Kündigung.

Und Führungskräfte können dies verhindern, indem sie Emotionen zeigen?

Durchaus. Jeder Mensch hat Emotionen. Und diese Emotionen bestimmen seine innere Einstellung, die sich wiederum in einem äußeren Verhalten ausdrückt. Wenn ich als Führungskraft also bei meinem Mitarbeiter über negative Emotionen eine schlechte innere Einstellung aufbaue, wird dieser sich auch ebenso ungut nach außen verhalten. Das Ende des Prozesses ist dann oft die innere Kündigung des Mitarbeiters. Das merkt der Vorgesetzte vielleicht gar nicht. Innere Kündigung heißt ja nicht, dass der betreffende Mitarbeiter nichts tut, sondern zum Beispiel nur noch Routinearbeiten erledigt. Dabei geht den Unternehmen aber eine ungeheure Menge an Kreativität verloren. Und das ist für das Unternehmen fatal: Denn in der Kreativität der Mitarbeiter steckt eine große Leistungsreserve.

Wie können Vorgesetzte ihre Mitarbeiter denn dazu bringen, kreativer zu werden?

Begegnungen von Menschen sind am Anfang immer emotional. Der Verstand kommt erst später ins Spiel. Jeder Mensch will hören, wie der andere ihn empfindet. Deshalb muss der Bereich Human Resources zwei große Quellen der Mitarbeiter nutzen: die emotionale und die rationale. Wenn Führungskräfte es schaffen, bei ihren Mitarbeitern diese beiden Quellen zu vernetzen, werden diese auch kreativer sein und die bestmögliche Leistung bringen. Um dies zu veranschaulichen, habe ich eine „Angstkurve“ entwickelt, die sich in Komfortzone, Erfolgszone und Angstzone aufteilt.

Komfortzone hört sich doch gut an…

 

Ja, und die meisten Menschen richten sich gerne darin ein. Als Führungskraft habe ich aber immer ein Leistungsziel vor Augen. Sonst wär’s Hobby … Und wenn Führung im Unternehmen die Begegnung zwischen zwei oder mehr Menschen ist und damit ein emotionaler Vorgang, dann muss auch Führung immer auf ein Leistungsziel ausgerichtet sein. Damit Mitarbeiter, die sich in der Komfortzone eingenistet haben, an ihr höchstmögliches Leistungsziel herankommen, müssen Führungskräfte deren emotionale Quelle nutzen, um sie in die kreative Unsicherheitszone, also die Erfolgszone, zu führen. Man kann ihnen dazu zum Beispiel mehr Verantwortung in ihrer Arbeit geben, kann ihnen aber auch ein bisschen Angst vor möglichen Konsequenzen ihres Tuns machen. Die Betonung liegt dabei auf „ein bisschen“, weil ich als Vorgesetzter ja signalisieren will, dass mir der Mitarbeiter und seine Arbeit wichtig sind, und nicht, dass sie in den roten Bereich, die Angstzone, rutschen.

Es genügt also nicht, wenn Führungskräfte sagen: „Wenn Sie nichts von mir hören, dann bin ich zufrieden.“ Das ist vollkommen falsch. Sie müssen die emotionale Leidenschaft ihrer Mitarbeiter mit sachlich-rationalen Faktoren vernetzen. Dann erreichen sie eine emotionale Qualität. Zusammengefasst heißt dies: Führung muss Emotionen ausdrücken.

Viele Führungskräfte scheinen sich davor zu scheuen. Warum eigentlich?

Wir sind ja alle falsch erzogen worden. Gefühle sollen wir bitteschön nur am Wochenende oder zu Hause zeigen, aber nicht im Betrieb. Es geht in den Unternehmen ja auch um Macht. Und Chefs haben oft Angst, Macht abzugeben, wenn sie Gefühle zeigen. Sie drücken ihre Macht lieber dadurch aus, dass sie – bildlich gesprochen – auf den Tisch hauen. Natürlich muss man im richtigen Moment auch mal auf den Tisch hauen. Aber Emotionen auszudrücken heißt ja auch, negative Gefühle zu verbalisieren. Und dabei ist besonders wirkungsvoll, wenn ich die Beziehung zwischen dem anderen und mir personifiziere. Das kann dann etwa heißen: „Ich persönlich habe mich geärgert, dass Sie mir eine so schlechte Arbeit abgeliefert haben.“

Erfolg hat also, wer Gefühle zeigt?

