Es war einmal ein namhafter deutscher Industriekonzern. Nennen wir ihn die Müller-Schmidt AG. Vor einigen Jahren fiel dem findigen Personalleiter das erste Mal auf, dass er nicht mehr alle ausgeschriebenen Stellen des Unternehmens qualifiziert besetzen kann. Schnell hat er reagiert und gemeinsam mit der Geschäftsleitung eine Personalstrategie entwickelt. Studien wurden in Auftrag gegeben, Personalreferenten weitergebildet, Berater engagiert und man einigte sich darauf, viel Geld in einen neuen Zauber zu investieren: Bewerbermarketing.

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Foto von Andrew Neel

So zogen nun die Personalreferenten des besagten Unternehmens von dannen, organisierten Messen, engagierten sich im Hochschulmarketing, veranstalteten Tage der offenen Tür, schalteten teure Anzeigen, kauften eine neue Software für die Bewerberverwaltung und führten ein Online-Bewerbungstool ein. Alle freuten sich auf eine rosige Zukunft, mit vielen qualifizierten Mitarbeitern, denen es gut geht bei der Müller-Schmidt AG, die zu Hochleistungen motiviert sind und glücklich und produktiv bis zur Rente für das Unternehmen arbeiten.

Zur selben Zeit gab es einen jungen Hochschulabsolventen, nennen wir ihn Hans Meier. Hans Meier hatte super Noten, diverse Praktika, Auslandserfahrung. Menschlich gesehen war er auch noch astrein, er konnte sich benehmen, er war freundlich, ehrgeizig und engagiert. Herr Meier hatte verschiedene Angebote für seinen Berufseinstieg vorliegen, aber er wollte sich nicht so schnell entscheiden. In seinem Heimatort gab es ja schließlich noch die Müller-Schmidt AG, die ihm durch ihr gutes Hochschulmarketing aufgefallen war.

Also schaute er sich auf der Homepage des Unternehmens um und fand einige interessante Informationen und Positionen. Da er aber nicht so recht wusste, wie er vorgehen sollte, suchte Herr Meier nach einem Ansprechpartner für sein Anliegen und wurde nach einiger Zeit der Suche auch fündig. Motiviert und fröhlich wählte er die angegebene Nummer – besetzt… Neuer Versuch – es klingelt… Herr Meier freut sich… Es klingelt weiter… Nach dem 12. Klingeln legt er auf. Zwei Stunden später ein neuer Versuch – es klingelt… Wieder legt er nach dem 12. Klingeln auf. Herr Meier ist aber motiviert und wirklich sehr an einer Einstellung bei Müller-Schmidt interessiert, also versucht er es am nächsten Tag wieder… Und am nächsten… Nach drei Tagen hat er endlich eine freundliche junge Dame am Telefon! Aber dann die böse Enttäuschung: „Oh, das tut mir leid, Ihre Ansprechpartnerin ist für drei Wochen im Urlaub… Nein, jemand anders kann Ihnen nicht weiterhelfen… Aber bewerben Sie sich doch einfach über unsere Homepage, dann hat sie Ihre Bewerbung vorliegen, wenn sie aus dem Urlaub wiederkommt…. Wenn dann noch Fragen sind, können Sie ja gerne nochmal anrufen.“

Drei Wochen, das ist aber lang, denkt sich unser Herr Meier da, da muss ich wohl versuchen die anderen Unternehmen, die Interesse an mir bekundet haben, zu vertrösten. Ein bisschen deprimiert, aber dennoch unverdrossen sucht Herr Meier den Link für Initiativbewerbungen von der Homepage raus und will seine Bewerbung fertig machen. Vier Stunden später, nachdem er alles eingegeben hat, was benötigt wird, seinen Lebenslauf angehängt und nochmal ins Bewerbungs-Formular eingegeben hat ist alles soweit fertig, dass er es abschicken kann. Und dann die Fehlermeldung… Eine Datei war zu groß. Ok, neuer Versuch, schnell die Datei verkleinern und neu einfügen… Gesagt getan, doch was kommt dann: FEHLERMELDUNG! Die Website ist abgelaufen und kann nicht mehr angezeigt werden. Alle Daten weg. Nochmal eingeben?

Nein, Herr Meier entscheidet für sich, dass die Meier-Schmidt AG wohl doch kein so guter Arbeitgeber sein kann, wenn sie so wenig Interesse für ihre Bewerber zeigt. Schade, dass die großen Marketing-Worte wohl nicht mit der Realität im Unternehmen übereinstimmen. Leider erfährt die Müller-Schmidt AG nie von Herrn Meiers Bemühungen und sucht weiter nach dem perfekten Absolventen. Aber Herr Meier erzählt seinen Freunden, Verwandten und neuen Kollegen von dieser Erfahrung.

So hat dieses Märchen leider keinen guten Ausgang gefunden und die beiden arbeiten nicht glücklich und zufrieden bis zur Rente zusammen.

Dieses Märchen ist natürlich frei erfunden, aber denken Sie mal darüber nach, wie oft Ihnen Ähnliches schon in der einen oder anderen Form passiert ist. Ob Sie nun Bewerber, Mitarbeiter oder Kunde sind spielt keine Rolle, das Ergebnis bleibt immer gleich!

In diesem Sinne wünsche ich allen eine schöne und produktive Arbeitswoche!

Katharina Gebele