Problempunkt

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Foto von Austin Distel

Das BAG hatte zu beurteilen, welche Voraussetzungen an die Darlegungs- und Beweislast einer Diskriminierungsklage zu stellen sind. Die Arbeitnehmerin war als eine von drei Abteilungsleitern bei einem Musikkonzern beschäftigt. Als die Stelle ihres Vorgesetzten frei wurde, besetzte ihr Arbeitgeber diese mit einem ihrer zwei männlichen Kollegen. Da die Mitarbeiterin zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beförderung schwanger war, vermutete sie, dass sie deshalb nicht berücksichtigt wurde. Mit ihrer Klage verlangte sie Schadensersatz wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung gemäß § 611a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch alte Fassung (BGB a. F.).

Unstreitig war, dass ihr Vorgesetzter ihr die Position bereits in Aussicht gestellt hatte und sie ihn zudem regelmäßig vertrat, was ihre Eignung für die Position bestätigte. Ihrem Arbeitgeber war ihre Schwangerschaft bekannt. Außerdem hatte man ihr, als ihr mitgeteilt wurde, sie sei leer ausgegangen, gesagt, sie solle sich stattdessen auf ihr Kind freuen. Dies alles ließ nach Auffassung der Klägerin nur den Schluss zu, sie sei wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden.

Die Beklagte bestritt eine Diskriminierung. Sie hatte die Auswahlentscheidung nicht schriftlich dokumentiert und widersprach sich bei ihrem Vortrag im Prozess. Einmal stellte sie darauf ab, dass Leistungskriterien maßgeblich gewesen seien, ein anderes Mal Proporzgesichtspunkte. Unklar blieb jedoch, bezogen auf welchen Aspekt Letztere entscheidend gewesen sein sollen. Das Arbeitsgericht Berlin hielt das Schadensersatzverlangen der Arbeitnehmerin für begründet. Das LAG Berlin gab der Berufung der Arbeitgeberin statt und wies die Klage ab.

Entscheidung

Das BAG sah die Revision der Klägerin als begründet an. Zwar ließ es offen, ob ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Personalentscheidung des Arbeitgebers und der Anzeige der Schwangerschaft durch die Arbeitnehmerin eine Vermutung dafür begründen kann, dass eine geschlechtsbezogene Benachteiligung vorliegt. Jedoch reicht die zeitliche Nähe zwischen Beförderung und Mitteilung der Schwangerschaft zumindest dann nicht aus, eine Diskriminierung zu begründen, wenn es sich um ein rein zufälliges Zusammentreffen handelt. Dies ist der Fall, wenn der Zeitpunkt der personellen Maßnahme allein aufgrund einer objektiven betrieblichen Organisationsentscheidung und unabhängig von der Kenntnis der Schwangerschaft festgelegt wurde.

Die Richter des BAG hielten die Entscheidung des LAG Berlin für fehlerhaft, weil es weitere von der Klägerin vorgetragene Tatsachen, die eine Diskriminierung vermuten lassen, nicht oder nicht in der gesetzlich geforderten Weise berücksichtigt hatte. Trägt der benachteiligte Arbeitnehmer Hilfstatsachen vor, die jeweils für sich allein nicht ausreichen, um die Vermutungswirkung gemäß § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. herbeizuführen, ist vom Tatsachengericht eine Gesamtbetrachtung dahingehend vorzunehmen, ob diese Hilfstatsachen in ihrem Zusammenhang geeignet sind, die Vermutungswirkung zu begründen. Das LAG Berlin hatte eine solche Gesamtbetrachtung jedoch unterlassen und einige von der Klägerin vorgetragene Hilfstatsachen überhaupt nicht berücksichtigt. Daher hob das BAG das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

Konsequenzen

Da die Regelung in § 611a BGB a. F. mit § 22 AGG inhaltlich identisch ist, hat die Entscheidung auch für Diskriminierungsklagen nach dem AGG Bedeutung. Das BAG bestätigte seine bisherige Rechtsprechung, nach der ein Arbeitnehmer, der sich auf eine Diskriminierung beruft, diese nicht voll beweisen muss. Vielmehr kommt es zu einer Beweislastumkehr, wenn er Indizien darlegt und beweist, die eine Vermutung für die behauptete Diskriminierung begründen. Dann muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass keine Benachteiligung erfolgt ist.

Darüber hinaus hat das BAG klargestellt, dass die einzelnen vorgetragenen Umstände auch in ihrem Gesamtzusammenhang zu beurteilen sind. Gleichzeitig betonte es, dass die Anforderungen an die Vermutungswirkung der einzelnen Umstände nicht überspannt werden dürfen.

Praxistipp

Die Entscheidung zeigt noch einmal deutlich, dass die Voraussetzungen, die der Arbeitnehmer erfüllen muss, um eine Diskriminierung zu beweisen, nicht zu hoch angesetzt werden dürfen.

Wesentlich strenger sind dagegen die Anforderungen für den Arbeitgeber, will er eine Diskriminierungsvermutung widerlegen. Bereits mit der Entscheidung vom 5.2.2004 (8 AZR 112/03) hat das BAG festgestellt, dass vom Arbeitgeber vorgebrachte, insbesondere nachgeschobene Rechtfertigungsgründe die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Diskriminierung nur widerlegen können, wenn er positiv nachweist, dass er weder das Geschlecht des abgewiesenen Bewerbers als negatives noch das Geschlecht des vorgezogenen Kandidaten als positives Kriterium in seine Entscheidung einbezogen hat.

Diesen Nachweis kann er regelmäßig nur erbringen, wenn er die Auswahlkriterien für eine Personalmaßnahme im Voraus festgelegt und sowohl diese als auch die Gründe für die Entscheidung schriftlich festgehalten hat. Auch nach der vorliegenden Entscheidung bleibt die Dokumentation für den Arbeitgeber bei einer Beförderung unerlässlich. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass das Gericht spätere Erklärungen als nachgeschoben wertet und er eine Diskriminierung nicht widerlegen kann, wenn es dem Arbeitnehmer gelungen ist, die Vermutung hierfür zu begründen.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi – 12/08