1 Stellenbesetzung

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Besondere Sorgfalt wird Unternehmen in der Phase der Ausschreibung und der Personalauswahl abverlangt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet eine Diskriminierung wegen der in § 1 genannten Merkmale. Gerade in dieser Phase begehen Viele – mit dem Ziel der Wunschbelegschaft vor Augen – Fehler, die zu erheblichen finanziellen und/oder rufschädigenden Folgen führen können.

Die Benachteiligung liegt regelmäßig in der Absage an den Bewerber aufgrund eines der in § 1 AGG genannten Merkmale. Dies kann jedoch gerechtfertigt sein, sofern sachliche Gründe vorliegen, vgl. §§ 8 bis 10 AGG, bspw. die „beruflichen Anforderungen“ i. S. d. § 8 AGG. Maßgeblich ist hierbei das Profi l der zu besetzenden Stelle. Dies ist eine Stellschraube für den Arbeitgeber. Die Gestaltung des Anforderungsprofi ls unterliegt seiner – lediglich auf offenbare Unsachlichkeit zu überprüfenden – unternehmerischen Disposition (BAG, Urt. v. 18.10.2000 – 2 AZR 465/99).

Beispiele

Es ist keine geschlechtsbezogene Diskriminierung, wenn ein männlicher Bewerber für die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten aufgrund seines Geschlechts abgelehnt wird (BAG, Urt. v. 18.3.2010 – 8 AZR 77/09, AuA 2/11, S. 117).

Ebenfalls keine geschlechtsbezogene Diskriminierung liegt bei der Ablehnung eines männlichen Bewerbers bezüglich einer Betreuer – stelle in einem Mädcheninternat vor (BAG, Urt. v. 28.5.2009 – 8 AZR 536/08).

Insbesondere das letzte Beispiel zeigt, welche Bedeutung ein vorgegebenes Anforderungsprofil hat. Hätte man für das Mädcheninternat eine reine Lehrkraft gesucht, wäre eine Differenzierung wegen des Geschlechts rechtswidrig gewesen. Im konkreten Fall war jedoch eine Stelle zu besetzen, die – jedenfalls auch – die Betreuung der minderjährigen Schülerinnen während der Nachtzeit zum Gegenstand hatte. Hieran wird deutlich, dass über das Anforderungsprofi l der Stelle eine entscheidende Weichenstellung auf dem Weg zur Wunschbelegschaft erfolgt.

Wichtig

Die Gefahr für Unternehmen in der Phase der Stellenbesetzung besteht darin, dass bereits Indizien ausreichen können, um einen Anspruch des abgelehnten Bewerbers zu begründen. Dieser hat den Vorteil der Beweiserleichterung nach § 22 AGG. Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, die Indizien zu widerlegen, sieht er sich Entschädigungs- und/oder Schadensersatzansprüchen ausgesetzt.

Beispiel

Die Äußerung gegenüber einer abgelehnten schwangeren Bewerberin auf eine Beförderungsstelle „sie solle sich auf ihr Kind freuen“, wurde im Zusammenspiel mit dem Umstand, dass sie zuvor Stellvertreterin für diese Stelle war, als ausreichendes Indiz für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts angesehen (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28.6.2011 – 3 Sa 917/11).

Praxistipp

Man sollte eine Nennung der in § 1 AGG aufgeführten Merkmale sowie die Abbildung von Personen in Ausschreibungen vermeiden. Sofern eine Differenzierung aufgrund eines Merkmals des § 1 AGG erfolgen soll, bedarf es eines im Anforderungsprofil wiederzufindenden sachlichen Grundes; dieser sollte bereits in der Ausschreibung ersichtlich sein.

Assessment-Center bieten die Möglichkeit, weitestgehend verobjektiviert die Eignung eines Bewerbers zu prüfen und die optimalen Kandidaten aus einer großen Bewerbermenge herauszufiltern. Die Durchführung durch einen Dritten entbindet den Arbeitgeber jedoch nicht von seinen Pflichten im Rahmen des AGG. Etwaige Verstöße sind ihm zuzurechnen.

Des Weiteren kann bereits das Assessment-Center selbst eine Diskriminierung darstellen. Dies ist etwa der Fall, wenn Bewerber wegen körperlicher oder seelischer Behinderungen nicht teilnehmen können und für die Notwendigkeit der Teilnahme kein sachlicher Grund dargelegt wird (ArbG Düsseldorf, Urt. v. 23.4.2010 – 10 Ca 7038/09).

