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Wenn der Auftraggeber über die rote Ampel fährt

Was aber tun, wenn der Auftraggeber einen Interim Manager anheuert und diesem zwei Wochen später befiehlt, gegen alle gebotene Vernunft zu handeln? In der Praxis passiert das durchaus. In solchen Fällen greift die Auftragsklärung. Ein umsichtiger Interim Manager klärt zum Beispiel bei einem Personalabbau, mit welchen Methoden dieser bewältigt werden soll. Bei einem Projekt zu Mitarbeiterumfragen erkundigt er sich nach den Datenschutzmaßgaben. Im Diskussionsfall wird er sich darauf berufen und zudem klar stellen, dass er mit einer Lösung beauftragt wurde, aber nicht weisungsgebunden ist. Da nützt es übrigens auch nicht viel, die Honorarüberweisungen einzufrieren. Das sind schlechte Geschäftspraktiken und kann sich durchaus rumsprechen. Zugegeben: Man kann Vernunft nicht befehlen, aber auch keine Unvernunft. Und offen gesprochen: Niemand will doch pausenlos nur Glück haben, das er braucht, um mit schiefen Methoden durchzukommen. Jeder will auf Loyalität bauen können. Es liegt an ihm, diese zuzulassen. An vielen Interim Managern wäre zu lernen, wie sich Loyalität praktizieren lässt. Die moderne Wirtschaft hat das bitter nötig, wenn sie in volatilen Zeiten Stabilitäten erzeugen will.      

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Das Hemd ist näher als die Hose. Erst das Fressen, dann die Moral. Wessen Brot ich esse, dessen Lied singe ich. Der Volksmund erinnert sich mit diesen Sätzen an Zeiten, in denen soziale Klassen zementierter waren als heute und Vermögen in der Gesellschaft feudalistisch ungleich verteilt wurden.

Diese Realität prägt heute noch unser Verständnis von Freundschaft, Loyalität, Beziehungen in Krisen und Business. Und so ganz ist diese Realität nicht verblasst, weil es derlei soziale Zustände noch gibt. Tatsache ist aber ebenso, dass Ökonomie heute auch unter anderen Bedingungen funktioniert. Einige der prominentesten Schlagworte dafür sind: Volatile Arbeitsmärkte, mittelbare Mitbestimmung der Beschäftigten durch wachsende unternehmerische Verantwortung und Maßgeblichkeit von Algorithmen bei Management-Entscheidungen. Die moderne Welt bringt auf diese Weisen Menschen, Kategorien und Welten in Beziehung, die früher sauber getrennt wurden.

Leben und Wirtschaften in der entfesselten modernen Welt funktioniert also nicht mehr auf Grundlage von  engen Schwarz-Weiß-Zuschreibungen und simplen Herrschaftspraktiken. Weitsichtige Kooperation und Differenziertheit im Urteilen spielen nun andere, weil tragendere Rollen.

Loyalität – heute mehr denn je
gefragt und möglich

Der Loyalität könnten diese modernen Rahmenbedingungen eine Renaissance bescheren. Sie wird nämlich gebraucht in einer Zeit, die reich ist an Krisen und Problemen, welche durch hohe Businessgeschwindigkeit entstehen.

Dabei ist es irrelevant, ob die Gesellschaft eher sozial oder unsozial eingestellt ist. Existentielle Stabilität wird heute wie damals durch verlässliche Menschen gewährleistet. Verlässlich aber ist jemand, der Zusammenhänge und Hintergründe einer Situation sieht und mitdenkt; und nicht jemand, der gehorcht, weil er etwas befürchtet. Keine anderen Situationen als Krise oder Unsicherheit zeigen uns, ob wir es mit tragfähiger oder nur mit oberflächlicher Loyalität zu tun haben. Das bedeutet auch: Umsichtige, vernünftige Verlässlichkeit ist schlicht unbezahlbar. Und sie verkörpert die Eigenschaften, die heute am meisten nötig sind: Anständig, aufrichtig, ehrlich, fair, geradeaus, unbestechlich, vertrauenswürdig und zuverlässig. Daher setzt Loyalität eine gewisse Intelligenz voraus; den Mut, Dingen in die Augen zu sehen und Erfahrung.       

