Round Table zur Frage, welche Agentur passt
Immer mehr Dienstleister und Agenturen entdecken Employer Branding und Personalmarketing. Und das ist gut so. Denn modernes Personalmarketing erfordert, interdisziplinär, vernetzt und ganzheitlich zu denken, sagen die Teilnehmer des Round Tables. Aber neue Konkurrenz um die begrenzten Budgets bedeutet es natürlich auch.
Gab es in der letzten Zeit eine Employer Branding oder Personal-Kampagne, die Ihnen besonders gut gefallen hat?
Tobias Grewe: Ohne unsere Agentur loben zu wollen – aber was Castenow mit der Bundeswehr-Kampagne an den Start gebracht hat, gefällt mir sehr gut. Da ist wirklich etwas Neuartiges gelungen.
Christa Stienen: Meine Lieblingskampagne ist auch eine eigene von Schenker Deutschland, nämlich die „Was ist Dein Laster“-Kampagne. Diese hat unser Team selbst entwickelt und von Anfang bis Ende gestaltet. Die Kampagne ist also aus dem Unternehmen heraus entstanden – und hat auch ganz viel nach innen bewirkt. Das ist auch ein wichtiger Aspekt von Employer Branding: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Spaß an ihrer Kampagne, freuen sich, erleben Selbstwirksamkeit. Aber auch viele Kampagnen der Berliner BVG finde ich zum Beispiel sehr gelungen.
Malte Fischer: Mich hat auch die Bundeswehr-Kampagne überzeugt. Und die von Porsche. Das waren in den letzten Jahren meiner Meinung nach die stärksten Employer-Branding-Kampagnen.
Grewe: Stimmt, das ist diese Schwarz-Weiß-Kampagne mit dem Mann, der unter dem Auto liegt, oder? Die finde ich auch sehr überzeugend.
Sie mögen also Ihre Kampagnen. Wie ist das eigentlich bei Pitches für Personalmarketing-Kampagnen. Treffen sich da immer wieder dieselben Agenturen?
Fischer: Ja, es gibt einige Agenturen, denen man immer wieder begegnet. Castenow zum Beispiel (lacht).
Grewe: Milch und Zucker, zum Beispiel. Aber eben auch oft klassische Agenturen wie Scholz & Friends oder Zum goldenen Hirschen. Gegen eine Agentur musste ich am Ende des Pitches einmal in einer Online-Auktion antreten.
Wie dürfen wir uns das denn vorstellen? Eine Auktion, bei der man sich mit Blick auf das Budget nach unten schraubt?
Grewe: Genau. Da gab es eine Ampel – und die wurde rot, wenn der eine den anderen Pitch-Teilnehmer unterboten hatte. Irgendwann war die Schmerzgrenze erreicht, da habe ich die Stopp-Taste gedrückt und bin ausgestiegen.
Herr Fischer, Scholz & Friends hat ja selbst schon einige bemerkenswerte Personal-Kampagnen durchgeführt. Ich erinnere mich an Pizza digitale, zum Beispiel. Was reizt Sie an dem Thema?
Fischer: Wir bei Scholz & Friends glauben, dass Employer Branding eines der wichtigsten Zukunftsthemen deutscher Unternehmen ist. Die Personalknappheit und der daraus resultierende Kampf um die Talente sind da sicher wichtige Aspekte. Aber neben dem „Finde-Problem“ gibt es in vielen Unternehmen auch ein „Binde-Problem“. Studien bestätigen, dass sich die meisten Mitarbeiter kaum oder gar nicht emotional mit ihrem Arbeitgeber verbunden fühlen. Daher haben wir uns 2016 entschieden, eine eigene Kompetenzeinheit für Employer Branding zu gründen, die Experten aus unterschiedlichen Bereichen zusammenführt. Wir arbeiten mit Strategen, Organisationsberatern, HR`lern, Digitalen, Kreativen, Marktforschern und einem sehr spezialisierten Mediaplaner gemeinsam an diesem Thema.
Früher war Employer Branding eher die Domäne etablierter Personalmarketing-Agenturen, jetzt tummeln sich auch zunehmend klassische Agenturen in dem Feld und es gibt sogar spezialisierte Dienstleister wie Junges Herz oder Gessulat+Gessulat. Wie kommt es, dass so viele Dienstleister das Thema entdecken?
Stienen: Da ist ein großer Markt entstanden …
Grewe: … und die Sichtbarkeit ist besonders durch große Kampagnen – über die wir ja auch schon gesprochen haben – gestiegen. Employer Branding ist ein Thema. Und angesichts der Personalknappheit wird es immer wichtiger. Laut Umfragen glauben zwar schon 60 Prozent der Unternehmen, dass sie in dem Bereich gut aufgestellt seien – aber 40 Prozent sehen da noch Bedarf. Der Markt wächst also. Und hinzu kommt noch das Thema Internationalisierung bei den Arbeitgebern, die eben auch in anderen Ländern aktiv sind.