2 Fortbildungen

Im laufenden Arbeitsverhältnis hat das Unternehmen die Möglichkeit, von ihm als Hoffnungsträger ausgemachte Arbeitnehmer besonders fortzubilden. Zu denken ist hier bspw. an eine begleitende Berufsakademie oder Fortbildungen, die in den Erhalt bestimmter Zertifizierungen münden.

Wichtig

Da bei der Vergleichbarkeitsprüfung im Rahmen einer Sozialauswahl auch zumutbare Fortbildungsmaßnahmen zu berücksichtigen sind, genügt es nicht, die „High Performer“ lediglich in geringem Umfang zu schulen, um sie als eigenständige Gruppe behandeln zu können. Denn Kenntnisse und Fähigkeiten, die sich in einer überschaubaren Zeitspanne erlernen lassen, schließen die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer nicht aus. Erforderlich ist, dass der „begehrte“ Mitarbeiter Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, die man nur durch besondere Fortbildungen von gewisser Dauer erlangt.

Als Faustregel bei der Sozialauswahl gilt, dass erforderliche Fortbildungen, die innerhalb der individuell anwendbaren Kündigungsfrist durchführbar wären, einer Vergleichbarkeit und somit der Einbeziehung in eine Sozialauswahl nicht entgegenstehen. Das bedeutet, dass man Arbeitnehmer, die über Kenntnisse und/oder Fähigkeiten verfügen, welche innerhalb kurzer Einarbeitungszeit auch von anderen Beschäftigten erworben werden könnten, nicht von der Sozialauswahl ausnehmen darf.

Die überwiegende Ansicht mutet Arbeitgebern einen Zeitraum von drei bis vier Monaten für Fortbildungen zu (vgl. auch BAG, Urt. v. 5.5.1994 – 2 AZR 917/93, zur Unangemessenheit von drei Monaten; teilweise wird aber auch ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten vertreten, vgl. Griebeling in: KR, 9. Aufl ., 2009, § 1 KSchG Rdnr. 620 m. w. N.). Diesen – wenn auch nur als Faustregel geltenden – Schwellenwert muss man mindestens berücksichtigen, wenn langfristig Hoffnungsträger aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer herausgehoben werden sollen. Verlässliche Werte für die zumutbare Dauer bestehen nicht.

Praxistipp

Nach erfolgreichem Abschluss der Fortbildung sollten Unternehmen das Anforderungsprofil der vom jew. Beschäftigten ausgeübten Stelle ergänzen. Hierdurch dokumentieren sie zum einen die Differenzierung und nehmen zum anderen die Mitarbeiter, die diese Zusatzqualifikation nicht besitzen, vom Kreis derjenigen aus, die die Stelle mit der Zusatz qualifikation innehaben.

3 Versetzungsklauseln

Arbeitnehmer müssen flexibel einsetzbar sein. Eine Versetzungsklausel kann sowohl örtliche als auch inhaltliche Flexibilität sichern. Mitarbeiter ohne Versetzungsvorbehalt unterliegen dagegen nur einem eingeschränkten Direktionsrecht, da man sie nur innerhalb der konkreten Tätigkeitsbezeichnung einsetzen kann und darüber hinaus eine Änderungskündigung erforderlich wäre. Der Vorteil eines Arbeitsverhältnisses ohne Versetzungsvorbehalt wird aus Arbeitgebersicht im Rahmen einer Sozialauswahl deutlich, da dann im Rahmen der Vergleichsgruppenbildung nur diejenigen Mitarbeiter zusammenzufassen sind, die über eine identische Tätigkeitsbezeichnung verfügen. Liegt eine Versetzungsklausel vor, erweitert sich der Kreis der vergleichbaren Beschäftigten entsprechend den übertragbaren Tätigkeiten, sofern der Arbeitnehmer diese tatsächlich ausführen kann. Versetzungsklauseln haben somit maßgeblichen Einfluss auf eine spätere Sozialauswahl (BAG, Urt. v. 18.10.2006 – 2 AZR 676/05, AuA 4/08, S.249).

