Frau Schatzdorfer, Ihre Karriere als Unternehmerin war alles andere als geplant: Als gelernte Kindergartenpädagogin wechselten Sie 1994 aus einem typischen Frauenberuf und ihrer Mutterrolle in eine Männerdomäne und übernahmen nach nur vier Jahren die Geschäftsführung im Familienunternehmen Schatzdorfer Gerätebau. Wie ist Ihnen dieser Sprung gelungen?
Ich bin damals dem Ruf meines Vaters und meines Mannes gefolgt, ohne das großartig zu hinterfragen oder zu wissen, in welcher Dimension sich mein Leben verändern wird. Die Schwierigkeit war, dass ich aus einem Beruf, in dem ich mich absolut wohlgefühlt und in dem ich auch meine Berufung verspürt habe, in die Wirtschaft wechselte – in der fürs Erste der Faktor Mensch nicht den Stellenwert hat, den er für mich hat. Ich habe auch keine entsprechende fachliche Voraussetzung mitgebracht. Die ersten Jahre waren wirklich blutig: Jeder Lehrling hat sich besser ausgekannt als ich – obwohl ich nominell seine Chefin war. Weil ich das nicht nur auf dem Papier sein wollte, musste ich einfach lernen. Ich habe sämtliche Kurse belegt in Arbeitsrecht, Sozialrecht. Lohnverrechnung, Buchhaltung, Gesellschaftsrecht…

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Foto von Alejandro Escamilla

Sie waren eine Zeit lang also sehr fleißig ….
Ja, das hat sich durchgezogen bis jetzt. Es gibt kein Jahr, in dem ich nicht einige Seminare oder Fortbildungen besuche, also lebenslanges Lernen. Der Unterschied ist, dass ich mir jetzt die Themen aussuche, die mir wirklich Spaß machen.

Auch im Kindergarten arbeiteten Sie zuletzt in leitender Funktion. Sind die Gegensätze vielleicht gar nicht so groß, wie es auf den ersten Blick erscheint?

Diese Erkenntnis ist mir erst mit einem gewissen Selbstbewusstsein als Unternehmerin gekommen. Ich habe mich zunächst sehr klein gefühlt, vom Unternehmen her und auch von der Wahrnehmung nach außen – der Betrieb hatte damals 37 Mitarbeiter. Ich habe dann angefangen, mich bei beruflichen Veranstaltungen zu präsentieren. Manchmal war ich die einzige Frau unter 200 Männern. Das war ein bisschen befremdlich, andererseits war ich sozusagen meine eigene Litfasssäule – man hat mich einfach wahrnehmen müssen. Als nächstes habe ich mir vorgenommen, mich auch zu Wort zu melden. Das habe ich dann auch getan – auf einer Veranstaltung der Energie-AG; ich weiß noch, ich saß in der fünften Reihe. Die Leute haben sich staunend zu mir umgedreht. Das war für mich das Schlüsselerlebnis, das mir bewusst gemacht hat: Warte nicht darauf, dass dir jemand einen Platz gibt, sondern nimm dir selber deinen Platz. Präsenz nach außen verstärkt dabei auch die Präsenz nach innen: Meine Mitarbeiter wissen es sehr wohl zu schätzen, in einem starken Team mit einem guten Image zu arbeiten. In der letzten Zeit haben wir zudem einige Preise gewonnen. Man muss das nicht überbewerten, aber ich merke einfach, dass meine Worte, meine Meinungen ein anderes Gewicht bekommen.

Sie sagen selbst, Frauen in Führungspositionen sind eher selten. Was zeichnet denn Ihrer Meinung nach einen guten Führungsstil aus?

Für mich ist erst einmal wichtig, dass mich die Leute authentisch erleben, dass ich das, was ich sage, auch tatsächlich umsetze. Meine Eltern sind sehr einfach aufgewachsen und haben sich beim Aufbau des Betriebs noch kasteit. Sie haben es geschafft, mir diese Demut mitzugeben. Und das ist für mich auch ein Schlüsselerlebnis: Ich sage, Erfolg ist schön und wir haben wirklich gute Zeiten, aber ich bin mir selber auch für nichts zu schade. Wenn meine Lkw-Fahrer krank sind, kann es durchaus sein, dass ich Laster fahre.