Stienen: Das bringt allerdings auch Probleme mit sich. So entstehen oft Kampagnen, bei denen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mitgenommen fühlen. Und leider macht so mache Agentur ihre Hausaufgaben und Analysen nicht sauber. Denn auch die HR-Themen verlangen tiefe inhaltliche Kenntnisse und Employer Branding ist aber eben auch ein Kultur-Thema. Im Unternehmen muss über Werte, Kultur, den Umgang miteinander diskutiert werden. Eine Kampagne muss genau das aufnehmen, sonst kommen die Menschen mit falschen Erwartungen ins Unternehmen. Das müssen Agenturen und Dienstleister mehr denn je im Blick haben.
Man könnte ja auch auf den bösen Gedanken kommen, dass manche Agenturen nur darum in das Thema einsteigen, weil in anderen Bereichen die Budgets für große Kampagnen knapper werden.
Fischer: Natürlich reagieren Agenturen auch auf die Nachfrage am Markt. Bei Scholz & Friends ist es gewissermaßen in der DNA verankert, auf neue Anforderungen auch mit Spezialeinheiten zu reagieren. Als Orchester der Ideen haben wir schon sehr früh Units für PR, Design, Content-Marketing, CSR, Dialogmarketing, Social Media etc. aufgebaut – und eben auch für Employer Branding. Im Vergleich zu den Etats für klassisches Produktmarketing sind die Budgets im Employer Branding und Personalmarketing allerdings immer noch relativ mau.
Grewe: Wir werden es aber erleben, dass genau das sich ändern wird.
Fischer: Das hoffe ich sehr stark. Ich beobachte seit einigen Jahren ebenfalls Veränderungen: Immer mehr Unternehmen schaffen die Ressourcen für das Thema, nehmen Geld in die Hand, richten eigene Stellen ein. Das entwickelt sich sehr positiv, ist aber noch lange nicht da, wo es sein sollte.
Stienen: Das hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass es Soziale Medien gibt und Plattformen wie Kununu oder Glassdoor, wo Arbeitgeber bewertet werden. Und über die Eigenmotivation von Agenturen spekuliere ich nicht.
Bei der Frage, wer mit Blick auf Personalmarketing und Employer Branding auf Dienstleisterseite die Nase vorn hat, spielen also der Markt und die Nachfrage eine große Rolle. Aber welchen Aspekt spielt dabei das Thema Marke? Kann man die überhaupt in Unternehmensmarke, Produktmarken oder die Arbeitgebermarke aufteilen? Gehört das nicht zusammen – so dass es logisch wäre, dass diejenigen, die sich um die anderen Bereiche kümmern, sich irgendwann auch das Thema Employer Brand vornehmen?
Fischer: Wir verstehen die Arbeitgebermarke als Teil der Unternehmensmarke und denken nicht, dass sich die Marke teilen lässt. In einer idealen Welt würde die Marke ganzheitlich aufgebaut und geführt werden. In der Praxis ist es jedoch oftmals so, dass die Etats auf Kundenseite streng voneinander getrennt sind.
Und Aufträge zur Betreuung der gesamten Markenwelt eines Unternehmens gibt es nicht?
Grewe: Doch, die gibt es auch. Bei Castenow hat zum Beispiel die katholische Kirche, genauer gesagt das Bistum Münster angefragt. Zum Bistum Münster gehören nicht nur Pfarrgemeinden, sondern auch Bildungshäuser, Akademien, soziale Einrichtungen etc. bis hin zur Caritas. Alle haben Personalbedarf. In unserer Arbeit haben wir jedoch festgestellt, dass ein klares Markenverständnis und eine Markenidentität fehlen. Mit Employer Branding anzufangen, hätte hier bedeutet, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Hier ist der Kunde unserer Empfehlung gefolgt und hat gemeinsam mit uns erst eine klare Markenstrategie entwickelt, um dann das Employer Branding aufzusetzen. Ein anderes Beispiel war ein Start-up in Berlin: 57 Millionen Umsatz im Jahr mit vielen über die Jahre gewachsenen Beteiligungsunternehmen. Weil die weitgehend unbekannt waren, mussten eine Markenstrategie und eine Arbeitgebermarkenstrategie entwickelt werden, die Hand in Hand gehen. Solche Aufträge gibt es noch nicht oft. Sie werden aber mehr, je öfter wir es mit Start-ups oder Mittelständlern zu tun haben.
