Wachstum und Wohlstand in Deutschland hängt zukünftig davon ab, in welchem Maße es gelingt, die Bildungsanstrengungen im Lande zu intensivieren und zu beschleunigen. Davon sind zumindest die Autoren der Studie „Zukunftsvermögen Bildung“ überzeugt. Fehlende Investitionen, Reformstau im Bildungswesen und der demographische Wandel hemmen die Innovationsfähigkeit und die Wirtschaftskraft einer Region. So führen die Studienautoren von McKinsey einmal mehr die Prognosen für Deutschland vor Augen: Im Jahr 2020 werden rund 2,4 Millionen Fachkräfte fehlen. „Daraus würde ein volkswirtschaftlicher Schaden von 1,2 Billionen Euro resultieren“, schätzt Nelson Killius, Partner bei McKinsey.

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Foto von Tyler Franta

Vor diesem Hintergrund konzentriert sich die Studie auf die „Reserven für den Arbeitsmarkt“: Frauen, ältere Erwerbstätige und Migranten müssten stärken am Arbeitsmarkt beteiligt werden. Vorschläge, um dieses Ziel zu erreichen, macht die Studie auch reichlich: Kinderbetreuungsangebote für Unter-Dreijährige ausbauen, Individualbesteuerung statt Ehegattensplitting einführen, staatliche Subventionierung von Altersteilzeit abschaffen oder Zuwanderung gezielt zulassen.

Gleichzeitig würden mehr beruflich und akademisch Höherqualifizierte gebraucht. Um das „volkswirtschaftliche Vermögen“ an Bildung zu steigern, macht die Studie vor allem Vorschläge zu zwei Themenfeldern: der Professionalisierung des Leitungspersonals von Schulen und der akademischen Qualifizierung von Facharbeitern. Internationale Vergleiche zeigten, dass die Führungsqualität der Schulleitung ein entscheidender Hebel für das Leistungsniveau von Schulen ist. Mit einer gezielteren Vorbereitung auf diese Aufgaben und einem weiter entwickelten Qualitätsmanagement ließen sich Engpässe beseitigen. In punkto Ausbildung fordern die Studieverantwortlichen, mehr Facharbeiter für eine Höherqualifizierung zu motivieren. Während sich die Zahl der Studierenden seit 1995 im OECD-Mittel um 41 Prozent erhöht habe, liege in Deutschland die Steigerung nur bei 5 Prozent – eine Zahl, die in den Ingenieurswissenschaften nicht einmal den Bestand sichere.

Von den 2,4 Millionen Fachkräften, die insgesamt fehlen, sind laut der Untersuchung von McKinsey die Hälfte Akademiker. Als Lösung bietet „Zukunftsvermögen Bildung“ folgende Gleichung an: Durch eine Steigerung der Erwerbstätigenquote ließe sich diese Lücke um 300.000 Personen verringern, durch Zuwanderung um noch einmal 200.000, durch bildungspolitische Maßnahmen um weitere 170.000. Um den verbleibenden Bedarf an circa 600.000 Akademikern zu decken, „müssten rund acht Prozent der unter 35-jährigen Facharbeiter von heute bis zum Jahr 2020 ein dreijähriges Studium absolviert haben“, so Nelson Killius.

Die umfassende Studie füllen außerdem Gastbeiträge von Pädagogen wie Peter Fauser, Hartmut Ditton und Manfred Prenzel. „Best practices“ aus der Schweiz (Wandel des Schulmanagements) und Großbritannien (Nationale Kennzahlen und Controlling-Maßnahmen) zeigen, wie Bildungsreformen aussehen können und wirken. Nur am Rande erwähnen die Autoren der Studie die betriebliche Weiterbildung. Es gebe vorbildliche Betriebe und weniger aktive. Wichtig sei dafür eine gute Personalentwicklung und ein innerbetriebliches Kompetenzmanagement, bei dem vor allem KMU noch Nachholbedarf hätten. Neue Bildungstechnologien wie E-Learning, Web 2.0 oder Wissensmanagement bleiben jedoch bei diesem Zukunftsentwurf außen vor. Die Vision von McKinsey und Robert Bosch Stiftung endet mit dem Fazit, dass sich am Anfang von einschneidenden Bildungsreformen die politische Führung dazu bekennen müsse – auch hinsichtlich des finanziellen Rahmens. Dazu seien gemeinsame Anstrengungen von Bund, Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft notwendig.

Danach sieht es nach den Ergebnissen des Bildungsgipfels am 22. Oktober jedoch noch nicht aus: Bund und Länder wollen ab 2015 bis zu 60 Milliarden Euro im Jahr zusätzlich für Bildung und Forschung ausgeben. Mit zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts möchten die Gipfelteilnehmer Bildung zukünftig mehr subventionieren – bisher sind es 6,2 Prozent für Bildung und 2,7 Prozent für Forschung. Doch wer welchen Anteil übernehmen soll, ist noch umstritten. Konflikte mit den Ländern sind also vorprogrammiert. Die Regierungschefs waren bei ihrem Treffen in Dresden außerdem übereingekommen, für ihr Zehn-Prozent-Ziel eine Arbeitsgruppe einzusetzen. Konkrete Umsetzungsvorschläge sollen aber erst nach der Bundestagswahl 2009 vorliegen.