Tatsächlich!
Ja, ich habe alle Führerscheinklassen. Meine große Tochter hat auch schon wieder alle Fahrprüfungen abgelegt, das ist bei uns einfach so. Für mich ist wichtig, dass mich die Leute als starke Persönlichkeit empfinden, aber trotzdem als Mensch, der den Bezug zur Basis nicht verloren hat. Ohne meine Mitarbeiter bin ich keine Chefin und umgekehrt. Wir leben in einer Symbiose. Und das versuche ich meinen Leuten spürbar zu machen. Wichtig ist für mich, dass ich bei Entscheidungen auch die Schuhe des Mitarbeiters anziehe. Das heißt nicht, dass alles möglich ist. Es gibt für mich sehr wohl Punkte, die ich nicht diskutiere. Wenn ich aber das Vertrauen der Mitarbeiter will, dann muss ich ihnen auch Vertrauen geben. Das ist gar nicht so leicht, weil man immer glaubt, man kann es selbst am besten. Auf eine andere Ebene zu delegieren, ist ganz schwierig – noch dazu für Führungstypen, für so Alphatiere. Doch erst wenn man das zulässt und sich zurücknimmt, dann kommt das Potenzial der Mitarbeiter ans Licht. Ich glaube, dass ist die große Herausforderung beim Führen.

Führen Frauen anders?

Weibliche Perspektiven sind einfach vielschichtiger als männliche. Ich glaube nicht, dass Frauen besser sind, in keiner Weise. Ich glaube nur, dass Frauen einen anderen Zugang haben. Ich merke das auch bei uns im Unternehmen: Ich bin davon überzeugt, dass sich unsere Sichtweisen von rein männergeführten Unternehmen unterscheiden. Daraus können wir schöpfen. Was Führungsrollen von Frauen angeht, müssen wir uns bewusst sein, dass Entscheidungen zu treffen immer etwas mit Macht zu tun hat. Macht ist ein männliches Attribut. Es geht also auch darum, seine Weiblichkeit nicht zu verlieren. Eine Zeitlang glaubte man, Frauen müssten die besseren Männer werden, um sich in der Wirtschaft zu behaupten. Ich denke mir, wenn eine Frau diesen Anspruch hat, verliert sie auf der ganzen Ebene. Ich möchte als Frau wahrgenommen werden, die etwas kann. Wenn ich jetzt irgendwo hingehe, trage ich ganz bewusst Farbe oder einen Rock.

Sie setzen sich besonders für die Förderung des weiblichen Nachwuchses ein. Wie kann man Frauen für technische Berufe begeistern?
Für mich ist das ein gesellschaftspolitisches Thema. Ich finde die Politik schießt am Ziel vorbei, wenn sie das erst mit 15-jährigen aufgreift. Auf Veranstaltungen lasse ich immer die Leute aufzeigen, die eine Tochter im Alter zwischen 12 und 15 haben. Und dann sage ich, stellen Sie sich vor, Ihre Tochter kommt zu Ihnen und erklärt, ich gehe jetzt nicht in die Handelakademie, sondern werde Schlosserin oder Metallbautechnikerin. Was sagen Sie dazu? Solange die Eltern dieser Ausbildung nicht die gleiche Wertigkeit geben wie der anderen, wird nichts passieren. Wir müssen das Thema weiter herunterbrechen: Es muss im Kindergarten legitim sein, dass die Mädels genau das Gleiche machen wie die Buben. Und die Erwachsenen, die sich mit den Kindern beschäftigen, sollten sich in der Richtung ausbilden, um Verständnis für Technik mitzubringen.

Sie beschäftigen derzeit 83 Mitarbeiter.
Inklusive Leasing, ja. Also 75 eigene plus 8 Leasing-Kräfte.