Aber ist es nicht oft auch auf Unternehmensseite so, dass die einen sich um die Marke kümmern, andere betreuen die Arbeitgebermarke. Gerne auch in ganz verschiedenen Gebäuden.
Stienen: Bewerber checken das ganze Unternehmen, den Internet-Auftritt, Social Media und so weiter. Das heißt, man kann die Marke nicht mehr von der Arbeitgebermarke trennen. Das muss schon konsistent sein. Dann ist die Frage: Geht das mit dem Brand wirklich durch? DB Schenker zum Beispiel ist ja jetzt im Vergleich zu Marken wie Porsche vielleicht auf den ersten Blick nicht so sexy. Aber wir wollen den Brand attraktiver machen – und da muss eben der Gesamteindruck stimmen. Auch hier gilt: One face to the customer!
Warum haben Sie sich bei DB Schenker eigentlich für eine Personalmarketing-Agentur entschieden? War das bewusst oder hat es sich einfach so ergeben?
Stienen: Das hat auch immer viel mit Chemie zu tun. Haben die Leute Ahnung? Verstehen die mich? Fordern die mich auch? Das muss einfach passen – damit ich den Dienstleister auch intern verkaufen kann.
Was hat Sie bei Scholz & Friends bewogen eine eigene Unit zu gründen? Nur aus dem Wunsch heraus, dem Thema ein eigenes Zuhause zu geben, oder um das entsprechende Know-how für den HR-Bereich aufzubauen?
Fischer: Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, auch Spezialisten an Bord zu holen die nicht aus der Werbewelt kommen, sondern zum Beispiel aus der Organisationsentwicklung oder dem HR-Management. Die Spezialisierung bringt es mit sich, dass die Mitarbeiter der Unit eine steile Lernkurve haben. Mit jeder betreuten Employer Brand versteht man besser, wie es funktioniert und worauf man achten muss.
Grewe: Das kann ich bestätigen. Castenow hat ja vor ca. 12 Jahren entschieden, den Schalter umzulegen und sich auf Employer Branding zu konzentrieren. Dann hat man eben die angesprochene Lernkurve. Wenn man von allem ein bisschen macht, kann man die Spezialisierung nicht durchziehen. Immerhin haben wir es, wenn sich die Zielgruppen für einen neuen Arbeitgeber entscheiden, mit einer Lebensentscheidung zu tun. Das ist anders, als wenn ich im Supermarkt einen Schoko-Riegel aus dem Regal nehme. Diesen Entscheidungsweg muss man anders denken – und begleiten.
Die Employer Brand ist das eine. Die muss aber dann auch in die Kommunikation überführt werden – in Personalmarketing- oder Recruiting-Kampagnen. Auch da gibt es inzwischen so viele verschiedene Kanäle und Disziplinen. Das kann ein Dienstleister eigentlich gar nicht mehr abdecken, oder?
Grewe: Es geht nicht darum, alles abzudecken, sondern Kanäle und Maßnahmen zentral zu steuern.
Stienen: Die Frage ist auch, wann der Dienstleister aussteigt und wann das Unternehmen übernimmt. Wie die Strukturen aussehen, wie groß sind die HR-Abteilungen? Gibt es Leute für Kommunikation – und gibt ein Unternehmen überhaupt Geld dafür aus? Erkennt ein Arbeitgeber den Mehrwert eines Mitarbeiters, der den ganzen Tag nur Social-Media-Kanäle bespielt?
Grewe: Das hängt auch stark vom Auftraggeber ab. Immer mehr wird das Thema vernetzt angegangen. Dann sitzt nicht allein der Personal-Bereich am Tisch, sondern eben auch die interne Kommunikation, Engagement und andere. Die ganze Kommunikation wird dann ganzheitlich angegangen. Das ist die Voraussetzung dafür, über ganz andere Lösungen nachzudenken, zum Beispiel wie man die Employer Value Proposition an den verschiedenen Kontaktpunkten potenzieller Bewerber mit dem Unternehmen konsistenter erlebbar macht. Da geht es weniger um Kampagne als um Prozesse.
Stienen: Richtig. Und alles muss stimmig sein – bis hin zu dem Punkt, dass die Mitarbeiter, die auf einer Bewerber-Messe für das Unternehmen auftreten, von ihrem Denken und ihrer Sprache, dem gesamten Corporate Behaviour also, her auch zum Produkt, zur Marke passen müssen.
Wäre die logische Konsequenz daraus nicht, dass im Prinzip das Thema Arbeitgeber-Kommunikation, Personalsuche mehr in die Gesamt-Kommunikation des Unternehmens integriert werden müsste? Kann man das überhaupt noch trennen?