Loyalität: Visitenkarte eines Interims

Menschen möchten sich auf die Loyalität anderer verlassen, wenn es um ihr existentielles Wohl geht. Darum spielt diese Tugend in einigen Berufsständen eine besondere Rolle, wie bei Ärzten oder Lehrern zum Beispiel. Auch die Interim Manager wären dieser Liste hinzuzufügen. Je nachdem, in welcher Situation sie an Bord gerufen werden, verlangen Auftraggeber mehr oder weniger Loyalität. Und in diesem Punkt liegen auch die größten Missverständnisse bei der Beauftragung von Managern auf Zeit begründet. Schon die Wortwahl führt zu falschem Denken: Loyalität gibt man nicht in Auftrag.  Sie ist eine Voraussetzung, eine Einstellung, eine Vernunftsache. Und es gibt aus demselben Grund nicht mehr Loyalität mit sehr viel Geld oder weniger bei knapp bemessenem Tagessatz. Das, was in Auftrag gegeben wird, ist außerdem kein Arbeiten auf Order und Befehl. Würden Manager auf Zeit – juristisch gesehen – auf Weisung agieren, wäre damit ein Kriterium für Scheinselbständigkeit erfüllt. Dies zur Rechtslage
. Für das Miteinander von Auftraggeber und -nehmer gilt: Viele Interim Manager haben eine Existenz in der Selbständigkeit gewählt, weil sie aus dem Angestelltenalltag mit seinen Machtmechanismen aussteigen wollten. Sie möchten abseits von Firmenpolitik etwas bewegen. Oder andersherum argumentiert: Bei guter Gratifikation im Plankensystem der Kollegenschaft mit rudern und Erfolge sammeln, so lange wie das opportun ist – dies ließe sich in einem Angestelltenverhältnis wesentlich angenehmer leben.
 

          ZITAT
         „Loyalität bedeutet nicht Prinzipientreue im
                Sinne eines Kadavergehorsams. Sie bedeutet,
         vernünftig abzuwägen.“

Angestellte können Loyalität oft nicht so leben wie Interim Manager. Viele von ihnen haben unter Umständen einen Baukredit zu bedienen, den Haussegen daheim zu wahren, die nächsten Karriereschritte vor Augen oder dergleichen mehr. Bekanntlich ist oft an hoher Fluktuation zu merken, dass ein Unternehmen in Schieflage geraten ist.  

Genauso typisch wie die Metapher vom sinkenden Schiff und seiner Besatzung ist das Bild des Interim Managers, der im Helikopter sitzt und weitermacht. Er hat Kraft seines Amtes zugleich die Geschäftsidee, das Management und die Arbeitnehmerseite im Blick. Insbesondere bei Interim Aufträgen im Human Resource Management spielt das eine Rolle. Harscher Personalabbau, krumme Talentförderungsstrategien, sozial unverträgliches Taskforce Management oder dergleichen finden immer wieder den Weg in die Presse – und nicht nur in die Gewerkschaftspresse. In Managementkreisen wird darüber gesprochen und dies beschert dem Interim Manager keine gute Visitenkarte. Manager mit hohem Anspruch an sich selbst möchten dafür bekannt sein, dass sie kluge Lösungen gefunden haben und für alle Beteiligten das Beste möglich machten. Da geht es noch nicht mal darum, dass sie sich ethisch korrekt verhalten. Es geht um Sachlichkeit und Vernunft.


INFO: Klassische Merkmale & Werte von Interim Managern

Aspekt                         Tendenz

Wissen                         umfassend                  
Prinzipientreue              nach Vernunft              
Status                          unabhängig     
Macht                           führend                       
Ordnung                        flexibel                        
Freiheit                         eigenständig    

Dazu ein Beispiel: In einem uns bekannten Fall war ein Interim Manager gefordert, in einem Familienunternehmen einen HR-Auftrag zu erfüllen, das ein Personalmanagement wie in den 1970er Jahren pflegte. Der Manager wusste sofort, dass er nur beginnen könnte, wenn sich der Betrieb in diesem Punkt modern aufstellen würde. Er bestand zur Überraschung des potentiellen Auftraggebers darauf. Wäre der Interim als Handlanger aufgetreten, hätte er sinnlos versuchen müssen, seine Mission umzusetzen. Am Ende hätte er sein Geld kassiert, der Unternehmer und die Beschäftigten wären frustriert gewesen und nichts hätte sich verbessert. Der Interim Manager verhielt sich jedoch loyal.