Treffen Sie bei dieser Größe Personalentscheidungen noch immer selbst?
Personalentscheidungen sind für mich ganz wichtig. Bevor ein Mitarbeiter bei uns anfängt ist er mindestens drei bis vier Mal im Haus gewesen. Zuerst führen wir ein Einführungsgespräch, das machen wir immer zu zweit. Beim Small Talk schauen wir, ob der Kandidat zu uns passt, ob er überhaupt in einem familiär strukturierten Umfeld arbeiten kann. Aus Erfahrung weiß ich, dass manche Leute für Großbetriebe geschaffen sind, während sich andere lieber in kleinere Betriebe einbringen. Wir machen dann einen Rundgang durch die Firma. Nach zwei, drei Tagen treffen wir uns wieder, der Bewerber soll überlegen, welche Gefühle er entwickelt hat, ob es von seiner Seite irgendwelche Fragen gibt, wo er sich in zwei Jahren, sieht – wir überlassen da wirklich nichts dem Zufall. Das machen wir auch, wenn jemand unser Unternehmen verlässt – da gibt es auch ein bis zwei Austrittsgespräche. Im Vier-Augen-Gespräch frage ich immer: Wenn du heute Chef wärst, welche zwei Sachen würdest du sofort ändern? Wir pflegen überhaupt eine sehr offene und ehrliche Kultur. Ich bedanke mich bei jedem für seine Offenheit. Und ich denke, dass jeder Mitarbeiter mit der Meinung, die er vertritt, repräsentativ ist für eine gewisse Gruppe im Unternehmen. So gesehen ist das nie eine Einzelmeinung, auch wenn das nur ein Einzelner sagt.

Bekommen Sie ausreichend Bewerbungen von qualifizierten Fachkräften?

Seitdem wir eine so gute Präsenz in den Medien haben, erhalten wir sehr viele Blindbewerbungen. Fachkräftemangel ist sicher da, nämlich bei gut ausgebildeten Schlossern und Schweißern. Das ist einfach Fakt, darum behelfen wir uns da teilweise mit Leasingkräften.

Globalisierung, technologischer Fortschritt, demographischer Wandel – spielen diese Entwicklungen für Ihr Unternehmen eine Rolle?
Schon, aber ich glaube, dass wir mit unserer Größe einfach zu den Gewinnern gehören. Wir sind ein Nischen-Player. Wir leben von unserer Flexibilität und von unserer Wendigkeit. Wir evaluieren uns ständig, passen uns an und ruhen uns nicht auf dem aus, was wir erreicht haben. Die größte Herausforderung ist, Veränderungsprozesse rechtzeitig zu erkennen und in der richtigen Art und Weise auf sie zu reagieren. Nämlich einerseits mit einer gewissen Behutsamkeit und andererseits mit einer gewissen Risikofreude. In diesem Spannungsfeld liegt für mich der Erfolg.

Aus Ihrer Sicht haben kleine und mittlere Unternehmen also echte Vorzüge?

Absolut. Du musst dich mit dem platzieren, was du gut kannst. Ich behaupte einfach einmal: Die Gewinner brechen die Regeln. Du darfst nicht tun, was jeder tut. Sondern du musst kreativ sein in deinem Ansatz. Und das können kleinere Unternehmen besser, weil wir so schnelle Entscheidungsmöglichkeiten haben. Wenn ich von irgendwas überzeugt bin oder jemand etwas sagt, was ich toll finde, dann kann ich schon morgen damit anfangen. Das bringt uns in eine Pole-Position.

Wenn Sie zurückblicken, wünschen Sie sich manchmal, Sie wären dem Ruf in den elterlichen Betrieb seinerzeit nicht gefolgt?

Sagen wir mal so, es gibt Augenblicke in meinem Leben, da ist der Rucksack der Unternehmerin schon schwer zu tragen. Es gibt so etwas wie die Einsamkeit des Erfolgreichen. Wenn ich aber alles zusammenzähle, bin ich mit der Entscheidung sehr froh. Ich weiß, dass mich das Unternehmen auch in meiner Persönlichkeit weitergebracht hat und ich Dinge in meinem Leben entscheiden und machen kann, die ich als Kindergärtnerin nicht hätte machen können. Unterm Strich ist für mich das Tollste, wenn man u-n-t-e-r-n-e-h-m-e-n kann, wenn man kreativ gestalten kann und verantwortlich ist für seinen eigenen Erfolg oder Misserfolg. Wenn man die Auswirkung der eigenen Leistung so unmittelbar spürt, das mag ich.

Interview: Petra Jauch

Live zu erleben ist die engagierte Geschäftsfrau auf der Fachmesse Personal Austria am 7. November 2007 in Wien. Im Praxisforum 1 hält sie von 12.35 bis 13.35 Uhr einen Keynote-Vortrag mit dem Titel: “Was macht die Kleinen so erfolgreich? Mitarbeiterführung als Schlüsselfaktor”. Weitere Informationen zur Messe finden Sie hier.