Fischer: Idealerweise läuft das stark zusammen. Für Innogy etwa haben wir Unternehmens-, Produkt- und Arbeitgebermarke aus einem Guss entwickelt und auch die Kommunikationsspezialisten aus den verschiedenen Bereichen übergreifend eingesetzt. Eine Agentur braucht natürlich eine gewisse Größe, um da Full Service anbieten zu können. Sie braucht Designer, Digital-Experten, die klassischen Werber etc. – auch für das Employer Branding. Das ganze Instrumentarium einer Kommunikationsagentur plus dem speziellen Know-how für das Employer Branding.
Grewe: Das stimmt. Castenow zum Beispiel hat entsprechend bei seinen Mitarbeitern das nötige Digital-Know-how aufgebaut.
Fischer: Es geht beim Employer Branding nicht darum sexy Lifestyle-Welten aufzubauen, sondern die Kultur des Unternehmens wirklich zu verstehen und authentisch an allen relevanten Kontaktpunkten der Candidate Journey zum Leben zu erwecken.
Kann das der klassische Personaler überhaupt noch steuern – oder ist nicht auch auf Unternehmensseite ein komplett neues Mindset gefordert?
Stienen: Das ist eine ganz normale Anforderung an Führungskräfte: vernetzt zu denken und zu steuern.
Grewe: Professionelles Stake-Holder-Management. Im Idealfall ist es auch auf der Kundenseite so organisiert, dass alle relevanten Kompetenzen mit am Tisch sitzen und nicht nur die HR-Abteilung.
Stienen: HR steht heute vor der Anforderung, die richtigen Leute im Unternehmen an einen Tisch zu bringen. Hier sind Vernetzung und Kommunikation das A und O.
Das hört sich schön harmonisch und logisch an. Aber über lange Zeit haben Agenturen untereinander einen echten Konkurrenzkampf geführt und auch in Unternehmen wollten die verschiedenen Bereiche nicht zusammenarbeiten.
Grewe: Befindlichkeiten gibt es immer. Aber dieses ganzheitliche, vernetzte Denken ist heute auf beiden Seiten – Unternehmen wie Dienstleistern – gefordert. Dazu gehört zu Beispiel auch das Thema Messbarkeit. Das wird noch ein riesiges Thema mit viel Potenzial für Agenturen, da ihr Know-how einzubringen.
Fischer: Ich habe zum Thema Messbarkeit im Employer Branding vor kurzem mit einer Hochschule in Berlin ein Forschungsprojekt durchgeführt. Dabei kam heraus, dass nur jedes fünfte Unternehmen überhaupt versucht, Kennzahlen in diesem Bereich einzuführen. Erschreckend eigentlich. Hier kann HR vom Marketing noch lernen.
Schlussfrage: Braucht der Personalbereich mehr Marketing-Know-how – oder werden irgendwann Personalmarketing-Kampagnen vom Marketing miterledigt?
Fischer: Ich halte es für sinnvoll, dass die verschiedenen Abteilungen – zumindest Vertreter aus HR, Marketing und Kommunikation – gemeinsam in einem interdisziplinären Team arbeiten, um die Arbeitgebermarke aufzubauen, damit jeder seine Kompetenzen einbringen kann.
Stienen: Sehe ich genauso. Die Leute, die Kommunikation machen, sind heute im übertragenen Sinne Sales-Leute. Auch diese Kompetenz braucht es im Team. Aber vielleicht benötigen alle Beteiligten in Marketing und Kommunikation mehr Grundlagenkenntnisse in moderner HR-Arbeit.
Grewe: In den großen Unternehmen halten in den HR-Abteilungen immer mehr Marketing-Spezialisten Einzug. Und das wird sich auch bei Entscheidern nachvollziehen. Die Silos fallen.
Christa Stienen ist Chief Human Resources Officer beim Logistik-Dienstleister DB Schenker im Cluster Deutschland/Schweiz. Sie blickt auf eine langjährige Tätigkeit bei Unternehmen wie LSG Sky-Chefs, Metro oder dem Pharma-Hersteller Daiichi Sankyo Europe zurück. Stienen war bis 2019 Vizepräsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager BPM.
Malte Fischer leitet bei der Agentur Scholz & Friends die 2016 gegründete Unit für ganzheitliches Employer Branding. Er arbeitet seit 2001 bei der Agentur. Seine Schwerpunkte sind Marken- und Kommunikationsstrategien sowie die Prozessberatung im Rahmen der internen Einführung von Arbeitgebermarken.
Tobias Grewe ist Head of Business Relations and Consulting bei Castenow. Er kam 2019 von Serviceplan zu der auf Employer Branding spezialisierten Agentur, wo er 2015 als Managing Partner startete. Dort hatte er den Bereich Employer Branding aufgebaut.
Interview und Text: Raoul Fischer und Detlev Brechtel