Wichtig

Eine Versetzungsklausel kann sich aus Sicht des Unternehmens somit in die eine – erwünschte – oder in die andere – unerwünschte – Richtung auswirken. Man sollte deswegen mit der Vereinbarung von Versetzungsklauseln vorsichtig umgehen, da eine Streichung der Klausel im Nachhinein, ebenso wie eine Aufnahme in den Vertrag, nur einvernehmlich erfolgen kann.

Aus der praktischen Erfahrung heraus ist der Vorteil von Versetzungsklauseln mit dem verfolgten Ziel einer höheren Flexibilität geringer als der Nachteil bei betriebsbedingten Kündigungen. Auch wird ein Mitarbeiter, der einem Versetzungsvorbehalt unterfällt – wenn er die ihm zugedachte neue Stelle nicht ausüben möchte – dort keine gute Leistung erbringen.

Ihn in Ausübung des Direktionsrechts zu einer Tätigkeit zu zwingen, die er nicht ausüben möchte, löst das Problem nicht. Demgegenüber akzeptiert ein verständiger Arbeitnehmer auch trotz fehlendem Versetzungsvorbehalt die veränderte Stelle und lässt es nicht auf eine Änderungskündigung ankommen. Zu beachten ist, dass bei einer Sozialauswahl u. U. Beschäftigte mit Versetzungsklauseln in eine Vielzahl von Vergleichsgruppen einzubeziehen sind, sofern sie die entsprechenden Tätigkeiten innerhalb einer zumutbaren Einarbeitungszeit tatsächlich erlernen können. Dies macht eine ordnungsgemäße Sozialauswahl bei einer Vielzahl von Vergleichsgruppen ggf. praktisch unmöglich, weshalb man zur vernünftigen Planung einer Sozialauswahl auf Versetzungsklauseln verzichten sollte.

4 Kündigungsschutz

Auch ohne Einflussnahme über Fortbildungen lässt sich auf die betriebsbezogene Sozialauswahl – wenn auch in engen Grenzen – über Sonderkündigungsschutz Einfluss nehmen: Nicht zwingend einzubeziehen sind Arbeitnehmer, trotz eigentlicher Vergleichbarkeit, denen aufgrund gesetzlicher Vorschriften nur nach vorheriger Zustimmung einer staatlichen Stelle gekündigt werden kann. Da Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, die Zustimmung der zuständigen Behörde zu beantragen oder diese gar einzuklagen, müssen sie solche Mitarbeiter nicht in die Sozialauswahl einbeziehen. Ein bevorstehender Wegfall des Sonderkündigungsschutzes führt ebenfalls nicht zur zwingenden Einbeziehung des noch besonders geschützten Beschäftigten in die Sozialauswahl.

Praxistipp

Auch hierdurch kann man gestalterisch Einfluss nehmen. Arbeitnehmer, die sich bspw. in Elternzeit befinden, oder Schwerbehinderte können in eine Sozialauswahl einbezogen werden, müssen dies jedoch nicht. Daneben hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, aktiv Einfluss auf die Sozialauswahl durch eigenhändiges Gewähren von Sonderkündigungsschutz zu nehmen: Den Arbeitsvertragsparteien steht es frei, individualvertraglich den Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung zu vereinbaren. Problematisch ist die Abgrenzung zur unzulässigen Umgehung der Sozialauswahl. Diese kann bereits aufgrund eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen Gewähren des Kündigungsausschlusses und darauf folgender betriebsbedingter Kündigungen angenommen werden (BAG, Urt. v. 2.6.2005 – 2 AZR 480/04). Jedoch ist auch hier die Vermutung der Umgehung einer Sozialauswahl widerlegbar; der zeitliche Aspekt ist lediglich ein Indiz. Weist der Arbeitgeber sachliche Gründe für die Vereinbarung des besonderen Kündigungsschutzes nach, kann er den Verdacht der Umgehung entkräften.

Beispiele

So kann sich der Arbeitgeber darauf berufen, das Abwerbungsangebot eines Konkurrenzunternehmens überboten zu haben, den Verzicht auf Gehaltserhöhungen als Gegenleistung des Arbeitnehmers als Grund benennen oder darlegen, dass man bestimmten Mitarbeitern grundsätzlich den Ausschluss ordentlicher Kündigungen anbietet (vgl. Oetker in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl ., 2011, § 1 KSchG Rdnr. 313).

