Chefredakteur Franz Langecker zitierte zum Einstieg in die Diskussion den ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden des Discounters Lidl. Klaus Gehrig hatte vor Journalisten zu Protokoll gegeben, dass sein Unternehmen jährlich Millionenbeträge durch Diebstähle von Mitarbeitern und Kunden verliere. Rechtfertigen diese Verluste den heimlichen Aufbau eines Überwachungssystems? „Nein“, waren sich die geladenen Experten einig, darunter Prof. Peter Gola, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. (GDD), Prof. Dr. Peter Wedde, Inhaber des Lehrstuhls für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Fachhochschule Frankfurt am Main, sowie Thomas Prinz von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in Berlin.

people sitting near brown wooden coffee table
Foto von Jessica Sysengrath

Die Gesetzeslage ist komplex: Videoüberwachung sei in öffentlich zugänglichen Bereichen wie Kaufhäusern oder Supermärkten zulässig, um vor Diebstählen und tätlichen Angriffen zu schützen, erklärte Professor Gola. Für nicht-öffentliche Räume gebe es keine eindeutige Regelung. Allerdings habe das Bundesarbeitsgericht in verschiedenen Entscheidungen klar gestellt, dass eine heimliche Überwachung von Mitarbeitern am Arbeitsplatz nicht zulässig sei, da sie einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstelle. In einigen eng begrenzten Ausnahmefällen seien heimliche Überwachungen jedoch trotzdem erlaubt. Das gelte zum Beispiel dann, wenn der Verdacht bestehe, dass ein Arbeitnehmer Geld aus der Kasse entwendet habe und es – neben der Videoüberwachung – kein geeignetes Mittel gebe, den Tatverdacht aufzuklären.

Vor diesem Hintergrund kritisierte Hochschulprofessor Wedde, dass die bestehende Gesetzeslage nicht ausreiche, um Arbeitnehmer wirksam vor Überwachungen zu schützen: „Wir brauchen ein zusammenhängendes Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz“, appellierte er an den Gesetzgeber. Gegen ein solches Gesetz sprach sich Thomas Prinz von der BDA aus: „Wir haben schon das Telekommunikationsgesetz, das Bundesdatenschutzgesetz und eine umfangreiche Rechtssprechung zum Thema – und sollten lieber dafür sorgen, dass die Inhalte dieser Gesetze klar kommuniziert werden.“ Verdeckte Videoüberwachung grundsätzlich zu verbieten, nur weil es Übertritte gebe, halte er für übertrieben. Professor Gola gab ihm Recht: „Es kommt immer darauf an, welchen Zweck eine Überwachung verfolgt.“ Der Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung machte ebenso wie Wedde Regelungslücken im Gesetzeswerk aus. Bestehende Entwürfe eines Arbeitnehmer-Datenschutzgesetzes überzeugten ihn jedoch nicht: „Da steht genau das drin, was die Rechtsprechung schon sagt.“ Viele Unternehmen hätten ohnehin bereits Regelungen für den Datenschutz entwickelt.

Diese Regelungen gebe es jedoch fast ausschließlich in Unternehmen mit Betriebsrat, konterte Wedde. „In den anderen Unternehmen fehlen Regelungen zum Datenschutz vielfach – und Missbrauch ist verbreitet.“ Der Hochschulprofessor diagnostizierte eine „neue Kultur der Gedankenlosigkeit“ im Umgang mit Daten. Unternehmen sollten sich nicht so sehr mit der Frage beschäftigen, was der Datenschutz koste, sondern vielmehr damit, welche Ausgaben sie hätten, wenn der Datenschutz fehle. Die Firma Lidl habe teure Image-Anzeigen schalten müssen, um den Schaden durch den Überwachungsskandal wieder gut zu machen. Wedde plädierte an die Unternehmen, in Datenschutz zu investieren und damit nach außen zu werben. Eine Idee gab er dem Publikum gleich mit auf den Weg: „Warum sollte man nicht ein Gütesiegel für einen guten Datenschutz entwickeln?“