Ja. Ich vergleiche den Vorgang gerne mit Autofahren. Im Tank befindet sich Benzin, also Energie. Die schlummert aber erst mal so vor sich hin. Erst wenn der Fahrer den Motor startet und das Gaspedal betätigt, wird die Energie freigesetzt. Und erst dann kann der Fahrer den Wagen in eine bestimmte Richtung lenken. Die Reserven, die in uns Menschen schlummern, sind die Emotionen. Diese Quelle muss angezapft werden.

Wie wirken Emotionen denn auf unser Handeln? Geben Sie doch bitte ein Beispiel.

Das Urgefühl in uns Menschen ist die Angst. Sie ruht als Quelle in uns, ist also immer da, wird zwar nicht permanent gespürt, kann aber jederzeit und dann sofort explodieren. Angst führt oft zu Lähmung, muss aber nicht zwingend negativ sein. Sie kann oft auch positive Energie freisetzen und zu einer Aktion führen – nach dem Motto: „Jetzt muss ich endlich etwas tun!“

Welche Emotionen sind in Betrieben von Bedeutung?

In Unternehmen spielen oft negative Emotionen wie Ärger und Zorn eine große Rolle, aber auch positive wie Freude und Erfolgserlebnisse. Vorfreude ist auch bedeutsam. Ich komme doch ganz anders in einen Betrieb, wenn ich mich bereits seit zu Hause freue, eine bestimmte Aufgabe zu erledigen. Dann bin ich in einer vorfreudigen Stimmung. „Heute habe ich Lust, packen wir es an.“ Und schon, wenn dieser Satz ausgesprochen wird, merke ich, wie Energie freigesetzt wird. Wie bereits gesagt: Emotionen regeln meine innere Einstellung. Hier entscheide ich, ob ich mehr Wissen ansammeln, etwas lernen oder eine Aufgabe erledigen will. Das Erfolgserlebnis liegt darin, mit der Emotion Freude etwas erledigen zu wollen.

Und wenn Mitarbeiter keine positiven Emotionen aufbringen, etwas zu tun…

Dann haben Betriebe unter Umständen ein massives Problem. In meinen Führungskräfte- Seminaren geht es auch um die von mir begründete Emotionsökonomie. Ich beweise hier, dass Emotionen Geld bringen beziehungsweise man durch fehlende oder negative Emotionen Geld verlieren kann. Die Gallup-Studie 2010 – aber auch wir – haben errechnet, dass Emotionen die deutsche Wirtschaft im Jahr 2010 130 Milliarden Euro kosteten.

Wie haben Sie das denn berechnet?

Das ist zugegeben etwas schwierig. Wir berechnen dies anhand vieler verschiedener Dimensionen, zum Beispiel daran, welche Leistung herauskommt, wenn sich ein Mitarbeiter in der inneren Kündigung befindet. Oder wie viel Alkohol in einem Betrieb oder einer Abteilung aus Angst getrunken wird. Da bekommt man über Fehlzeiten einen sehr guten Einblick.

Gehen wir davon aus, dass nach Ihrem Seminar Führungskräfte gelernt haben, dass Emotionen gut sind. Dann kommen sie in den Betrieb zurück und…

Natürlich können Führungskräfte nicht von einem Tag auf den anderen einfühlsam werden. Das würde ihre Mitarbeiter nur verstören. Das muss peu à peu gehen.

Interview: Wilfried Dorsch

Literaturtipp

Erfolgsfaktor Emotionen: Ziele sicher erreichen mit Soft Skills.Von Winfried Panse und Holger von Willmsdorff. Redline Verlag 2010.

Webtipp für Abonnenten

Auf der Website des Magazins personal manager finden Abonnenten zahlreiche Materialien zum Thema „Emotionsökonomie”: www.personal-manager.at/hr-arbeitshilfen

Quelle: personal manager 3/2011