Vor einem vereinbarten individualvertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung sollten Unternehmen sorgsam prüfen, ob dieser Weg tatsächlich zielführend ist. Flächendeckend kann das Gewähren von Sonderkündigungsschutz nicht die Lösung sein, zumal dies – bei irrtümlicher Einstufung des Beschäftigten als Hoffnungsträger – die Möglichkeiten zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erheblich einschränkt.

5 Unternehmerische Entscheidungen

Bei der Beendigung selbst stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, Einfluss auf die Zusammensetzung der Belegschaft zu nehmen. So dürfen die Gerichte lediglich prüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung offenbar unsachlich, willkürlich oder unvernünftig ist (BAG, Urt. v. 4.5.2006 – 8 AZR 299/05; v. 27.1.2011 – 2 AZR 9/10). Gerade die Ausgestaltung der weitestgehend freien unternehmerischen Entscheidung – ggf. in Kombination mit der Veränderung des Stellenprofi ls – bildet eine effektive Stellschraube auf dem Weg zur Wunschbelegschaft. In der Praxis hängt ihre Ausgestaltung wesentlich davon ab, ob die Umsetzung gerade auch „unliebsame“ Arbeitnehmer weitgehend so betrifft, dass man das gewünschte Ergebnis erzielt. In der Theorie steht am Anfang die unternehmerische Entscheidung, deren Auswirkungen auf bestehende Beschäftigungsmöglichkeiten anschließend geprüft wird. In der Praxis versucht man, vom Ergebnis rückwärts zur Entscheidung zu planen. Zunächst gilt es, die Wunschbelegschaft und erst dann eine auf die einzelnen Vergleichsgruppen individuell angepasste Kombination von unternehmerischen Entscheidungen festzulegen.

Beispiel

Während sich für eine Vergleichsgruppe die Fremdvergabe anbietet, ist für eine andere Vergleichsgruppe die Neufestsetzung des vorgehaltenen Arbeitskraftvolumens sinnvoll.

6 Veränderungen des Anforderungsprofils

Ein Grund für eine betriebsbedingte Kündigung kann die – willkürfreie – Veränderung des Anforderungsprofils einer Stelle sein, wenn diese Entscheidung dazu führt, dass der entsprechende Arbeitnehmer die Anforderungen nicht mehr erfüllt (vgl. BAG, Urt. v. 10.7.2008 – 2 AZR 1111/06, AuA 9/09, S. 552). Hat der Mitarbeiter diese Kenntnisse nicht und kann er diese nicht innerhalb eines zumutbaren Zeitraums erlangen, ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, da der Arbeitsplatz in der bisherigen Gestaltung entfallen ist.

Bevor eine auf die Veränderung des Anforderungsprofils gestützte, betriebsbedingte Kündigung in Betracht kommt, muss man allerdings prüfen, ob sie durch zumutbare Qualifizierungsmaßnahmen vermeidbar ist. Die Veränderung des Anforderungsprofils einer Stelle kann auch mit einer anderen unternehmerischen Entscheidung – z. B. der o. g. Neufestsetzung des vorgehaltenen Arbeitskraftvolumens in einer Vergleichsgruppe – einhergehen. Sie ist dann nicht die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit in der bisherigen Form führende Entscheidung, sondern wirkt sich (nur) auf die Frage aus, welcher Beschäftigte für die noch vorgehaltenen Arbeitsplätze fachlich in Betracht kommt.

Praxistipp

Die Darlegungslast zur Veränderung des Stellenprofils liegt beim Arbeitgeber (BAG v. 10.7.2008, a. a. O.). Es empfiehlt sich daher, die unternehmerische Entscheidung, deren betrieblichen Anlass sowie die Kausalität für die Veränderung der Anforderung zu dokumentieren. Sofern Qualifizierungsmaßnahmen in Betracht kommen, muss man deren Unverhältnismäßigkeit darlegen.

Nicht ausreichend ist das nachträgliche Ausgestalten einer Stelle zur bloßen Beförderungsstelle, denn diese könnte der Arbeitnehmer weiterhin ausfüllen.

7 Gestalten von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten

Eventuelle Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten sind grundsätzlich unternehmens- und nicht konzernbezogen zu prüfen. Eine konzernweite Beschäftigungspflicht besteht nur ausnahmsweise, wenn sich eine Übernahmeverpflichtung aus vertraglichen Absprachen ergibt, vgl. auch Shipton/Wiese, AuA 11/11, S. 646 ff. Ferner ist ein gesellschaftsrechtlich bestimmender Einfluss des kündigenden Unternehmens auf die übernehmende Firma erforderlich, z. B. aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung (BAG, Urt. v. 23.11.2004 – 2 AZR 24/04; v. 10.7.2008, a. a. O.).

Da somit grundsätzlich keine konzernweite Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten notwendig ist, können Arbeitgeber ihren Hoffnungsträgern freie Arbeitsplätze in anderen Konzernunternehmen anbieten. Hierbei ist darauf zu achten, dass dies nur für eine begrenzte Anzahl von Mitarbeitern in Betracht kommt. Vermeiden sollte man auch einen Betriebs(teil)übergang.

8 Gewichtung der Kriterien zur Sozialauswahl

Eine weitere Stellschraube bieten die Auswahlkriterien im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung lassen sich unterschiedlich gewichten, da hier kein Vorrang besteht (BAG, Urt. v. 5.11.2009 – 2 AZR 676/08). Unternehmen haben einen Wertungsspielraum, da die Norm selbst lediglich eine „ausreichende“ Berücksichtigung der Kriterien verlangt (BAG, Urt. v. 18.1.2007 – 2 AZR 796/05). Die Rechtsprechung fordert daher auch nicht die gerechteste Abwägung, sondern lediglich die Vertretbarkeit der Auswahlentscheidung. Hier bestehen abermals Steuerungsmöglichkeiten, insbesondere wenn Punktemodelle gewählt werden. Durch die unterschiedliche Zuweisung von Punkten, bspw. für unterhaltsberechtigte Kinder, lässt sich die Sozialauswahl beeinflussen. Zu beachten ist allerdings, dass diese Punktetabellen mitbestimmungspflichtig sind, § 95 Abs. 1 BetrVG

9 (Alters)gruppenbildung

Sofern Arbeitgeber über die Gewichtung der Sozialkriterien das gewünschte Ergebnis nicht erreichen, können sie gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG „zur Erhaltung einer ausgewogenen Personalstruktur“ auf die Sozialauswahl Einfluss nehmen. Nicht die Herstellung einer anderen, günstigeren Personalstruktur ist umfasst, sondern lediglich die Erhaltung der bereits vorhandenen Struktur (BAG, Urt. v. 23.11.2000 – 2 AZR 533/99).

Hauptanwendungsfall ist die Bildung sog. Altersgruppen. Diese sind trotz der §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG, Art. 6 RL 2000/78/EG zulässig (BAG, Urt. v. 11.4.2006 – 9 AZR 528/05, AuA 6/07, S. 373; v. 22.1.2009 – 8 AZR 906/07).

Praxistipp

Konkret muss man zunächst Vergleichsgruppen bilden (z. B. „Monteure“). Im Folgenden ist innerhalb der Vergleichsgruppen die Altersgruppenbildung vorzunehmen („bis 30 Jahre“, „31 bis 40 Jahre“ usw.). Es wird sodann der auf die Altersgruppe entfallende Anteil an den wegfallenden Beschäftigungsmöglichkeiten ermittelt und anschließend die Sozialauswahl vorgenommen. Dies führt dann im Ergebnis dazu, dass der Anteil der Arbeitnehmer der jeweiligen Altersgruppe innerhalb der Vergleichsgruppe gleich und somit die jeweilige Altersstruktur unverändert bleibt.

Die Altersgruppenbildung ist nunmehr auch wieder in der Praxis handhabbar: Während die Umsetzung früher daran scheiterte, dass die Rechtsprechung strengstens darauf achtete, dass es zu keinerlei Verbesserung in der Personalstruktur – z. B. beim Durchschnittsalter – kommen darf, wird nunmehr gefordert, dass das Verhältnis der älteren zu jüngeren Beschäftigten „in etwa gleich“ bleibt (KR, 9. Aufl . 2009, § 1 KSchG Rdnr. 645). Es ist zudem nicht erforderlich, in allen Vergleichs gruppen Altersgruppen zu bilden. Auch dieser Umstand ist eine weitere Stellschraube auf dem Weg zur Erreichung des Zieles „Wunschbelegschaft“.

10 Sonderfall: Leistungsträger

Nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sind Mitarbeiter, deren Weiterbeschäftigung – insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen – im berechtigten betrieblichen Interesse liegt, § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Hierzu zählen u. a.

– besondere, tatsächlich erforderliche Sprachkenntnisse,

– Kundenkontakte oder

– sonstiges, nicht zeitnah erwerbbares Knowhow.

Notwendig ist, dass dem Unternehmen ein nicht unerheblicher Vorteil durch den betreffenden Arbeitnehmer entsteht, welcher bei regulärer Sozialauswahl nicht zu erreichen gewesen wäre (BAG, Urt. v. 31.5.2007 – 2 AZR 306/06).

Die Rechtsprechung ist bei der Anerkennung der Leistungsträgereigenschaft sehr restriktiv. Schon die Benennung einer hohen Anzahl an Leistungsträgern schwächt die Glaubhaftigkeit der Argumentation.

11 Namensliste gem. § 1 Abs. 5 KSchG

Führt der Arbeitgeber eine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung i. S. d. §§ 111, 112 BetrVG durch, besteht die Möglichkeit, eine Liste mit den Namen der zu kündigenden Arbeitnehmer zu erstellen. Es wird dann vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Besteht eine Namensliste, prüft das Arbeitsgericht die Sozialauswahl lediglich hinsichtlich grober Fehler. Entgegen einem verbreiteten Irrglauben entbindet die Namensliste aber nicht von einer Sozialauswahl.

Praxistipp

Häufigster Fehler in der Praxis ist das Nichteinhalten des Schriftformerfordernisses. Die Namensliste ist mit dem Interessenausgleich „fest zu verbinden“. Hierfür reicht die Verbindung mit einer Heftmaschine aus. Wird die Liste getrennt vom Interessenausgleich erstellt, müssen beide Dokumente von den Betriebsparteien unterschrieben sein. Wir empfehlen zur Vermeidung der Diskussion, ob eine feste Verbindung im maßgeblichen Zeitpunkt vorlag, sowohl den Interessenausgleich als auch die Namensliste jeweils von beiden Betriebsparteien unterzeichnen zu lassen.

Ferner ist zu beachten, dass nur ein Interessenausgleich bzgl. einer interessenausgleichspflichtigen Maßnahme i. S. d. §§ 111, 112 BetrVG die Vermutungswirkung der Namensliste auslöst, nicht aber ein freiwilliger.

12 Fazit

Der Weg zur Wunschbelegschaft führt über die Kombination verschiedener Einzelmaßnahmen. Beginnend mit der sorgfältigen Auswahl bei der Einstellung, verbunden mit einem Anforderungsprofi l, was ggf. auch eine Differenzierung aufgrund der von § 1 AGG geschützten Merkmale rechtfertigt, ist im laufenden Arbeitsverhältnis darauf zu achten, dass Hoffnungsträger durch Fortbildungen weiterentwickelt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, im Vorfeld von Betriebsänderungen einzelne Mitarbeiter einvernehmlich bei anderen Konzerngesellschaften weiterzubeschäftigen oder ihnen individualvertraglichen Sonderkündigungsschutz einzuräumen.

Bei Restrukturierungen ist zunächst eine sorgfältige Bildung von Vergleichsgruppen vorzunehmen. Anschließend gilt es, zu prüfen, ob sich das Wunschergebnis über die Anwendung eines Punktemodells – in etwa – erreichen lässt. Ggf. sollte man – auch nur für einzelne Vergleichsgruppen – eine Altersgruppen bildung vornehmen. Vielleicht erfüllen einzelne Hoffnungsträger auch die Kriterien für eine Leistungsträgereigenschaft.

Schließlich ist an eine Namensliste zu denken – hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die vom Betriebsrat geforderte „Gegenleistung“ u. U. zu kostspielig wird. Die Anzahl der Kündigungsschutzverfahren fällt bei bestehender Namensliste geringer aus und von den dennoch eingeleiteten Verfahren endet ein größerer Prozentsatz durch Vergleich. Die Wunschbelegschaft muss somit kein Traum sein. Sie ist durch die Kombination der vorgenannten Einzelmaßnahmen durchaus erreichbar. Ferner ist zu beachten, dass nur ein Interessenausgleich bzgl. einer interessenausgleichspflichtigen Maßnahme i. S. d. §§ 111, 112 BetrVG die Vermutungswirkung der Namensliste auslöst, nicht aber ein freiwilliger.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 01/12